Entscheidungsstichwort (Thema)
Pfändbarkeit eines Grabsteins bei Eigentumsvorbehalt des Steinmetzes
Leitsatz (amtlich)
Ein Grabstein ist wegen einer Geldforderung grundsätzlich jedenfalls dann pfändbar, wenn er unter Eigentumsvorbehalt geliefert wurde und der Steinmetz wegen seines Zahlungsanspruchs vollstreckt.
Normenkette
ZPO § 811 Abs. 1 Nr. 13
Verfahrensgang
LG Kassel (Beschluss vom 13.01.2005; Aktenzeichen 3 T 699/04) |
AG Eschwege (Aktenzeichen 3 M 2049/04) |
Tenor
Auf die Rechtsbeschwerde wird der Beschluss der 3. Zivilkammer des LG Kassel v. 13.1.2005 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Beschwerdegericht zurückverwiesen.
Beschwerdewert: 1.105 EUR
Gründe
I.
Die Gläubigerin betreibt gegen die Schuldner die Zwangsvollstreckung wegen eines titulierten Zahlungsanspruchs aus einem Vertrag über die Lieferung eines Grabmals.
Nach dem Tode ihrer Mutter bzw. Schwiegermutter beauftragten die Schuldner die Gläubigerin mit der Herstellung und Montage einer so bezeichneten Einzelurnengrabstätte aus Granit bestehend aus der Grabeinfassung und einem Liegemal mit Beschriftung zum Preis von 1.105 EUR. Eigentumsvorbehalt war vereinbart. Die Schuldner zahlten nicht. Die Gläubigerin erwirkte über ihren Zahlungsanspruch einen Vollstreckungsbescheid. Vollstreckungsversuche blieben erfolglos; die Schuldner gaben die eidesstattliche Versicherung nach § 807 ZPO ab.
Die Gläubigerin hat den Gerichtsvollzieher beauftragt, das Grabmal zu pfänden. Das hat dieser abgelehnt. Die Erinnerung der Gläubigerin hat das AG zurückgewiesen. Ihre sofortige Beschwerde ist erfolglos geblieben. Dagegen richtet sich ihre vom Beschwerdegericht zugelassene Rechtsbeschwerde.
II.
Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Beschwerdegericht.
1. Das Beschwerdegericht führt aus, ein Grabstein sei gem. § 811 Abs. 1 Nr. 13 ZPO unpfändbar. Die Vorschrift diene dem Schutz des Pietätsempfindens und der Totenruhe. Unter den daher nicht zu eng einzugrenzenden Begriff der Bestattung falle auch als abschließende Maßnahme das Aufstellen des Grabsteins, auch wenn das regelmäßig erst mehrere Wochen nach der Beerdigung erfolgen könne. Unerheblich sei, dass die Gläubigerin ihren eigenen Werklohnanspruch verfolge und unter Eigentumsvorbehalt geliefert habe. Einer unterschiedlichen Behandlung ggü. anderen Gläubigern fehle die gesetzliche Grundlage. Vorbehaltsverkäufer seien nur in den in § 813 Abs. 2 ZPO genannten Fällen bevorzugt. Die Gläubigerin könne ihr Eigentum durch eine Herausgabeklage und entsprechende Vollstreckung durchsetzen.
2. Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Das von der Gläubigerin gelieferte Grabmal ist nicht unpfändbar.
a) Die Unpfändbarkeit ergibt sich nicht aus § 811 Abs. 1 Nr. 13 ZPO.
aa) Nach dieser Vorschrift sind unpfändbar die zur unmittelbaren Verwendung für die Bestattung bestimmten Gegenstände. Ob hierzu auch Grabsteine oder Grabmäler (im Folgenden nur noch: Grabstein) gehören, ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten (vgl. die Nachweise bei Zöller/Stöber, ZPO, 25. Aufl., § 811 Rz. 37; Schuschke/Walker, ZPO, 3. Aufl., § 811 Rz. 45). Die diese Frage verneinenden Stimmen legen die Vorschrift dahin aus, dass nur solche Gegenstände erfasst seien, die unmittelbar der Bestattungshandlung selbst zu dienen bestimmt seien, wie etwa der Sarg oder das Leichenhemd (z.B. OLG Köln JurBüro 1991, 1703). Nach der Gegenansicht soll das Wort "unmittelbar" nur den Sinn haben, dass sich ein aktueller Trauerfall in der Familie des Schuldners ereignet haben müsse, dem die Bestattungsgegenstände dienen sollten (z.B. Wacke, DGVZ 1986, 161 [163]). Eine Unterscheidung zwischen dem Vorgang des Bestattens und dem sich anschließenden Zeitraum des Bestattetseins sei nicht angebracht. Entscheidend sei der Widmungszweck ggü. dem Grab (z.B. LG München I DGVZ 2003, 122).
bb) Der Senat entscheidet die Streitfrage dahin, dass Grabsteine nicht unter die Vorschrift des § 811 Abs. 1 Nr. 13 ZPO fallen.
(1) Ein Grabstein ist kein Gegenstand, der zur unmittelbaren Verwendung für die Bestattung bestimmt ist. Das Wort Bestattung beschreibt einen Vorgang, nämlich alle Handlungen, die notwendig sind, um den Verstorbenen zu bestatten. Alle Gegenstände, die bei diesem Vorgang unmittelbar Verwendung finden sollen, sind unpfändbar. Zwischen dem Vorgang der Bestattung und dem Gegenstand, der vom Pfändungsverbot erfasst sein soll, muss ein direkter Zusammenhang bestehen. Das ist bei einem Grabstein, bis zu dessen Aufstellung geraume Zeit vergehen kann (bei Grabmälern u.U. sogar Jahre, vgl. den vom LG Hamburg DGVZ 1990, 90 entschiedenen Fall), nicht der Fall. Er dient nicht der Bestattung, sondern danach dem Andenken des Verstorbenen.
(2) Das Verständnis des Wortes "unmittelbar" dahin, dass nur ein Bezug zu einem aktuellen Trauerfall gegeben sein müsse, entfernt sich zu sehr vom Wortlaut der Vorschrift. Dass diese nicht Bestattungsunternehmen, Sargfabrikanten, Friedhofsgärtner und ähnliche Unternehmen schützen soll, sondern die Familie des Schuldners, in der ein Todesfall zu beklagen ist (Schuschke/Walker, ZPO, 3. Aufl., § 811 Rz. 45), ergibt sich bereits aus dem Normzweck. Diese Zielrichtung sagt noch nichts darüber aus, auf welche einzelnen Gegenstände sich der Schutz der Vorschrift erstreckt.
(3) Die ausdehnende Auslegung des Wortes "Bestattung" dahin, dass auch der anschließende Zustand des Bestattetseins erfasst werde, ist ebenfalls nicht mehr vom Wortlaut der Norm gedeckt. Dieser Zustand kann sich über viele Jahre hinziehen. Er kann nicht mit dem Vorgang der Bestattung gleichgesetzt werden. Hätte der Gesetzgeber einen derart weiten Anwendungsbereich der Norm gewollt, wäre es ein Leichtes gewesen, dies durch eine entsprechende Formulierung klarzustellen.
b) Ob sich ein übergesetzliches Pfändungsverbot außerhalb von § 811 Abs. 1 Nr. 13 ZPO aus Pietätsgründen ergeben kann (so z.B. KG DGVZ 1935, 286 = JW 1935, 2072; Zöller/Stöber, ZPO, 25. Aufl., § 811 Rz. 37), muss der Senat nicht abschließend entscheiden. Ein derartiges Pfändungsverbot kann jedenfalls dann nicht gelten, wenn der Steinmetz den Grabstein unter Eigentumsvorbehalt geliefert hat und wegen seines Zahlungsanspruchs vollstreckt (KG DGVZ 1935, 286 = JW 1935, 2072; Zöller/Stöber, ZPO, 25. Aufl., § 811 Rz. 37). In diesem Fall müssen Pietätsgesichtspunkte zurücktreten. Der Steinmetz könnte seinen Herausgabeanspruch klageweise durchsetzen und nach § 883 ZPO vollstrecken. Der Schuldner könnte sich demgegenüber weder auf ein gesetzliches Pfändungsverbot noch auf Pietätsgesichtspunkte berufen (Zöller/Stöber, ZPO, 25. Aufl., § 811 Rz. 2, § 883 Rz. 10; Schuschke/Walker, ZPO, 3. Aufl., § 811 Rz. 3, 45). In diesem Fall spielen weder das Andenken des Verstorbenen noch das Pietätsempfinden des Schuldners eine Rolle. Es besteht kein Anlass, diesen Gesichtspunkten gegenüber einem Steinmetzen, der nicht den Herausgabe-, sondern den ebenfalls durch Art. 14 GG geschützten Zahlungsanspruch verfolgt, Vorrang einzuräumen. Der Schuldner hat diese Situation dadurch, dass er seiner Zahlungsverpflichtung nicht nachgekommen ist, selbst herbeigeführt.
3. Danach ist die von der Gläubigerin hergestellte und montierte Urnengrabstätte grundsätzlich pfändbar. Der Senat kann jedoch in der Sache nicht abschließend entscheiden. Denn das Beschwerdegericht hat, von seinem Standpunkt aus folgerichtig, noch keine Feststellungen dazu getroffen, ob die Friedhofsverwaltung der Pfändung zugestimmt hat. Ihre Zustimmung ist gem. § 809 ZPO erforderlich. Dabei kann offen bleiben, ob die Friedhofsverwaltung
Alleingewahrsam an der Grabstätte hat (Wacke, DGVZ 1986, 161 [162]). Denn jedenfalls hat sie neben den Erben Mitgewahrsam (Zöller/Stöber, ZPO, 25. Aufl., § 811 Rz. 37, § 809 Rz. 4).
Fundstellen
Haufe-Index 1478610 |
NJW 2006, 1600 |
NWB 2006, 388 |
BGHR 2006, 536 |
FamRZ 2006, 409 |
NJW-RR 2006, 570 |
JurBüro 2006, 441 |
WM 2006, 911 |
AnwBl 2006, 75 |
InVo 2006, 291 |
MDR 2006, 534 |
Rpfleger 2006, 208 |