Normenkette
StGB § 54 Abs. 1, §§ 55, 56f Abs. 3 S. 2, § 58 Abs. 2
Verfahrensgang
LG Hagen (Entscheidung vom 28.04.2021; Aktenzeichen 53 KLs 8/20) |
Tenor
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hagen vom 28. April 2021
a) im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte des besonders schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung schuldig ist,
b) im Ausspruch über die Gesamtstrafe aufgehoben,
c) in der Einziehungsentscheidung dahingehend klargestellt, dass gegen den Angeklagten die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 2.520 Euro als Gesamtschuldner angeordnet ist,
d) im Adhäsionsausspruch dahingehend berichtigt, dass die Urteilsformel in Satz 2 der Entscheidung über den Adhäsionsantrag statt „Im Übrigen wird der Antrag zurückgewiesen.“ lautet: „Im Übrigen wird von einer Entscheidung über den Antrag abgesehen.“
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Gründe
Rz. 1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen besonders schweren Raubes unter Einbeziehung der Strafe aus dem „Urteil des Landgerichts Marburg vom 28.03.2019 (Az. 12 KLs 4 Js 11859/18)“ zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und acht Monaten verurteilt sowie die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 2.520 Euro gegen ihn angeordnet. Im Adhäsionsverfahren hat das Landgericht den Angeklagten und die Mitangeklagte T. verurteilt, als Gesamtschuldner an den Adhäsionskläger 2.815 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 26. Februar 2021 zu zahlen, und festgestellt, dass der Anspruch auf einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung beruht. Im Übrigen hat das Landgericht den Adhäsionsantrag „zurückgewiesen“. Das Rechtsmittel hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
Rz. 2
1. Der Schuldspruch ist in analoger Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO dahin zu ergänzen, dass sich der Angeklagte tateinheitlich der gefährlichen Körperverletzung schuldig gemacht hat.
Rz. 3
a) Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen des Landgerichts suchten der Angeklagte und der Zeuge N. den Zeugen B. auf, um ihn durch Gewalt und entsprechende Drohungen zur Herausgabe des in seiner Wohnung aufbewahrten Bargeldes zu zwingen. Um ihrem Begehren Nachdruck zu verleihen, bewaffnete sich der Angeklagte mit einem Schlagstock und der Zeuge N. mit einem Baseball-Schläger. Als der Zeuge B. seine Wohnungstür öffnete, versetzte ihm der Angeklagte mit seinem Schlagstock sogleich in Verletzungsabsicht einen Schlag gegen den linken Arm, wodurch der Geschädigte B. starke Schmerzen erlitt. Der Angeklagte und der Zeuge N. forderten nun unter Androhung von Schlägen vergeblich die Herausgabe von Bargeld. Da der Angeklagte jedoch wusste, dass der Geschädigte eine größere Menge Bargeld aufbewahrte, durchsuchte er das Schlafzimmer und nahm dort 2.520 Euro an sich.
Rz. 4
b) Diese Feststellungen tragen nicht nur den vom Landgericht ausgeurteilten besonders schweren Raub. Tateinheitlich verwirklicht hat der Angeklagte daneben den Tatbestand der gefährlichen Körperverletzung gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB, indem er den Geschädigten B. mit seinem Schlagstock gegen den Arm schlug. Eine entsprechende Ausurteilung hat das Landgericht ausweislich der Urteilsgründe versehentlich versäumt.
Rz. 5
c) Das Verschlechterungsverbot des § 358 Abs. 2 StPO steht der Schuldspruchänderung auf die Revision des Angeklagten nicht entgegen (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 1. Dezember 2020 - 4 StR 519/19, Rn. 7; Beschluss vom 28. November 2019 - 3 StR 482/19 Rn. 5).
Rz. 6
2. Der Ausspruch über die Gesamtstrafe hält rechtlicher Prüfung nicht stand.
Rz. 7
a) Die Gesamtstrafenbildung nach § 54 Abs. 1 StGB ist ein eigenständiger Zumessungsakt, bei dem vor allem das Verhältnis der einzelnen Taten zueinander, ihre größere oder geringere Selbstständigkeit, die Häufigkeit der Begehung, die Gleichheit oder Verschiedenheit der verletzten Rechtsgüter und der Begehungsweisen sowie das Gesamtgewicht des abzuurteilenden Sachverhalts zu berücksichtigen sind (vgl. BGH, Beschluss vom 13. Februar 2018 - 4 StR 585/17, juris Rn. 4 mwN). Das Tatgericht braucht zwar insoweit wie bei den Einzelstrafen nur die bestimmenden Zumessungsgründe im Urteil darzulegen; eine erschöpfende Darstellung ist nicht erforderlich. Allerdings ist der Gesamtstrafenausspruch umso eingehender zu begründen, je mehr sich die Gesamtstrafe der oberen oder unteren Grenze des Zulässigen nähert (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urteil vom 2. Februar 2017 - 4 StR 481/16, juris Rn. 23; Urteil vom 18. Juni 2009 - 3 StR 171/09, juris Rn. 8; Beschluss vom 12. April 1994 - 4 StR 74/94, BGHR StGB § 54 Abs. 1 Bemessung 8). Fehlt es in einem solchen Fall an einer näheren Begründung, ist die Besorgnis gerechtfertigt, dass sich der Tatrichter bei der Bemessung der Gesamtstrafe nicht an den hierfür maßgeblichen Kriterien, sondern rechtsfehlerhaft an der Summe der Einzelstrafen orientiert hat (vgl. BGH, Beschluss vom 13. Februar 2018 - 4 StR 585/17, juris Rn. 4; Beschluss vom 10. November 2016 - 1 StR 417/16).
Rz. 8
b) Diesen Anforderungen genügt die Begründung des Gesamtstrafenausspruchs nicht.
Rz. 9
Die Strafkammer hat aus zwei Einzelstrafen in Höhe von fünf Jahren Freiheitsstrafe für die ausgeurteilte Tat und von zwei Jahren Freiheitsstrafe für die Tat aus der gesamtstrafenfähigen Vorverurteilung eine Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und acht Monaten gebildet und sich mithin der zulässigen Strafobergrenze genähert. Zur Begründung hat das Landgericht insoweit lediglich „besonders zugunsten des Angeklagten berücksichtigt“, dass die erfolgreiche Tatausführung im vorliegenden Fall die Hemmschwelle für die auf einem ähnlichen modus operandi beruhende - lediglich versuchte - Tat aus der Vorverurteilung abgesenkt habe, wobei dieser Umstand allerdings dadurch relativiert werde, dass die Planung der zweiten Tat nicht unerhebliche Weiterungen bei den Nötigungsmitteln als Ausdruck gesteigerter krimineller Energie vorgesehen habe. Im Übrigen hat das Landgericht nur auf die für die Bemessung der jeweiligen Einzelstrafen maßgeblichen Umstände Bezug genommen.
Rz. 10
Diese Begründung zeigt keine Gesichtspunkte auf, die eine die Summe der Einzelstrafen nahezu erreichende Gesamtstrafe tragen können. Sie begegnet bereits deshalb rechtlichen Bedenken, weil sich nicht erschließt, dass die mittels Einsatzes einer Scheinwaffe und Fesselung geplante, im Versuchsstadium steckengebliebene zweite Tat eine wesentlich höhere kriminelle Energie aufwies als die hier ausgeurteilte, bei der das mitgeführte Schlagwerkzeug zum Einsatz kam. Es wird zudem nicht deutlich, ob das Landgericht diesem Umstand ein eigenständiges, maßgeblich straferschwerendes Gewicht bei der Gesamtstrafenbildung beigemessen oder ihn lediglich herangezogen hat, um die als „besonderen“ Milderungsgrund eingestellte Absenkung der Hemmschwelle wieder zu relativieren. Weitergehende gesamtstrafenspezifische Erwägungen, die die an der Obergrenze des Strafrahmens orientierte Gesamtstrafe tragen könnten, lässt das Urteil vermissen.
Rz. 11
Die Gesamtstrafe muss daher erneut zugemessen werden. Die Feststellungen können bestehen bleiben, da lediglich ein Wertungsfehler vorliegt. Ergänzende Feststellungen sind möglich, soweit sie zu den bisherigen nicht in Widerspruch stehen.
Rz. 12
3. Die Anordnung der Einziehung des Wertes von Taterträgen nach § 73c Satz 1 StGB ist dahingehend zu ergänzen, dass der Angeklagte als Gesamtschuldner haftet. Nach den Feststellungen des Landgerichts nahmen der Angeklagte und der Zeuge N. auf der Grundlage eines gemeinsamen Tatplanes das erbeutete Bargeld an sich und teilten es untereinander auf. Bei dieser Sachlage haben der Angeklagte und sein Mittäter Mitverfügungsgewalt über die Beute erlangt, so dass sie insoweit als Gesamtschuldner haften (vgl. BGH, Beschluss vom 20. Februar 2018 - 2 StR 12/18, juris Rn. 2 mwN). Der Senat hat den Ausspruch über die gesamtschuldnerische Haftung in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO nachgeholt. Der Angeklagte ist hierdurch nicht beschwert.
Rz. 13
4. Soweit das Landgericht den Adhäsionsantrag als unbegründet erachtet hat, hätte es den Antrag nicht zurückweisen dürfen. Insoweit ist vielmehr - auch im Hinblick auf § 406 Abs. 3 Satz 3 StPO - ausdrücklich in der Urteilsformel auszusprechen, dass von einer Entscheidung über den weitergehenden Antrag abgesehen wird (§ 406 Abs. 1 Satz 3 StPO). Der Senat hat deshalb die Urteilsformel entsprechend berichtigt.
Rz. 14
5. Für die neue Verhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:
Rz. 15
a) Das gemäß § 55 StGB zu berücksichtigende Urteil des Landgerichts Marburg dürfte tatsächlich am 27. März 2019 und nicht - wie es in der Entscheidungsformel des angegriffenen Urteils heißt - am 28. März 2019 ergangen sein.
Rz. 16
b) Nach den Feststellungen war die Vollstreckung der bei der Gesamtstrafenbildung einbezogenen Freiheitsstrafe von zwei Jahren aus dem vorgenannten Urteil zur Bewährung ausgesetzt worden. Der Angeklagte hatte die ihm hierbei erteilte Bewährungsauflage, „100 Sozialstunden binnen sechs Monaten abzuleisten“, in der Folge vollständig erfüllt. Angesichts dieser Feststellungen wird die nunmehr berufene Strafkammer die Voraussetzungen für eine Anrechnung auf Bewährungsauflagen erbrachter Leistungen gemäß § 58 Abs. 2 Satz 2 StGB in Verbindung mit § 56f Abs. 3 Satz 2 StGB zu prüfen und in den Urteilsgründen zu erörtern haben. Danach sind Leistungen, die auf Bewährungsauflagen nach § 56b Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 bis 4 StGB erbracht worden sind, durch eine die Vollstreckung verkürzende Anrechnung auf die erneut zu bildende Gesamtfreiheitsstrafe auszugleichen (vgl. BGH, Beschluss vom 18. Februar 2014 - 3 StR 442/13, BeckRS 2014, 6116; Beschluss vom 17. September 2013 - 1 StR 489/13, juris Rn. 3; Beschluss vom 20. März 1990 - 1 StR 283/89, BGHSt 36, 378, 382). Die Anrechnung der erbrachten Bewährungsauflage steht in den Fällen des § 58 Abs. 2 StGB nicht im Ermessen des Gerichts, sondern hat in der Regel zu erfolgen (BGH, Beschluss vom 12. Februar 2014 - 1 StR 601/13, BGHR StGB § 58 Abs. 2 Satz 2 Anrechnung 5, Beschluss vom 2. April 2009 - 2 StR 11/09, NStZ-RR 2009, 201; Beschluss vom 20. März 1990 - 1 StR 283/89, BGHSt 36, 378, 381).
VRinBGH Sost-Scheible ist durch Urlaub an der Leistung der Unterschrift gehindert. |
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Bender |
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Maatsch |
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Scheuß |
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Fundstellen
Haufe-Index 15139259 |
NStZ-RR 2022, 134 |
NStZ-RR 2022, 6 |
StV 2022, 388 |