Entscheidungsstichwort (Thema)
Steuerhinterziehung
Leitsatz (redaktionell)
1. Ob bei Beihilfe Tateinheit oder -mehrheit anzunehmen ist, hängt von der Anzahl der Beihilfehandlungen und der vom Gehilfen geförderten Haupttaten ab. Tatmehrheit ist anzunehmen, wenn durch mehrere Hilfeleistungen den Haupttaten jeweils eigenständige Beihilfehandlungen zuzuordnen sind. Von einer Beihilfe in Tateinheit ist auszugehen, wenn der Gehilfe mit einer einzigen Unterstützungshandlung zu mehreren Haupttaten eines anderen Hilfe leistet.
2. Der Streitfall weicht entscheidend von der Konstellation ab, welche dem Senatsbeschluss vom 26. Juli 2022 – 1 StR 51/22 (insbesondere Rn. 7 f. mwN) bezüglich der Strafbarkeit eines mittelbaren Täters (§ 25 Abs. 1 Alternative 2 StGB) zugrunde lag.
Normenkette
AO § 370 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 Nr. 1; StGB § 266a Abs. 1, 2 Nr. 1, §§ 27-28, 52, 53 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 06.08.2021; Aktenzeichen 5/14 KLs 12/20) |
Tenor
1. Dem Angeklagten T. wird nach Versäumung der Frist zur Begründung der Revision gegen das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 6. August 2021 auf seinen Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt.
Die Kosten der Wiedereinsetzung trägt der Angeklagte T..
2. Die Revisionen der Angeklagten gegen das vorbezeichnete Urteil werden als unbegründet verworfen.
Die Beschwerdeführer haben die Kosten ihrer Rechtsmittel zu tragen.
Ergänzend bemerkt der Senat:
1. Die Angeklagten ermöglichten nach den Feststellungen des Landgerichts als (faktische) Geschäftsführer zweier Gesellschaften dem Mitangeklagten A. die Generierung von Barmitteln zur Auszahlung von Schwarzlöhnen. Sie erstellten in der Zeit von August 2017 (T. ) bzw. März 2018 (C. ) bis Dezember 2019 als sogenannte "Serviceunternehmen" Abdeckrechnungen über tatsächlich nicht erbrachte Subunternehmerleistungen und führten die hierauf entrichteten Zahlungen unter Abzug einer Provision in bar an den Mitangeklagten zurück. Der Mitangeklagte nutzte die so geschaffene Liquidität zur Auszahlung von "Schwarzlöhnen", für die er weder Sozialversicherungsbeiträge für Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung noch Lohnsteuer oder die jährlich zu entrichtenden Beiträge an die gesetzliche Unfallversicherung abführte. Die Strafkammer hat die Angeklagten wegen dreier (T. ) bzw. zweier (C. ) Fälle der Beihilfe zur Steuerhinterziehung und zum Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt verurteilt (§ 370 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 Nr. 1 AO, § 266a Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1, §§ 27, 28 Abs. 1 und 2, §§ 52, 53 Abs. 1 StGB).
2. Die konkurrenzrechtliche Bewertung des Landgerichts begegnet keinen rechtlichen Bedenken.
a) Ob bei Beihilfe Tateinheit oder -mehrheit anzunehmen ist, hängt von der Anzahl der Beihilfehandlungen und der vom Gehilfen geförderten Haupttaten ab. Tatmehrheit nach § 53 StGB ist anzunehmen, wenn durch mehrere Hilfeleistungen mehrere selbständige Taten unterstützt werden, also den Haupttaten jeweils eigenständige Beihilfehandlungen zuzuordnen sind. Dagegen ist von einer Beihilfe im Sinne des § 52 StGB auszugehen, wenn der Gehilfe mit einer einzigen Unterstützungshandlung zu mehreren Haupttaten eines anderen Hilfe leistet. Dasselbe gilt wegen der Akzessorietät der Teilnahme, wenn sich mehrere Unterstützungshandlungen auf dieselbe Haupttat beziehen (BGH, Beschlüsse vom 12. Januar 2022 - 1 StR 436/21 Rn. 10; vom 21. April 2020 - 1 StR 486/19 Rn. 7 und vom 4. März 2008 - 5 StR 594/07, BGHR StGB § 27 Abs. 1 Konkurrenzen 2 Rn. 3; je mwN).
b) Diese Grundsätze hat die Strafkammer zutreffend angewandt. Soweit dem Mitangeklagten A. zur Last gelegt worden ist, Schwarzlöhne der Berufsgenossenschaft nicht mitgeteilt und hierdurch Sozialversicherungsbeiträge vorenthalten zu haben, liegt mit Blick darauf, dass die Erklärungen gegenüber der Berufsgenossenschaft jährlich abzugeben sind (§ 165 Abs. 1 Satz 1 SGB VII), pro Jahr eine Haupttat vor. Diese förderten die Angeklagten zwar durch eine Vielzahl von Beihilfehandlungen (Erstellen von Abdeckrechnungen). Unter Zugrundelegung der Akzessorietät der Beihilfe ist indes hinsichtlich aller in dem jeweiligen Beitragsjahr erbrachten Unterstützungshandlungen ein Fall der Beihilfe zum Vorenthalten und Veruntreuens von Arbeitsentgelt anzunehmen (§ 266a Abs. 2 Nr. 1, § 27 StGB).
Soweit die Angeklagten durch das Überlassen von Scheinrechnungen auch die weiteren Taten des Mitangeklagten A. nach § 266a Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 StGB und § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO hinsichtlich der monatlichen unvollständigen Meldungen der tatsächlich gezahlten Löhne zur Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung sowie zur Lohnsteuer förderten, führt dies zu keiner anderen konkurrenzrechtlichen Bewertung (vgl. BGH, Beschluss vom 4. März 2008 - 5 StR 594/07, BGHR StGB § 27 Abs. 1 Konkurrenzen 2 Rn. 4-7). Denn zur Bestimmung der Konkurrenzen kommt es auf den jeweiligen Beitrag des Tatbeteiligten an. Für die beiden Gehilfen überschneiden sich ihre Beiträge (Tatidentität in der Ausführungshandlung): Die monatlichen Scheinrechnungen gehen in der jährlichen Anmeldung gegenüber der Berufsgenossenschaft auf. Insofern weicht der Sachverhalt entscheidend von der Konstellation ab, welche dem Senatsbeschluss vom 26. Juli 2022 - 1 StR 51/22 (insbesondere Rn. 7 f. mwN) bezüglich der Strafbarkeit eines mittelbaren Täters (§ 25 Abs. 1 Alternative 2 StGB) zugrunde lag.
Jäger |
|
Wimmer |
|
Leplow |
|
Pernice |
|
Munk |
|
Fundstellen
BFH/NV 2023, 366 |
NStZ-RR 2023, 106 |
NStZ-RR 2023, 5 |
NZWiSt 2023, 238 |