Verfahrensgang
OLG Koblenz (Urteil vom 22.03.2012) |
Tenor
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Oberlandesgerichts Koblenz vom 22. März 2012 mit den jeweils zugehörigen Feststellungen aufgehoben,
- soweit der Angeklagte in den Fällen A. V. 2, 4, 10 bis 12, 29 und 46 der Urteilsgründe verurteilt worden ist,
- im Ausspruch über die Gesamtstrafe.
2. Soweit der Angeklagte im Falle A. V. 46 der Urteilsgründe verurteilt worden ist, wird er freigesprochen; insoweit hat die Staatskasse die Kosten des Verfahrens und die dem Angeklagten entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen;
Im Umfang der Aufhebung im Übrigen wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die verbleibenden Kosten des Rechtsmittels, an einen anderen Strafsenat des Oberlandesgerichts zurückverwiesen.
3. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe
Rz. 1
Das Oberlandesgericht hat den Angeklagten wegen Unterstützung einer ausländischen terroristischen Vereinigung in zwei Fällen (Fälle A. V. 2 und 4 der Urteilsgründe) und wegen Werbens um Mitglieder oder Unterstützer einer ausländischen terroristischen Vereinigung in 44 Fällen (Fälle A. V. 1, 3 und 5 bis 46 der Urteilsgründe) zu der Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt sowie eine Einziehungsentscheidung getroffen. Die Revision des Angeklagten rügt allgemein die Verletzung materiellen Rechts und beanstandet das Verfahren. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
Rz. 2
I. Verurteilung des Angeklagten in den Fällen A. V. 2 und 4 der Urteilsgründe
Rz. 3
1. Die Verurteilung des Angeklagten in den Fällen A. V. 2 und 4 der Urteilsgründe jeweils wegen Unterstützung einer ausländischen terroristischen Vereinigung (§ 129a Abs. 5 Satz 1, § 129b Abs. 1 Satz 1 und 2 StGB) hat keinen Bestand. Bereits dies führt zur Aufhebung des Urteils auch im Ausspruch über die Gesamtstrafe.
Rz. 4
a) Das Oberlandesgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
Rz. 5
aa) Die Zeugen P. und T. waren die Administratoren von Internet-Foren der deutschen Sektion der „Global Islamic Media Front” (GIMF), einer Organisation von Betreibern islamistischer Internetseiten, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, verfügbares jihadistisches Propagandamaterial aufzubereiten, in westliche Sprachen zu übersetzen und über das Internet weiterzuverbreiten. Am 24. September 2007 eröffneten sie unter der Adresse g. ein solches Forum bei einem ungarischen Server-Betreiber (sogenanntes zweites GIMF-Forum), das dieser allerdings bereits am 22. November 2007 wieder vom Netz nehmen ließ. Hierauf eröffneten sie am 24. November 2007 unter der Adresse g. ein weiteres Forum bei einem Server-Betreiber im Königreich Tonga (sogenanntes drittes GIMF-Forum), das mit einer kurzen Unterbrechung bis zur Schließung am 21. Juli 2008 zugänglich war. Beiträge in die Foren einstellen oder dort eingestellte Beiträge einsehen konnten jeweils nur registrierte, von P. und T. zugelassene und freigeschaltete Nutzer. Von neuen, ihnen nicht schon aus zuvor betriebenen Foren entsprechend bekannten Nutzungswilligen verlangten sie vor der Freischaltung die Kundgabe von Äußerungen, welche sie als „Jihad-Interessierte” auswiesen. Die Zahl der so zugelassenen Mitglieder belief sich, soweit ermittelbar, im zweiten GIMF-Forum auf 175 und im dritten GIMF-Forum auf 117 Personen.
Rz. 6
Der Angeklagte war Mitglied beider Foren. Am 9. Oktober 2007 stellte er im zweiten GIMF-Forum unter der Überschrift „Abu Musab Sarkawi schlachtet Nick Berg (Deutsch)” einen Link bereit, der es anderen Nutzern ermöglichte, die vollständige, mit deutschen Untertiteln versehene Version eines Videofilms der „Al Qaida im Zweistromland” mit dem Titel „Emir Musab Al-Zarqawi, der Schlächter, terrorisiert die Kreuzfahrer und schlachtet ihren Kafir B.” herunterzuladen (Fall 2). Einen entsprechenden Link fügte er nach Schließung dieses Forums am 26. November 2007 dem Eintrag „Abu Musab – … B.” im dritten GIMF-Forum bei (Fall 4).
Rz. 7
Der Film zeigt die Enthauptung des von der „Al Qaida im Zweistromland” im Irak als Geisel genommenen US-Staatsbürgers … B. durch den (2006 getöteten) Anführer dieser Gruppierung, Abu Musab Al Zarkawi, am 11. Mai 2004. Hinter dem auf dem Boden knienden und an Händen und Füßen gefesselten Opfer verliest Al Zarkawi zunächst in einer Gruppe bewaffneter und vermummter Personen stehend eine Botschaft, in der er unter anderem ausführt: „Gegrüßt sei der Prophet Muhammad, durch dessen Schwert der Islam in der Welt stark wurde. … Nachdem bekannt wurde, wie man in dem Gefängnis von Abu Ghuraib mit muslimischen Männern und Frauen umgegangen ist, gibt es keine Entschuldigung mehr für Leute, die nichts gegen die Kreuzzügler unternehmen wollen. Die Würde des Islam und der Muslime ist in diesem Gefängnis ‚geschächtet’ worden. … Die muslimischen Geistlichen sollen das Vertrauen an Allah von der kämpfenden Jugend lernen, welche die stärkste Macht der Welt in die Knie gezwungen hat. Die Geistlichen sollen aufhören, nur zu reden, sie sollen zum Kampf aufrufen. Der Prophet Muhammad – obwohl er der Prophet der Barmherzigkeit war – hat in der Schlacht von Badr die Enthauptung einiger Kriegsgefangener befohlen. Er ist das beste Vorbild, an das wir uns zu halten pflegen. … An die Mütter und Ehefrauen der US-Truppen: Wir haben der US-Regierung vorgeschlagen, diesen Gefangenen mit einigen Gefangenen in dem Gefängnis von Abu Ghuraib auszutauschen. Sie hat es aber abgelehnt. Ihr werdet von uns nichts anderes bekommen als ‚Leiche nach Leiche’ und ‚Sarg nach Sarg’, welche alle nach dieser Art ‚geschächtet’ sind.” Abschließend rezitiert er Sure 9 Vers 5 des Korans, in den Untertiteln übersetzt wie folgt: „Tötet die Polytheisten, wo immer ihr sie findet! Greift sie, belagert sie und lauert ihnen auf jedem Weg auf!” Danach fixieren die Begleiter Al Zarkawis B. an Kopf und Körper; Al Zarkawi setzt ein langes Messer an dessen Nacken an. Während ein Teil der Begleiter den Kopf B.s hin und her zerrt, durchtrennt Al Zarkawi unter Todesschreien seines Opfers mit mehreren Schnitten dessen Hals. B. verstirbt mit einem Röcheln, eine Blutlache ergießt sich auf den Boden. Den abgetrennten Kopf des Ermordeten hebt Al Zarkawi triumphierend in die Höhe und legt ihn schließlich der Leiche in die gefesselten Arme.
Rz. 8
bb) Das Oberlandesgericht sieht die Verbreitung dieser Videoaufzeichnung als Teil der psychologischen Kriegsführung der „Al Qaida im Zweistromland”. Sie diene, was auch der Angeklagte erkannt habe, dazu, in der Bevölkerung der Staaten, die sich aus der Sicht dieser Gruppierung am „Krieg gegen den Islam” beteiligen, Angst und Schrecken zu verbreiten, und diese Staaten so zum Rückzug ihrer Truppen aus den islamischen Ländern, insbesondere aus dem Irak, zu bewegen. Andersdenkenden und Nichtmuslimen solle deutlich vor Augen geführt werden, dass „Al Qaida im Zweistromland” willens und in der Lage sei, ihre Ziele mit größtmöglicher Grausamkeit durchzusetzen, dass die Gruppierung mit allen im „Jihad” gemachten „Gefangenen” in gleicher Weise verfahren werde und dass sich ihr Kampf nicht nur gegen reguläre Truppen, sondern gegen alle „Ungläubigen” richte, die ihr in die Hände fielen. Durch die Präsentation des Videos auf den deutschsprachigen Internetforen der „Globalen Islamischen Medienfront” habe der Angeklagte die „Al Qaida im Zweistromland” im Sinne des § 129a Abs. 5 Satz 1 StGB unterstützt, denn die Verbreitung eines solchen auf die Gegner abschreckend und demoralisierend wirkenden Propagandamittels führe zu einer „nicht unbeträchtlichen Erweiterung der Aktionsmöglichkeiten der Organisation” und erhöhe so deren Gefährdungspotential.
Rz. 9
b) Dies hält rechtlicher Prüfung nicht stand.
Rz. 10
aa) Nach ständiger Rechtsprechung des Senats ist unter einem Unterstützen im Sinne von § 129a Abs. 5 Satz 1, § 129b Abs. 1 Satz 1 StGB grundsätzlich jedes Tätigwerden zu verstehen, durch das ein Nichtmitglied der Vereinigung deren innere Organisation und ihren Zusammenhalt unmittelbar fördert, die Realisierung der von ihr geplanten Straftaten – wenn auch nicht unbedingt maßgebend – erleichtert oder sich sonst auf deren Aktionsmöglichkeiten und Zwecksetzung in irgendeiner Weise positiv auswirkt und damit die ihr eigene Gefährlichkeit festigt (s. etwa BGH, Urteil vom 14. August 2009 – 3 StR 552/08, BGHSt 54, 69, 117). Dies kann zum einen dadurch geschehen, dass ein Außenstehender mitgliedschaftliche Betätigungsakte eines Angehörigen der Vereinigung fördert; in diesem Sinne handelt es sich beim Unterstützen um eine zur Täterschaft verselbständigte Beihilfe zur Mitgliedschaft (vgl. etwa BGH, Urteile vom 30. Oktober 1964 – 3 StR 45/64, BGHSt 20, 89; vom 3. Oktober 1979 – 3 StR 264/79, BGHSt 29, 99, 101). Zum anderen greift der Begriff des Unterstützens einer Vereinigung über ein im strengeren Sinne des § 27 Abs. 1 StGB auf die Förderung der Tätigkeit eines Vereinigungsmitglieds beschränktes Verständnis hinaus; denn er bezieht sich auch und – wie schon der Wortlaut des Gesetzes zeigt – sogar in erster Linie auf die Vereinigung als solche, ohne dass im konkreten Fall die Aktivität des Nichtmitglieds zu einer einzelnen organisationsbezogenen Tätigkeit eines Organisationsmitglieds hilfreich beitragen muss (vgl. BGH, Beschluss vom 16. Mai 2007 – AK 6/07, BGHSt 51, 345, 350 f.; Urteil vom 14. August 2009 – 3 StR 552/08, BGHSt 54, 69, 117 f.). Auch muss das Wirken des Nichtmitgliedes nicht zu einem von diesem erstrebten Erfolg führen, es genügt, wenn sein Tun für die Organisation objektiv nützlich ist, ohne dass ein messbarer Nutzen für diese eintritt (BGH, Urteile vom 14. August 2009 – 3 StR 552/08, BGHSt 54, 69, 116; vom 25. Juli 1984 – 3 StR 62/84, BGHSt 33, 16, 17; vom 25. Januar 1984 – 3 StR 526/83, BGHSt 32, 243, 244).
Rz. 11
Diese im Ausgangspunkt weite Begriffsbestimmung des Unterstützens darf indes nicht dahin missverstanden werden, dass jedes Handeln eines Nichtmitgliedes im Sinne der Vereinigung als tatbestandsmäßig einzustufen wäre, ohne dass es auf die konkreten Wirkungen seines Tuns ankäme. Die vorausgesetzte Nützlichkeit für die Vereinigung muss anhand belegter Fakten nachgewiesen sein und darf sich nicht nur auf vermeintliche Erfahrungswerte oder allgemeine Vermutungen stützen. Außerdem darf nicht aus dem Blick verloren werden, dass der Gesetzgeber mit dem 34. Strafrechtsänderungsgesetz (vom 22. August 2002, BGBI. I S. 3390) und dem Gesetz zur Umsetzung des Rahmenbeschlusses des Rates vom 13. Juni 2002 zur Terrorismusbekämpfung und zur Änderung anderer Gesetze (vom 22. Dezember 2003, BGBI. I S. 2836) die Strafbarkeit des propagandistischen Wirkens eines Nichtmitglieds im Sinne der Vereinigung auf die Fälle des Werbens um Mitglieder oder Unterstützer für die Organisation beschränkt und das lediglich befürwortende Eintreten für eine terroristische Vereinigung, die Rechtfertigung ihrer Ziele oder der aus ihr heraus begangenen Straftaten straffrei gestellt hat. Diese gesetzgeberische Grundentscheidung ist zu beachten. Es ist nicht zulässig, sie dadurch zu umgehen, dass propagandistisches Handeln eines Nichtmitgliedes, das sich nicht als Werben um Mitglieder oder Unterstützer für die Vereinigung darstellt, allein wegen der psychologischen Folgen die es – insbesondere etwa im Falle der Rechtfertigung oder Verherrlichung von Gewalttaten der Organisation – auf die angesprochenen Adressatenkreise haben kann, als Unterstützen der Vereinigung einzustufen (BGH, Beschlüsse vom 19. Juli 2012 – 3 StR 218/12, juris Rn. 5; vom 16. Mai 2007 – AK 6/07, BGHSt 51, 345, 349 f.). Anderes kommt nur dann in Betracht, wenn im konkreten Einzelfall festgestellt werden kann, dass das Handeln des Nichtmitgliedes über die propagandistische Wirkung hinaus einen objektiv nützlichen Effekt für die mitgliedschaftliche Betätigung eines Angehörigen der Organisation bewirkt oder sonst für diese förderlich ist.
Rz. 12
bb) Nach diesen Maßstäben ist hier nicht belegt, dass der Angeklagte durch die festgestellten Tathandlungen die „Al Qaida im Zweistromland” tatbestandlich unterstützt hätte. Insoweit bestehen bereits Zweifel, ob die Begründung des Oberlandesgerichts, die Verbreitung des Films habe zu einer Erweiterung der Aktionsmöglichkeiten der Organisation geführt und so deren Gefährdungspotential erhöht, ausreicht, um ein tatbestandsmäßiges Unterstützen der Vereinigung bejahen zu können. Derart vage umschriebene Folgen sind grundsätzlich auch bei Handlungen mit rein werbendem Charakter denkbar. Die diesbezügliche Erwägung des Oberlandesgerichts beruht jedenfalls nicht auf einer tragfähigen tatsächlichen Grundlage; denn den Feststellungen ist schon nicht zu entnehmen, dass sich die Tathandlungen des Angeklagten auf die Verbreitung des Films in einer Weise richteten, die geeignet war, in Teilen der Bevölkerung Angst und Schrecken zu verbreiten und dadurch auf diejenigen, die sich gegen „Al Qaida im Zweistromland” wenden, demoralisierend zu wirken. Zugang zu den vom Angeklagten bereitgestellten Links hatte jeweils nur eine geschlossene Benutzergruppe, deren Mitglieder besonderer Zulassung bedurften und die sich hierzu als „Jihad-Interessierte” auszuweisen hatten. Dass der Film unter diesen konkreten Umständen in nennenswertem Umfang an „Andersdenkende und Nichtmuslime”, mithin Personen außerhalb des radikalislamischen Spektrums gelangen konnte, war von vornherein nicht zu erwarten. Soweit der Generalbundesanwalt – in anderem Zusammenhang – davon ausgeht, dass die den Film abrufenden Nutzer als „Multiplikatoren” nach außen wirken sollten, findet dies in den Feststellungen keine Stütze.
Rz. 13
2. Ohne Rechtsfehler hat das Oberlandesgericht im Übrigen angenommen, dass die beschriebenen Veröffentlichungen eine Verurteilung des Angeklagten wegen Werbens um Mitglieder oder Unterstützer einer ausländischen terroristischen Vereinigung (§ 129a Abs. 5 Satz 2, § 129b Abs. 1 Satz 1 und 2 StGB) nicht tragen.
Rz. 14
a) Die Auslegung von schriftlichen und mündlichen Äußerungen auf ihren tatsächlichen Gehalt ist Sache des Tatrichters (BGH, Urteil vom 15. März 1994 – 1 StR 179/93, BGHSt 40, 97, 101; Beschluss vom 16. Mai 2012 – 3 StR 33/12, NStZ 2012, 564). Kriterien für die Auslegung sind der Wortlaut, der sprachliche Kontext der Äußerung sowie die für die Zuhörer erkennbaren Begleitumstände, unter denen die Äußerung fällt (BGH, Beschluss vom 7. Februar 2002 – 3 StR 446/01, NStZ 2002, 592). Maßgeblich ist das Verständnis des Durchschnittsadressaten (BGH, Urteil vom 25. Juli 1984 – 3 StR 62/84, BGHSt 33, 16, 19). Lässt eine Sinngebung Verstöße gegen Denk- oder Sprachgesetze oder gegen das Gebot umfassender Berücksichtigung aller maßgeblichen Umstände nicht erkennen, so muss sie vom Revisionsgericht als rechtsfehlerfrei hingenommen werden (vgl. BGH, aaO, 19).
Rz. 15
Ein Werben im Sinne von § 129a Abs. 5 Satz 2 StGB erfordert einen sich dem Adressaten – wenn auch nur aus den Gesamtumständen – erschließenden eigenen Inhalt der Erklärung dahin, sie diene gezielt der Gewinnung von Mitgliedern oder Unterstützern zu Gunsten einer konkreten Organisation. Nicht ausreichend ist – wie bereits ausgeführt – das befürwortende Eintreten für eine terroristische Vereinigung, die Rechtfertigung ihrer Ziele oder der aus ihr heraus begangenen Straftaten sowie die Verherrlichung der Ideologie, aus der verschiedene derartige Vereinigungen ihre Tätigkeit legitimieren und die gegebenenfalls auch Einzelpersonen zur Rechtfertigung für die Begehung von Straftaten dient, mag dies auch von der stillschweigenden Erwartung getragen sein, beim Adressaten Überlegungen hin zu einem Anschluss auch an eine bestimmte Vereinigung oder zu deren Unterstützung auszulösen (BGH, Beschlüsse vom 16. Mai 2007 – AK 6/07, BGHSt 51, 345, 353; vom 19. Juli 2012 – 3 StR 218/12).
Rz. 16
b) Nach diesen Maßstäben ist es aus revisionsrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden, dass das Oberlandesgericht dem Film nach näherer Prüfung keine genügenden Aussagen hat entnehmen können, aus denen sich auf einen um mitgliedschaftliche Beteiligung an der „Al Qaida im Zweistromland” oder einen um die Förderung ihrer Tätigkeit oder ihrer Bestrebungen werbenden Charakter schließen ließe. Die Erklärung, es sei unentschuldbar, nichts gegen die „Kreuzzügler” zu unternehmen, drängt dies ebenso wenig auf wie der Appell an die „Geistlichen”, zum „Kampf” aufzurufen. Dasselbe gilt für das eher die Tat rechtfertigende Koranzitat.
Rz. 17
3. Im Übrigen kann der Senat auf der Grundlage der Feststellungen des Oberlandesgerichts über eine Strafbarkeit des Angeklagten in den Fällen A. V. 2 und 4 der Urteilsgründe nicht abschließend befinden.
Rz. 18
a) Mit der Bereitstellung der Videofilme zum Abruf im Internet hat der Angeklagte jedenfalls eine Schrift im Sinne des § 11 Abs. 3 StGB zugänglich gemacht, die grausame Gewalttätigkeiten gegen einen Menschen in einer Art schildert, die eine Verherrlichung solcher Gewalttätigkeiten ausdrückt und die das Grausame des Vorgangs in einer die Menschenwürde verletzenden Weise darstellt (Gewaltdarstellung; § 131 Abs. 1 Nr. 2 StGB; vgl. hierzu BGH, Urteil vom 27. Juni 2001 – 1 StR 66/01, BGHSt 47, 55). Tateinheitlich hierzu (vgl. Fischer, StGB, 59. Aufl., § 131 Rn. 26; § 140 Rn. 12) kommt eine Strafbarkeit des Angeklagten wegen Billigung einer Straftat nach § 140 Nr. 2 StGB in Betracht. Im Unterschied zu § 131 Abs. 1 Nr. 2 StGB erfüllt allein ein Zugänglichmachen diesen Tatbestand allerdings nicht; das insoweit erforderliche Verbreiten einer Schrift (vgl. BGH, aaO) hat das Oberlandesgericht bisher nicht festgestellt. Der Senat schließt indes nicht aus, dass – was auch zu § 131 Abs. 1 StGB führen würde – in einer neuen Hauptverhandlung jeweils noch Feststellungen zum Zugriff von Nutzern auf den zum Abruf bereitgestellten Videofilm getroffen werden können.
Rz. 19
b) Das neue Tatgericht wird insbesondere auch zu prüfen haben, ob hinsichtlich des rechtlichen Gesichtspunkts der Gewaltdarstellung Strafverfolgungsverjährung eingetreten ist (§ 131 Abs. 1, § 78 Abs. 3 Nr. 5 StGB), denn das Zugänglichmachen der genannten Dokumente im zweiten GIMF-Forum am 9. Oktober 2007 und im dritten GIMF-Forum am 26. November 2007 war noch nicht Gegenstand des Haftbefehls des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 5. Juli 2010, sondern erst der am 25. Juli 2011 erhobenen Anklage (§ 78c Abs. 1 Nr. 5 und 6 StGB).
Rz. 20
4. Der Senat verweist die Sache auch insoweit zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Oberlandesgericht zurück, denn dessen Zuständigkeit ist ungeachtet des Umstands begründet, dass es sich weder bei der Gewaltdarstellung (§ 131 StGB) noch bei der Billigung einer Straftat (§ 140 StGB) um ein Staatsschutzdelikt im Sinne von § 120 Abs. 1 oder Abs. 2 GVG handelt. Eine derartige Erstreckung der Zuständigkeit hat grundsätzlich zur Voraussetzung, dass nach der objektiven Rechtslage (BGH, Beschluss vom 8. November 2011 – 3 StR 244/11, NStZ-RR 2012, 76, 77 mwN) die betreffende Straftat mit zumindest einem die Bundeszuständigkeit begründenden Staatsschutzdelikt materiell- oder verfahrensrechtlich eine Tat bildet (BGH, Beschlüsse vom 18. Juli 2006 – StB 14/06, NStZ-RR 2006, 303, 304; vom 13. Januar 2009 – AK 20/08, BGHSt 53, 128, 144). In enger Ausnahme hiervon ist eine Zuständigkeit der Gerichtsbarkeit des Bundes allerdings auch dann anzuerkennen, wenn eine verfahrensrechtlich selbständige Tat mit einem die Bundeszuständigkeit begründenden Staatsschutzdelikt in einem derart engen persönlichen und deliktsspezifisch-sachlichen Zusammenhang steht, dass eine getrennte Verfolgung und Aburteilung auch unter Beachtung der verfassungsrechtlichen Vorgaben für die Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern als in hohem Maße sachwidrig erschiene (BGH, Beschluss vom 13. Januar 2009 – AK 20/08, BGHSt 53, 128, 144).
Rz. 21
Ein solcher Ausnahmefall ist hier gegeben. Die in Frage stehenden Taten sind Teile einer anhaltenden Abfolge von Veröffentlichungen islamistischen Propagandamaterials mit terroristischem Hintergrund. Die vom Angeklagten eingeschlagene Vorgehensweise ist in allen Fällen vergleichbar. Auch hinsichtlich der zu erhebenden Beweise bestehen in weitem Umfang Überschneidungen. Bei allen anderen der vielzähligen dem Angeklagten zur Last gelegten Veröffentlichungen steht die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts nach § 120 Abs. 1 Nr. 6 GVG außer Zweifel.
Rz. 22
II. Verurteilung des Angeklagten in den Fällen A. V. 10 bis 12, 29 der Urteilsgründe
Rz. 23
Die Schuldsprüche wegen Werbens um Mitglieder oder Unterstützer einer ausländischen terroristischen Vereinigung (§ 129a Abs. 5 Satz 2, § 129b Abs. 1 Satz 1 und 2 StGB) in den Fällen A. V. 10 bis 12 und 29 der Urteilsgründe begegnen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
Rz. 24
1. Sämtliche dieser Fälle betreffen eine Rede des (2010 getöteten) Anführers des aus der „Al Qaida im Zweistromland” hervorgegangenen „Islamischen Staates im Irak”, Abu Umar Al Baghdadi Al Quraishi, mit dem Titel „Die Religion ist ein Ratschlag”. Den Text dieser Rede nebst deutscher Übersetzung stellte der Angeklagte am 24. Februar 2008 in das dritte GIMF-Forum (Fall 10) und am 23. August 2008 in seinen eigenen Weblog „d.” ein (Fall 29). Eine Videofassung, in der eine Tonaufnahme der Rede mit deutschen Untertiteln versehen und mit Filmsequenzen über die Anschläge vom 11. September 2001 sowie über Kampfhandlungen der „Mujahidin” unterlegt ist, stellte er am 3. März 2008 ebenfalls in das dritte GIMF-Forum (Fall 11) und am 4. März 2008 – zusammen mit der erwähnten Textfassung – in seinen Weblog „a.” ein (Fall 12).
Rz. 25
Nach den Feststellungen befasst sich Al Baghdadi in dieser Rede mit dem Palästina-Problem. Palästina könne nur durch den „Jihad” befreit werden, der sich gleichermaßen gegen „die ungläubigen Kreuzzügler, die pseudo-islamischen Politiker sowie die Schiiten” richten müsse und zudem an mehreren „neu zu eröffnenden Schlachtfeldern” zu führen sei. Jeder Muslim sei verpflichtet, hierzu einen Beitrag zu leisten. „Die Weisen und Erfahrenen unter den Söhnen der Salaf-Methodologie sollen versuchen, … eine Gruppe nach der Salaf-Methodologie zu gründen”, die „den Weg anführen” werde, um „den Jihad-Aufstand in den Jugendlichen der Al-Aqsa blühen zu lassen. … Sie sollten so viel an Waffen und Mannstärke auftreiben, wie es geht. … Die Aufgabe der Nation um Al-Aqsa zu befreien ist vielfältig: Neue Schlachtfelder zu öffnen, um dadurch den Druck der Juden und Amerikaner auf unsere Leute in Palästina zu verkleinern, und dabei die existierenden Schlachtfelder unterstützen und stärken, besonders diejenigen, die eine direkte Schlacht gegen die Amerikaner durchführen, wie im Irak und Afghanistan … es wird mit der Hilfe Allahs der Zünder für den Jihad in den Mittelmeerländern sein. … Wir bitten ihn, Erhaben ist er, dass der islamische Staat im Irak der Eckstein zur Befreiung Jerusalems wird.”
Rz. 26
2. Das Oberlandesgericht ist zu dem Ergebnis gelangt, Al Baghdadi habe damit – was auch dem Angeklagten bewusst gewesen sei – „unverhohlen” das Ziel verfolgt, insbesondere junge Muslime „zur Teilnahme am Jihad unter dem Banner des IStI” („Islamischer Staat im Irak”) zu mobilisieren. Die dem zu Grunde liegenden Erwägungen des Oberlandesgerichts sind indes nicht frei von Rechtsfehlern.
Rz. 27
a) Zwar ist das Oberlandesgericht zutreffend davon ausgegangen, dass schon nach einfach-rechtlichen, im Hinblick auf die wertsetzende Bedeutung des Grundrechts der Meinungsfreiheit (Art. 5 GG) insbesondere aber auch nach verfassungsrechtlichen Anforderungen einer Aussage keine Bedeutung beigelegt werden darf, die sie objektiv nicht hat, und dass im Falle der Mehrdeutigkeit einer Aussage nicht von der zur Verurteilung führenden Deutung ausgegangen werden darf, ohne dass andere Deutungsmöglichkeiten mit tragfähigen Gründen ausgeschlossen worden sind (BVerfG, Beschlüsse vom 19. April 1990 – 1 BvR 40/86 u.a., BVerfGE 82, 43; vom 10. Oktober 1995 – 1 BvR 1476/91 u.a., BVerfGE 93, 266, 295 f.; vom 29. Juli 1998 – 1 BvR 287/93, NJW 1999, 204, 205; BGH, Beschluss vom 7. Februar 2002 – 3 StR 446/01, NStZ 2002, 592). Daran anknüpfend hat das Oberlandesgericht aber lediglich pauschal bezogen auf die insgesamt abgeurteilten Fälle ausgeführt, die Beiträge des Angeklagten könnten nach den Gesamtumständen aus objektiver Sicht nicht in einem Sinne ausgelegt werden, der sie dem Straftatbestand des § 129a Abs. 5 Satz 2 StGB entzöge. Dazu sei ihr werbender Charakter „zu offenkundig”, und zwar in den jeweiligen Botschaften und Dateien selbst als auch in der Form, in der der Angeklagte sie sich zu Eigen gemacht habe.
Rz. 28
b) Gegen solche allgemein gehaltenen Erwägungen sind durchgreifende Bedenken dann nicht zu erheben, wenn eine entsprechende Bedeutung der mitgeteilten Erklärung in ihrem Gesamtzusammenhang tatsächlich ohne Weiteres zu Tage tritt. Davon kann vorliegend indes nicht die Rede sein:
Rz. 29
Im Vordergrund der Rede steht vielmehr die Aufforderung, „neue Schlachtfelder” zu eröffnen und hierzu neue Gruppen zu bilden, die den „Jihad” der „Jugendlichen” der „Al-Aqsa” vorantragen. Im Folgenden gibt der Redner dann zwar einerseits der Hoffnung Ausdruck, dass gerade der „Islamischer Staat im Irak” zum „Eckstein” der Befreiung Palästinas wird; auch bezeichnet er es als Pflicht der Gemeinschaft der Gläubigen, diejenigen zu unterstützen, die u.a. im Irak eine „direkte Schlacht gegen die Amerikaner” durchführen. Andererseits jedoch bezeichnet er eine Unterstützung dieser Kämpfer nur als eine von vielfältigen Aufgaben, die militärische Kräfte binden und so die Front in Palästina entlasten können. Mit diesen Gegensätzlichkeiten hätte sich das Oberlandesgericht auseinandersetzen und darlegen müssen, weshalb eine Auslegung dahin ausscheidet, der Redner habe eine Unterstützung des „Islamischen Staats im Irak” lediglich als eine unter vielen Möglichkeiten der Gläubigen aufgezeigt, zur Befreiung Palästinas beizutragen, ihnen im Übrigen aber die Wahl unter diesen Möglichkeiten freigestellt. Begleitende Kommentare des Angeklagten, die über die Solidarisierung mit Al Baghdadi und den von ihm vertretenen Ansichten hinausgehen und eigenständigen werbenden Charakter haben könnten, sind bei keiner der in Frage stehenden Taten festgestellt.
Rz. 30
3. Die genannten Fälle bedürfen deshalb neuer Verhandlung und Entscheidung, soweit das neue Tatgericht nicht von der Möglichkeit des § 154 Abs. 2 StPO Gebrauch machen wird.
Rz. 31
III. Verurteilung des Angeklagten im Falle A. V. 46 der Urteilsgründe
Rz. 32
Schließlich hat auch die Verurteilung des Angeklagten wegen Werbens um Mitglieder oder Unterstützer einer ausländischen terroristischen Vereinigung im Falle A. V. 46 der Urteilsgründe keinen Bestand.
Rz. 33
In dem vom Angeklagten am 5. Dezember 2009 unter der Überschrift „Shaikh Abu Musab: Über die Mudschahidin”, jedoch ohne weiteren eigenen Kommentar in das von ihm betriebene Internet-Forum „de.” eingestellten Textdokument verherrlicht der (2006 getötete) Anführer der „Al Qaida im Zweistromland”, Abu Musab Al Zarkawi, die „Mujahidin”. Diese führten den „Jihad”, weil sie wüssten, dass dies ihre Pflicht sei, opferten sich aus Liebe für Allah und bevorzugten das Jenseits. Ihr Vorbild sei der Prophet, der sich gewünscht habe, gleich mehrmals für die Sache Allahs kämpfen und sterben zu können.
Rz. 34
Auch unter Berücksichtigung des dem Tatrichter eröffneten Bewertungsspielraums (oben I. 2. a)) ist der so festgestellten Erklärung indes an keiner Stelle ein sich dem Adressaten hinreichend deutlich erschließender Inhalt dahin zu entnehmen, der die „Al Qaida im Zweistromland” repräsentierende Al Zarkawi werbe gezielt auch darum, sich dem „Jihad” an der Seite gerade dieser Organisation anzuschließen oder gerade deren Tätigkeit zu unterstützen (vgl. BGH, Beschluss vom 16. Mai 2007 – AK 6/07, BGHSt 51, 345). Nach dem Wortlaut enthält die Rede lediglich eine allgemein gehaltene Lobpreisung aller „Mujahidin”, die sich in Befolgung ihrer religiösen Pflicht entschlossen haben, dem bewaffneten „Jihad” zu folgen. Sie wirbt damit zwar um Sympathie für den bewaffneten „Jihad”, enthält sich aber einer Aufforderung an die Adressaten, sich in einer bestimmten Weise zu verhalten. Dass derartige Äußerungen eines (führenden) Mitglieds einer terroristischen Organisation regelmäßig mit der stillschweigenden Erwartung einhergehen werden, beim Adressaten auch Überlegungen hin zu einem Anschluss auch an die eigene Vereinigung oder zu deren Unterstützung auszulösen und dieser so neuen Zulauf zu verschaffen, ändert an diesem Ergebnis nichts (BGH, Beschluss vom 19. Juli 2012 – 3 StR 218/12). In der zu beurteilenden Rede selbst findet dies nicht den für ein Werben nach § 129a Abs. 5 Satz 2 StGB erforderlichen Niederschlag.
Rz. 35
Das Oberlandesgericht misst der mitgeteilten Erklärung damit eine Bedeutung zu, die sie objektiv nicht hat (vgl. oben II. 2. a)). Angesichts der insgesamt sehr ausführlichen Darlegungen des Oberlandesgerichts zum Inhalt der vom Angeklagten zum Abruf bereitgestellten Publikationen schließt der Senat aus, dass in einer neuen Hauptverhandlung noch weitere Textstellen festgestellt werden können, die den Schluss zulassen, Al Zarkawi habe gezielt um Mitglieder oder Unterstützer für „Al Qaida im Zweistromland” geworben. Er spricht den Angeklagten deshalb insoweit frei.
Unterschriften
Becker, Schäfer, Mayer, Gericke, Spaniol
Fundstellen
Haufe-Index 3570526 |
NStZ-RR 2013, 171 |
NStZ-RR 2015, 204 |
NJW-Spezial 2013, 121 |
StraFo 2013, 123 |