Entscheidungsstichwort (Thema)
Haftung einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft wegen fehlerhaftem Prospektprüfungsgutachten über einen Filmfonds
Leitsatz (redaktionell)
Für die Erstreckung der Schutzwirkung und die Haftung nach den Grundsätzen des Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter im Bereich der Expertenhaftung kommt es entscheidend darauf an, dass der Anleger von dem Gutachten (hier: Prospektprüfungsgutachten einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft über einen Filmfonds) Gebrauch macht und hierdurch ein Vertrauen des Anlegers erzeugt und auf seinen Willensentschluss Einfluss genommen wird. Wenn es im Prospekt heißt, dass „der Bericht (Gutachten) nach Fertigstellung den von den Vertriebspartnern vorgeschlagenen ernsthaften Interessenten auf Anforderung zur Verfügung gestellt” werde, kann der Anleger den Drittschutz grundsätzlich nur dann in Anspruch nehmen, wenn er das Gutachten für seine Zwecke anfordert und es auf diese Weise zur Grundlage seiner Entscheidung macht. Eine – notwendigerweise allgemein bleibende – abgeleitete Kenntnis genügt hierfür nicht.
Normenkette
BGB §§ 280, 311
Verfahrensgang
OLG München (Urteil vom 25.01.2007; Aktenzeichen 23 U 2113/06) |
LG München I (Entscheidung vom 18.10.2005; Aktenzeichen 4 O 5496/05) |
Tenor
Auf die Beschwerde des Klägers wird die Revision gegen das Urteil des 23. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 25. Januar 2007 – 23 U 2113/06 – zugelassen, soweit es die gegen die Beklagte zu 1 gerichtete Klage betrifft.
Auf die Revision des Klägers wird das genannte Urteil im Kostenpunkt – mit Ausnahme der Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2 – und insoweit aufgehoben, als die gegen die Beklagte zu 1 gerichtete Klage abgewiesen worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsrechtszugs, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Die gegen die Beklagte zu 2 gerichtete Beschwerde des Klägers gegen das genannte Urteil wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Gerichtskosten der Nichtzulassungsbeschwerde, soweit sie zurückgewiesen wurde, und die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2 zu tragen.
Beschwerdewert : bis 25.000 EUR.
Tatbestand
I.
Rz. 1
Der Kläger zeichnete am 3. November 2000 – unter Einschaltung der D. GmbH als Treuhänderin – eine Kommanditeinlage über 50.000 DM zuzüglich 5 v.H. Agio an dem Filmfonds V. KG. Die Fondsgesellschaft geriet im Jahr 2002 im Zusammenhang mit der Insolvenz der Produktionsdienstleisterin in eine wirtschaftliche Schieflage. Es stellte sich heraus, dass an die Produktionsdienstleisterin überwiesene Gelder nicht zurückzuerlangen waren und Erlösausfallversicherungen für aufgenommene Produktionen nicht abgeschlossen waren. Auf die gezahlten Beträge wurde dem Kläger vorprozessual Provision von 4.160 DM zurückerstattet.
Rz. 2
Wegen behaupteter Mängel des Prospekts begehrt der Kläger Zug um Zug gegen Abtretung aller Ansprüche aus der Beteiligung Rückzahlung des eingezahlten Betrags von – unter Berücksichtigung der genannten Erstattung und einer Ausschüttung von 766,94 EUR nach Schluss der mündlichen Verhandlung des erstinstanzlichen Verfahrens – noch 23.959,14 EUR nebst Zinsen. Im Hinblick auf die Ausschüttung hat der Kläger die Hauptsache für erledigt erklärt. Der Kläger hält die Beklagte zu 1 – Tochtergesellschaft einer international tätigen Großbank – als (Mit-)Initiatorin und Hintermann für prospektverantwortlich. Die Beklagte zu 2, eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, nimmt der Kläger wegen behaupteter Fehler bei der ihr von der Beklagten zu 1 aufgetragenen Prüfung des Prospekts in Anspruch.
Rz. 3
Die Klage hatte in den Vorinstanzen keinen Erfolg. Mit seiner Beschwerde begehrt der Kläger die Zulassung der Revision gegen das Berufungsurteil.
Entscheidungsgründe
II.
Rz. 4
Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nur hinsichtlich der gegen die Beklagte zu 1 gerichteten Klage vor.
Rz. 5
1. Das Berufungsgericht verneint eine Haftung beider Beklagten, weil der Emissionsprospekt keine Fehler erkennen lasse. Das Gesamtrisiko der Beteiligung werde nicht unzulässig verharmlost. Auf S. 7 des Prospekts finde sich unter der Überschrift „Risiken der Beteiligung” der deutliche Hinweis, dass im Extremfall das eingesetzte Kapital vollständig verloren gehen könne. Bei der gebotenen sorgfältigen und eingehenden Lektüre des Prospekts ergebe sich, dass Erlösausfallversicherungen erst für einzelne konkrete Filmvorhaben durch die Geschäftsführung abzuschließen seien. Die Risikobetrachtung auf S. 38 des Prospekts setze voraus, dass die Geschäftsführung das Absicherungskonzept umsetze, und sei insoweit nicht zu beanstanden.
Rz. 6
2. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Überprüfung nicht stand.
Rz. 7
a) Der Senat hat – nach der Entscheidung des Berufungsgerichts – in seinen Urteilen vom 14. Juni 2007, die eine Beteiligung an derselben Fondsgesellschaft betrafen, entschieden, dass der Emissionsprospekt im Hinblick auf die im Abschnitt „Risiken der Beteiligung” angeführte, als „worst-case-Szenario” bezeichnete „Restrisiko-Betrachtung” den Anleger nicht deutlich genug darauf hinweist, dass seine Beteiligung dem Risiko eines Totalverlustes und nicht lediglich eines begrenzten Verlustes unterliegt, und hat darin einen Prospektmangel gesehen (III ZR 300/05 – NJW-RR 2007, 1329, 1331 Rn. 13 f; III ZR 125/06 – WM 2007, 1503, 1504 f Rn. 14 f). An dieser Beurteilung, auf die wegen der maßgebenden Einzelheiten Bezug genommen wird, hat der Senat – nach erneuter Überprüfung – auch in seinem Urteil vom 22. November 2007 (III ZR 210/06) festgehalten. Er hat ferner eine Haftung der mit der Erstellung des Prospektprüfungsgutachtens betrauten Beklagten zu 2 nach den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen eines Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter für möglich gehalten, wenn sich der Anleger das Prospektprüfungsgutachten hat aushändigen lassen (Urteil vom 14. Juni 2007 – III ZR 300/05 – WM 2007, 1507, 1510 Rn. 21), und sie verneint, wenn der Anleger nur darauf vertraut, dass seinem Vermittler der Inhalt des Prüfberichts bekannt sei und dieser ihn über etwaige Unzulänglichkeiten des Prospekts aufklären würde, falls Beanstandungen in dem Gutachten enthalten seien (Urteil vom 14. Juni 2007 – III ZR 125/06 – WM 2007, 1503, 1507 Rn. 28 f). Der Senat hat diese Rechtsprechung in seinem Beschluss vom 31. Oktober 2007 (III ZR 298/05 – WM 2007, 2281) dahin fortgeführt, zur Inanspruchnahme einer solchen Schutzwirkung sei es regelmäßig erforderlich, dass der Anleger den Bericht vor seiner Anlageentscheidung anfordere und von dessen Inhalt Kenntnis nehme.
Rz. 8
b) Schon die Abweichung des angefochtenen Urteils in der für die Haftung vorgreiflichen Frage der Fehlerhaftigkeit des Prospekts erfüllt die Zulassungsvoraussetzungen des § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO, soweit es um die gegen die Beklagte zu 1 gerichtete Klage geht. Das angefochtene Urteil kann zur Zeit auch nicht mit anderer Begründung bestehen bleiben, weil das Berufungsgericht offen gelassen hat, ob die Beklagte zu 1 für den angeführten Prospektmangel verantwortlich ist. Der Senat hat in seinen Urteilen vom 14. Juni 2007 eine Prospektverantwortlichkeit der Beklagten zu 1 als (Mit-)Initiatorin oder Hintermann für möglich erachtet und befunden, abschließend könne hierüber erst nach Erhebung der angebotenen Beweise entschieden werden (III ZR 125/06 – WM 2007, 1503, 1505 f Rn. 17-22; III ZR 185/05 – NJW-RR 2007, 1479 f Rn. 9-13).
Rz. 9
c) Die Beschwerde rügt weiter mit Recht, dass sich das Berufungsgericht mit neuem Vorbringen in der Berufungsbegründung nicht auseinandergesetzt hat. Insoweit hat der Kläger unter Bezugnahme auf eine Beweisaufnahme in einem Verfahren von Anlegern gegen die hiesige Beklagte zu 1 vor dem Landgericht F. behauptet, schon bei dem Schwesterfonds, der VIP KG, sei im Jahr 1999 mit Produktionen begonnen worden, ehe Einzelpolicen einer Erlösausfallversicherung vorgelegen hätten; ein Abschluss von Einzelversicherungen sei daran gescheitert, dass seitens des Versicherers Bedingungen nachgeschoben worden seien. Die Beklagte zu 1 habe von der Tatsache, dass mit den Produktionen bereits vor Abschluss einer Erlösausfallversicherung begonnen worden sei, Kenntnis gehabt. Sollte dieser Vortrag, für den der Kläger Beweis angetreten hat, richtig sein, läge zum einen ein weiterer Prospektmangel vor, weil dieser Umstand das gesamte der vorgesehenen Tätigkeit der Fondsgesellschaft zugrunde liegende Konzept verändert hätte und im Prospekt klar und eindeutig hätte dargestellt werden müssen. Denn das Berufungsgericht legt seiner Entscheidung im Ausgangspunkt zutreffend zugrunde, dass über Umstände, die den Vertragszweck vereiteln oder den vom Anleger verfolgten Zweck gefährden können (vgl. BGHZ 79, 337, 344; Urteil vom 26. September 1991 – VII ZR 376/89 – NJW 1992, 228,
230 ≪insoweit ohne Abdruck in BGHZ 115, 213≫), aufzuklären ist. Darüber hinaus dürfte bei der behaupteten Kenntnis der Beklagten zu 1 – unabhängig vom Grad ihrer Einflussnahme auf die Gestaltung des Prospekts – ihre deliktsrechtliche Verantwortlichkeit nach §§ 31, 826, § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 264a StGB nahe liegen (vgl. hierzu bereits Senatsurteil vom 14. Juni 2007 – III ZR 125/06 – WM 2007, 1503, 1506 Rn. 23).
Rz. 10
Gründe des Prozessrechts, dieses Vorbringen unberücksichtigt zu lassen, hat das Berufungsgericht nicht angeführt. Sie sind auch nicht ersichtlich. Der Kläger war mit diesem Vorbringen nicht nach § 531 Abs. 2 ZPO ausgeschlossen. Die zum Gegenstand seines Beweisantritts gemachten Tatsachen sind dem Kläger, wie er belegt hat, erst am 3. Februar 2006, also nach der Zustellung des erstinstanzlichen Urteils vom 18. Oktober 2005 zur Kenntnis gelangt. Er hat ferner sein Bemühen hinreichend dargelegt, von den Vorgängen aus dem Verfahren vor dem Landgericht F. zu einem früheren Zeitpunkt Kenntnis zu erhalten. Wenn der Kläger nicht Gefahr laufen wollte, Behauptungen ohne eine hinreichende Grundlage in das laufende Verfahren einzuführen, war er auf eine Akteneinsicht, der sich die Beklagte zu 1 widersetzt haben soll, oder eine Übersendung von Protokollen angewiesen. Beide Wege entsprachen einer sachgerechten Prozessführung und verletzten die prozessuale Sorgfalts- und Förderungspflicht nicht.
Rz. 11
Dass das Berufungsgericht dieses Vorbringen unberücksichtigt und in seinen Entscheidungsgründen unerwähnt gelassen hat, verletzt den Kläger in seinem Recht aus Art. 103 Abs. 1 GG und führt ebenfalls nach § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO zur Zulassung der Revision, soweit es um die gegen die Beklagte zu 1 gerichtete Klage geht. Dies gilt auch dann, wenn man bei der Frage, ob das rechtliche Gehör verletzt worden ist, – wie geboten – von dem materiell-rechtlichen Standpunkt des Berufungsgerichts ausgeht, der Prospekt enthaltene einen hinreichenden Hinweis zum Totalverlustrisiko. Da nicht auszuschließen ist, dass das Berufungsgericht bei Berücksichtigung des Vorbringens anders entschieden hätte, macht der Senat von der Möglichkeit Gebrauch, mit der Zulassung der Revision zugleich das angefochtene Urteil in diesem Umfang aufzuheben und den Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 544 Abs. 7 ZPO).
Rz. 12
d) Demgegenüber kommt eine Haftung der Beklagten zu 2 nicht in Betracht, so dass das angefochtene Urteil insoweit im Ergebnis bestehen bleiben kann. Der Kläger, der sich das Prospektprüfungsgutachten nicht persönlich hat aushändigen lassen, kann eine Haftung der Beklagten zu 2 nicht mit seinem Vortrag begründen, ihm sei als seinerzeit bei der Z. GmbH angestelltem Anlageberater der Fonds im Herbst 2000 durch den Geschäftsführer der Prospektherausgeberin in den Räumen seines Arbeitgebers vorgestellt worden; bei dieser Veranstaltung sei erklärt worden, eine namhafte Wirtschaftsprüfungsgesellschaft habe den Prospekt geprüft und keinerlei Beanstandungen festgestellt; seinem Arbeitgeber sei das Prospektprüfungsgutachten überlassen worden; die Existenz dieses Gutachtens sei Voraussetzung für seinen Arbeitgeber gewesen, das Produkt in sein Sortiment aufzunehmen, und für ihn als Anlageberater, die Beteiligung anderen Kunden zu empfehlen und sich selbst zu beteiligen.
Rz. 13
Wie der Senat unter Heranziehung früherer Entscheidungen befunden hat, kommt es für die Erstreckung der Schutzwirkung und die Haftung nach den Grundsätzen des Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter im Bereich der Expertenhaftung entscheidend darauf an, dass der Anleger von dem Gutachten Gebrauch macht und hierdurch ein Vertrauen des Anlegers erzeugt und auf seinen Willensentschluss Einfluss genommen wird (Urteil vom 14. Juni 2007 – III ZR 125/06 – WM 2007, 1503, 1507 Rn. 28). Ferner ist zu berücksichtigen, dass das Maß der Erstreckung der Schutzpflicht nicht allein aus der Sicht des am Vertrag nicht beteiligten Dritten zu bestimmen, sondern dass dies in erster Linie Sache der Vertragsparteien ist (vgl. Senatsurteil BGHZ 138, 257, 261). Im vorliegenden Fall ist insoweit darauf abzustellen, was zu dem Prospektprüfungsgutachten – für alle Anleger lesbar – in dem Prospekt verlautbart worden ist. Wenn es dort heißt, dass „der Bericht nach Fertigstellung den von den Vertriebspartnern vorgeschlagenen ernsthaften Interessenten auf Anforderung zur Verfügung gestellt” werde, kann der Anleger den Drittschutz grundsätzlich nur dann in Anspruch nehmen, wenn er das Gutachten für seine Zwecke anfordert und es auf diese Weise zur Grundlage seiner Entscheidung macht. Eine – notwendigerweise allgemein bleibende – abgeleitete Kenntnis genügt hierfür nicht. Es besteht insoweit auch kein Anlass, den Kläger als angestellten Anlageberater besser zu behandeln als einen Anleger, der seinerseits Beraterdienste in Anspruch nimmt. Sein Vertrauen stützt sich nicht auf das Gutachten unmittelbar, sondern auf Äußerungen oder Beurteilungen hierüber von dritter Seite, für die die Beklagte zu 2 nach der dargestellten Beschränkung der Schutzwirkung nicht in Anspruch genommen werden kann.
Unterschriften
Schlick, Wurm, Dörr, Wöstmann, Harsdorf-Gebhardt
Fundstellen