Verfahrensgang
LG Düsseldorf (Urteil vom 22.12.2004) |
Tenor
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 22. Dezember 2004 wird als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO).
Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen. Eine Erstattung der notwendigen Auslagen der Nebenklägerin im Revisionsverfahren findet wegen der gleichfalls erfolglosen Revision der Nebenklägerin nicht statt (vgl. Meyer-Goßner, StPO 48. Aufl. § 473 Rdn. 10).
Zu der Rüge, das Landgericht habe in mehrfacher Hinsicht den Grundsatz der Öffentlichkeit der Hauptverhandlung verletzt, bemerkt der Senat ergänzend:
1. Soweit das Landgericht zu Beginn des Hauptverhandlungstermins vom 11. Oktober 2004 verschiedene Asservate in Augenschein genommen sowie die Zeugin S. angehört hat, ist dies entgegen dem Sachvortrag der Revision nicht unter Ausschluss der Öffentlichkeit geschehen. Der Sitzungsniederschrift ist zu entnehmen, dass die Hauptverhandlung am 1. Oktober 2004 während der Vernehmung der Zeugin M., für deren Dauer das Gericht zuvor die Öffentlichkeit ausgeschlossen hatte, unterbrochen sowie Termin zur Fortsetzung der Hauptverhandlung und der Vernehmung dieser Zeugin auf den 11. Oktober 2004 bestimmt worden war. Das Teilprotokoll für den Termin vom 11. Oktober 2004 stellt zwar nicht fest, dass die Öffentlichkeit wieder hergestellt wurde, als das Landgericht die Hauptverhandlung wegen der mitgeteilten Verspätung der Zeugin M. zunächst mit den genannten weiteren Beweiserhebungen fortsetzte. Damit ist hier jedoch nicht festgestellt (§ 274 StPO), dass dieser Teil der Hauptverhandlung unzulässig unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt fand; denn das Hauptverhandlungsprotokoll ist insoweit offensichtlich unklar und in sich widersprüchlich, so dass die ihm durch § 274 StPO grundsätzlich beigelegte Beweiskraft für die wesentlichen Förmlichkeiten des Verfahrens (hier: § 272 Nr. 5 StPO) entfallen ist (vgl. Meyer-Goßner, StPO 48. Aufl. § 274 Rdn. 17 m. w. N.). Es kann dahinstehen, ob dies allein schon daraus folgt, dass das Protokoll nach dem Eintreffen der Zeugin M. und vor deren weiterer Einvernahme nunmehr ausdrücklich vermerkt, die Hauptverhandlung werde nicht öffentlich fortgesetzt. Die Unklarheit bzw. Widersprüchlichkeit der Sitzungsniederschrift ergibt sich jedenfalls in Verbindung damit, dass erst nunmehr der Stationsreferendarin St. ausdrücklich die Anwesenheit während des nicht öffentlichen Teils der Hauptverhandlung gestattet wurde (§ 175 Abs. 2 GVG), obwohl die Referendarin ausweislich des Protokolls bereits seit Beginn dieses Fortsetzungstermins anwesend war und ihr daher schon zu diesem Zeitpunkt das Verbleiben im Sitzungssaal hätte gestattet werden müssen, wenn unter Ausschluss der Öffentlichkeit verhandelt worden wäre.
Wegen des Wegfalls der Beweiskraft des Protokolls konnte der Senat die erforderlichen Feststellungen zum Verfahrensgeschehen im Wege des Freibeweises treffen. Dieser ergibt aufgrund der übereinstimmenden dienstlichen Erklärungen der Vorsitzenden Richterin der Strafkammer und des Protokollführers, dass die Hauptverhandlung im Termin vom 11. Oktober 2004 bis zur Fortsetzung der Vernehmung der Zeugin M. öffentlich geführt wurde.
Es kann daher dahinstehen, ob der Revisionsrüge schon deswegen der Boden entzogen war, weil das Hauptverhandlungsprotokoll nachträglich in diesem Sinne berichtigt wurde, wie der Generalbundesanwalt im Anschluss an die nicht tragenden, von der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs abweichenden Erwägungen im Urteil des 2. Strafsenats des Bundesgerichtshofs vom 12. Januar 2005 (2 StR 138/04 = NStZ 2005, 281) meint.
2. Für die Anberaumung des Fortsetzungstermins auf den 11. Oktober 2004 musste im Termin vom 1. Oktober 2004 die Öffentlichkeit nicht wieder hergestellt werden (BGH bei Becker NStZ-RR 2002, 261 Nr. 17).
3. Zu den Verfahrensvorgängen, die mit der Vernehmung der Zeugin M. in enger Verbindung standen und auf die sich daher der Ausschluss der Öffentlichkeit ebenfalls erstreckte, zählen neben den durch die Angaben der Zeugin veranlassten Augenscheinseinnahmen (BGH NStZ 1988, 190) auch die Erklärungen des Angeklagten nach § 257 StPO (Meyer-Goßner aaO § 172 GVG Rdn. 17; Diemer in KK 5. Aufl. § 172 GVG Rdn. 3). Entsprechend musste die Öffentlichkeit auch nicht wieder hergestellt werden, als sich der Angeklagte im Hauptverhandlungstermin vom 30. November 2004 zu den in nicht öffentlicher Sitzung vorgeführten Videofilmen erklärte.
Unterschriften
Winkler, Miebach, von Lienen, Becker, Hubert
Fundstellen
Haufe-Index 2556758 |
NStZ 2006, 117 |