Verfahrensgang
LG Zweibrücken (Entscheidung vom 14.11.2022; Aktenzeichen 1 KLs 4142 Js 580/20) |
Nachgehend
Tenor
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Zweibrücken vom 14. November 2022, soweit es ihn betrifft,
a) aufgehoben,
aa) soweit der Angeklagte im Fall II.6. der Urteilsgründe verurteilt worden ist; insoweit wird das Verfahren eingestellt; im Umfang der Einstellung fallen die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten der Staatskasse zur Last;
bb) im Strafausspruch im Übrigen;
cc) mit den zugehörigen Feststellungen im Ausspruch über die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt;
b) im Schuldspruch dahin abgeändert, dass der Angeklagte der Beihilfe zum bandenmäßigen Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in fünf Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Besitz von und mit Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, schuldig ist.
2. Im Umfang der Aufhebung zu 1. a) bb) und cc) wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die verbleibenden Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Gründe
Rz. 1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Beihilfe zum bandenmäßigen Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in sechs Fällen, in einem Fall davon in Tateinheit mit „unerlaubtem“ Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt. Zudem hat es die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt angeordnet und eine Einziehungsentscheidung getroffen. Hiergegen richtet sich die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel erzielt den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg und ist im Übrigen unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
Rz. 2
1. Hinsichtlich des Falles II.6. der Urteilsgründe liegt ein von Amts wegen zu beachtendes Verfahrenshindernis vor, was die Aufhebung der Verurteilung und die Einstellung des Verfahrens insoweit gemäß § 260 Abs. 3 StPO gebietet (vgl. BGH, Urteil vom 10. August 2023 - 3 StR 412/22 Rn. 18; Beschluss vom 4. Juni 2013 - 4 StR 192/13 Rn. 4 f.). Wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift zutreffend ausgeführt hat, hat das Landgericht in der Hauptverhandlung von der Verfolgung der - durch Aktenzeichen und Tatzeitpunkt eindeutig bezeichneten -, der Verurteilung im Fall II.6. der Urteilsgründe zugrundeliegenden Tat gemäß § 154 Abs. 2 StPO abgesehen und einen Wiederaufnahmebeschluss danach nicht erlassen.
Rz. 3
2. Der Schuldspruch bedarf infolgedessen der Änderung, die der Senat entsprechend § 354 Abs. 1 StPO selbst vornehmen kann. Darüber hinaus ist der Schuldspruch, wie ebenfalls vom Generalbundesanwalt zutreffend dargelegt, auch insoweit zu korrigieren, als das Landgericht im Fall II.1. der Urteilsgründe neben der Beihilfetat nur den „unerlaubten“ Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge ausgeurteilt hat. Nach den Feststellungen erwarb der Angeklagte aus der in seine Wohnung gelieferten Gesamtmenge von 10 kg Marihuana (mit einem Wirkstoffgehalt von 13 %) 1 kg, von dem er 800 g zum Eigenkonsum nutzen und die weiteren 200 g gewinnbringend weiterveräußern wollte; als Gegenleistung für die Bereitstellung seiner Wohnung durfte der Angeklagte den Kaufpreis für die von ihm erworbene Betäubungsmittelmenge ohne zeitliche Vorgabe leisten. Durch den Erwerb und anschließenden Besitz dieses zum Handel bestimmten Teils des Marihuanas hat der Angeklagte entgegen der Rechtsauffassung der Revision auch den Tatbestand des (täterschaftlichen) Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (§ 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG) erfüllt, der zu den vom Landgericht ausgeurteilten Tatbeständen tateinheitlich hinzutritt (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Januar 2023 - 4 StR 274/22; Beschluss vom 14. Februar 2017 - 4 StR 580/16). Das Verschlechterungsverbot des § 358 StPO hindert die Verschärfung des Schuldspruchs nicht (vgl. BGH, Beschluss vom 6. Juni 2023 - 4 StR 85/23 Rn. 5 mwN); auch § 265 StPO steht ihr nicht entgegen, weil sich der Angeklagte nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können.
Rz. 4
3. Der Rechtsfolgenausspruch hat nur zu einem geringen Teil Bestand. Während der Einziehungsausspruch der rechtlichen Nachprüfung standhält, begegnen der Straf- und der Maßregelausspruch durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
Rz. 5
a) Der Strafausspruch unterliegt insgesamt der Aufhebung. Die Einzelstrafe im Fall II.6. der Urteilsgründe entfällt mit der Aufhebung der Verurteilung wegen der Tat. Bereits dies entzieht zugleich der Gesamtstrafe die Grundlage.
Rz. 6
Überdies weist auch die Zumessung der weiteren Einzelstrafen durchgreifende Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf. Die Strafkammer hat in sämtlichen Fällen sowohl bei der Strafrahmenwahl als auch bei der Strafzumessung im engeren Sinne strafschärfend die hohe Gesamtwirkstoffmenge der Betäubungsmittel berücksichtigt. Dies ist, wie vom Generalbundesanwalt zutreffend ausgeführt, rechtsfehlerhaft. Die Summe der gehandelten Betäubungsmittel kommt - unter den hier gegebenen Umständen - erst bei der Bemessung der Gesamtstrafe in Betracht (vgl. BGH, Beschluss vom 11. Oktober 2022 - 4 StR 245/22, StV 2023, 457 Rn. 6 mwN). Weiter hat das Landgericht dem Angeklagten bei sämtlichen Einzelstrafen angelastet, dass die Betäubungsmittel in den Verkehr gelangt sind. Damit hat es rechtsfehlerhaft das Fehlen eines Strafmilderungsgrundes strafschärfend berücksichtigt (vgl. BGH, Beschluss vom 26. September 2019 - 4 StR 133/19 Rn. 6 mwN).
Rz. 7
Der Senat vermag ein Beruhen der verhängten Einzelstrafen und der Gesamtstrafe auf diesen Rechtsfehlern (§ 337 StPO) nicht auszuschließen und hebt daher den Strafausspruch insgesamt auf. Die zugehörigen Feststellungen werden von den Wertungsfehlern nicht betroffen und können daher bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO).
Rz. 8
b) Auch die - den Angeklagten beschwerende (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 6. Oktober 2020 - 4 StR 334/20 Rn. 4 mwN) - Maßregelanordnung ist rechtsfehlerhaft und unterliegt deshalb der Aufhebung (§ 349 Abs. 4 StPO). Dabei kann offenbleiben, ob das Landgericht die Voraussetzungen des § 64 StGB in der zum Urteilszeitpunkt geltenden Fassung (vom 8. Juli 2016) zutreffend angenommen hat. Denn jedenfalls kann den Urteilsgründen nicht entnommen werden, dass auch die strengeren Anforderungen der seit dem 1. Oktober 2023 geltenden und gemäß § 2 Abs. 6 StGB, § 354a StPO der revisionsrechtlichen Nachprüfung durch den Senat zugrunde zu legenden Fassung der Norm (vgl. BGH, Beschluss vom 12. Dezember 2023 - 4 StR 373/23 Rn. 2 mwN) erfüllt sind. Namentlich ergeben die Feststellungen des Landgerichts nicht, dass bei dem Angeklagten, der bis zu seiner Inhaftierung in dieser Sache in einem Arbeitsverhältnis als Produktionsmitarbeiter stand, ein Hang im Sinne des § 64 Satz 1, Halbsatz 2 StGB n.F. bestand und fortbesteht. Es ist allerdings nicht gänzlich auszuschließen, dass in einer neuen Verhandlung weitere Feststellungen getroffen werden können, die eine Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt tragen könnten. Der Senat hebt die hierzu getroffenen Feststellungen auf, um dem neuen Tatgericht insgesamt widerspruchsfreie Feststellungen zu ermöglichen.
Rz. 9
4. Im Übrigen hat die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
Quentin |
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Bartel |
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Maatsch |
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Fundstellen
Haufe-Index 16191199 |
NStZ-RR 2024, 152 |