Verfahrensgang
LG Hanau (Urteil vom 21.06.2011) |
Tenor
Es wird festgestellt, dass der Angeklagte rechtzeitig Revision gegen das Urteil des Landgerichts Hanau vom 21. Juni 2011 eingelegt hat.
Gründe
Rz. 1
Das Landgericht hat den Angeklagten durch ein am 21. Juni 2011 verkündetes Urteil wegen Betäubungsmitteldelikten verurteilt. Nachdem bis zum Ablauf der Frist zur Einlegung der Revision keine Rechtsmittelschrift zu den Akten gelangt war, hat die Strafkammer das schriftliche Urteil nach Maßgabe des § 267 Abs. 4 Sätze 1 bis 3 StPO in abgekürzter Form abgesetzt. Mit Schriftsatz vom 15. Juli 2011 hat der Verteidiger für den Angeklagten die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der Revision beantragt. Er hat dargelegt und an Eides Statt versichert, dass er die Rechtsmittelschrift am 24. Juni 2011 unterzeichnet und zunächst versucht habe, diese durch Telefax an das Landgericht zu senden. Nachdem dies fehlgeschlagen sei, habe er selbst die Rechtsmittelschrift am gleichen Tage „gegen 8.30 Uhr … in den Fristenkasten” des Landgerichts eingeworfen. Alleine zu diesem Zweck sei er dorthin gefahren. Erst bei einer späteren Sachstandsanfrage habe er erfahren, dass die Rechtsmittelschrift nicht zu den Akten gelangt sei.
Rz. 2
Die Revision ist fristgerecht eingelegt worden. Hat der Verteidiger die Revisionsschrift am 24. Juni 2011 in den Briefkasten des Gerichts eingeworfen, dann ist der Schriftsatz zu jenem Zeitpunkt dem Gericht zugegangen, also innerhalb der einwöchigen Frist zur Einlegung der Revision. Eine schriftliche Erklärung ist zugegangen, sobald sie in verkehrsüblicher Weise in die tatsächliche Verfügungsgewalt des Empfängers gelangt ist und für den Empfänger unter gewöhnlichen Verhältnissen die Möglichkeit besteht, davon Kenntnis zu nehmen. Das ist bei einem Einwurf in den Briefkasten regelmäßig der Fall. Bei einem besonders für fristgebundene Schriftsätze vorgesehenen Gerichtsbriefkasten ist der Zeitpunkt des Einwurfes als Zeitpunkt des Zugangs zu werten. Auf die Tatsache, dass der Schriftsatz danach nicht zu den Akten gelangt ist, kommt es nicht an. § 341 Abs. 1 StPO stellt nur auf den Eingang bei dem Gericht ab und nicht auf den bei der zuständigen Abteilung (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Mai 1999 – 3 StR 200/99, BGHR StPO § 341 Wirksamkeit 1). Die Rechtsmittelschrift kann innerhalb des Geschäftsgangs abhandengekommen sein. Da der Verteidiger die Handlung, die zum rechtzeitigen Zugang geführt hat, genau dargelegt und an Eides Statt versichert hat, da ferner keine Hinweise darauf vorliegen, dass dies nicht zutrifft, ist vom rechtzeitigen Zugang der Rechtsmittelschrift auszugehen. Für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist weder Raum noch Bedarf.
Rz. 3
Die Feststellung der Wahrung der Rechtsmittelfrist hat entsprechend § 267 Abs. 4 Satz 4 StPO zur Folge, dass das Landgericht innerhalb der in § 275 Abs. 1 Satz 2 StPO vorgesehenen Frist die Urteilsgründe noch ergänzen kann. Die Interessenlage entspricht derjenigen im Fall der Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Die Strafkammer durfte bei Abfassung des abgekürzten Urteils nach der Aktenlage von der Anwendbarkeit des § 267 Abs. 4 Satz 1 StPO ausgehen. Die nachträgliche Feststellung, dass ein solcher Fall nicht vorlag, macht es erforderlich, das weitere Verfahren entsprechend § 267 Abs. 4 Satz 4 StPO zu gestalten. Insoweit besteht eine Regelungslücke im Gesetz, die durch analoge Anwendung des § 267 Abs. 4 Satz 4 StPO zu schließen ist (vgl. BGH, Beschluss vom 12. Juni 2008 – 5 StR 114/08, BGHR StPO § 267 Abs. 4 Ergänzung 2).
Rz. 4
Die Frist für die Ergänzung der Urteilsgründe beginnt hier somit selbstverständlich in diesem Fall, sobald die Akten nach der Feststellung des Nichtvorliegens eines Abkürzungsgrundes gemäß § 267 Abs. 4 Satz 1 StPO bei dem für die Ergänzung zuständigen Gericht eingehen (vgl. Senat, Beschluss vom 10. September 2008 – 2 StR 134/08, BGHSt 52, 345, 352 ff.).
Unterschriften
Fischer, Schmitt, Berger, Krehl, Eschelbach
Fundstellen
Haufe-Index 2847865 |
NStZ-RR 2012, 118 |
RÜ 2012, 109 |