Verfahrensgang
LG Detmold (Urteil vom 20.05.2020; Aktenzeichen 23 Js 1207/15 26 KLs 11/18) |
Tenor
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Detmold vom 20. Mai 2020
- aufgehoben, soweit der Angeklagte wegen Betrugs in den Fällen II.A. 3.2.1 bis II.A. 3.2.17 und wegen versuchten Betrugs in den Fällen II.A. 3.2.33 bis II.A. 3.2.35 der Urteilsgründe verurteilt worden ist; insoweit wird das Verfahren eingestellt; im Umfang der Einstellung trägt die Staatskasse die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten;
- dahin geändert, dass der Angeklagte des Betrugs in 20 Fällen und des versuchten Betrugs in sechs Fällen schuldig ist;
- im Gesamtstrafenausspruch aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die verbleibenden Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Gründe
Rz. 1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Betrugs in 37 Fällen und wegen versuchten Betrugs in neun Fällen unter Einbeziehung der Einzelstrafen aus dem Urteil des Amtsgerichts Detmold vom 24. Mai 2019 und unter Auflösung der dort gebildeten Gesamtstrafe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten verurteilt. Die auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten führt zur Teileinstellung des Verfahrens und zur Aufhebung des Gesamtstrafenausspruchs; im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
Rz. 2
1. Die Verurteilung des Angeklagten kann in den Fällen II.A. 3.2.1 bis II.A. 3.2.17 und II.A. 3.2.33 bis II.A. 3.2.35 der Urteilsgründe nicht bestehen bleiben, weil Verfolgungsverjährung eingetreten ist. Insoweit ist das Urteil aufzuheben und das Verfahren entsprechend § 206a Abs. 1 StPO einzustellen.
Rz. 3
a) Die Verjährungsfrist für vollendete und versuchte Betrugstaten beträgt fünf Jahre (§ 78 Abs. 3 Nr. 4, Abs. 4 StGB).
Rz. 4
Beim (vollendeten) Betrug beginnt die Verjährung mit Erlangung des letzten vom Tatvorsatz umfassten Vermögensvorteils (vgl. BGH, Beschluss vom 8. September 2020 – 4 StR 75/20, NStZ 2021, 222 mwN). Nach den Feststellungen sind dem Angeklagten in den Fällen II.A. 3.2.1 bis II.A. 3.2.17 der Urteilsgründe die von den Geschädigten gezahlten Raten im Zeitraum zwischen 13. September 2012 und 21. November 2013 zugeflossen.
Rz. 5
Beim Versuch kommt es für den Verjährungsbeginn auf das Ende der Tätigkeit an, die der Vollendung der Tat dienen sollte (vgl. BGH, Urteil vom 1. Februar 1989 – 3 StR 450/88, BGHSt 36, 106, 117). Nach den Feststellungen hat der Angeklagte in den Fällen II.A. 3.2.33 bis II.A. 3.2.35 der Urteilsgründe seine Täuschungshandlungen zwischen 1. Juli 2012 und Februar 2013 vorgenommen.
Rz. 6
Die erste zur Unterbrechung der Verjährung geeignete Maßnahme (§ 78c Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 StGB) war die Erhebung der Anklage vom 17. Dezember 2018. Sie erfolgte nach Ablauf der Verjährungsfrist dieser Taten, so dass Verfolgungsverjährung eingetreten ist.
Rz. 7
b) Die Bekanntgaben des Ermittlungsverfahrens mit polizeilicher Verfügung vom 18. November 2014 und staatsanwaltlichem Schreiben vom 24. April 2015 konnten die Verjährung nicht nach § 78c Abs. 1 Nr. 1 StGB unterbrechen, weil sich beide jeweils auf eine Betrugstat bezogen, die nicht Verfahrensgegenstand ist.
Rz. 8
c) Auch die Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschlüsse des Amtsgerichts Detmold vom 8. und 13. Februar 2017 vermochten eine Unterbrechung der Verjährung nach § 78c Abs. 1 Nr. 4 StGB nicht herbeiführen, weil sie den Mindestanforderungen an die Konkretisierung des Tatvorwurfs nicht genügen.
Rz. 9
aa) Ein richterlicher Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschluss hat den Tatvorwurf zur rechtstaatlichen Eingrenzung des Ermittlungszugriffs sachangemessen zu konkretisieren (vgl. BVerfG, Beschluss vom 9. November 2001 – 2 BvR 436/01, NStZ 2002, 212). Der Richter muss die aufzuklärende Tat, wenn auch kurz, doch so genau umschreiben, wie es nach den Umständen des Einzelfalls möglich ist (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 11. Februar 2015 – 2 BvR 1694/14, NJW 2015, 1585; vom 17. März 2009 – 2 BvR 1940/05, NJW 2009, 2516). Dabei ist die Angabe der Tatzeit zur Individualisierung der Tat grundsätzlich unerlässlich (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 19. Juni 2018 – 2 BvR 1260/16; vom 24. Mai 2006 – 2 BvR 1872/05). Anordnungen, die den Mindestanforderungen an die Konkretisierung des Tatvorwurfs nicht genügen, vermögen die Verjährung nicht zu unterbrechen (vgl. BGH, Beschluss vom 27. Mai 2003 – 4 StR 142/03, NStZ 2004, 275).
Rz. 10
bb) Diesen Anforderungen entsprechen die Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschlüsse des Amtsgerichts Detmold nicht.
Rz. 11
Das Amtsgericht hat in beiden Beschlüssen zum Tatvorwurf lediglich ausgeführt, „dem Beschuldigten wird zu Last gelegt, als Verantwortlicher der Firmen ‚A. ‚, ‚E. ‚ und ‚T. ‚ europäische Führerscheine anzubieten, diese aber trotz Zahlung nicht auszugeben, strafbar als Betrug gemäß § 263 Abs. 1 StGB.” Es fehlen konkrete Angaben, durch die der Lebenssachverhalt, der den vorgeworfenen Taten zugrunde liegt, nachvollziehbar umrissen wird. Den Beschlüssen kann insbesondere nicht entnommen werden, an welchen Tagen oder in welchem Zeitraum die dem Angeklagten zur Last gelegten Betrugshandlungen begangen worden sein sollen. Deshalb lässt sich den Beschlüssen nicht entnehmen, ob sich der Verfolgungswille der Ermittlungsbehörden zum Zeitpunkt des Erlasses der Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschlüsse auf die ausgeurteilten Taten erstreckte.
Rz. 12
2. Die Teileinstellung hat die Änderung des Schuldspruchs und den Wegfall der für die eingestellten Taten verhängten 20 Einzelstrafen zur Folge. Sie zieht auch die Aufhebung des Gesamtstrafenausspruchs nach sich. Der Senat kann nicht ausschließen, dass die Strafkammer ohne die weggefallenen Einzelstrafen auf eine niedrigere Gesamtfreiheitsstrafe erkannt hätte, zumal das Landgericht bei Bemessung der Gesamtstrafe u.a. die Höhe des Gesamtschadens berücksichtigt hat.
Rz. 13
3. Die weiter gehende Revision des Angeklagten ist unbegründet. Die Verfahrensrüge hat aus den Gründen der Zuschrift des Generalbundesanwalts keinen Erfolg. Im Übrigen hat die Nachprüfung des angefochtenen Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung zum Schuld- und Strafausspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
Rz. 14
4. Für das weitere Verfahren weist der Senat darauf hin, dass das Tatgericht bei Bildung einer neuen nachträglichen Gesamtfreiheitsstrafe gemäß § 55 StGB die Höhe der einzubeziehenden Einzelstrafen aus dem Urteil des Amtsgerichts Detmold vom 24. Mai 2019 festzustellen hat.
Unterschriften
Sost-Scheible, Bender, Bartel, Rommel, Lutz
Fundstellen
Haufe-Index 14691976 |
NZV 2021, 8 |
NZV 2022, 25 |
StRR 2021, 4 |