Entscheidungsstichwort (Thema)
Beihilfe zur Vergewaltigung
Tenor
Die Revision der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Lübeck vom 2. September 1998 wird als unbegründet verworfen.
Die Beschwerdeführerin hat die Kosten des Rechtsmittels und die der Nebenklägerin im Revisionsverfahren erwachsenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Gründe
Das Landgericht hat die Angeklagte (unter ihrem damaligen Namen R.) wegen Beihilfe zur Vergewaltigung in Tateinheit mit Beihilfe zum sexuellen Mißbrauch eines Kindes zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt. Die allgemein auf die Rüge der Verletzung sachlichen Rechts gestützte Revision bleibt ohne Erfolg, da die Nachprüfung keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO).
Nach den Feststellungen führte der Mitangeklagte D., dessen Revision als verspätet verworfen worden ist, mit der damals noch nicht 12 Jahre alten Tochter der Angeklagten gegen deren Willen den Geschlechtsverkehr aus. „Da die Zeugin sich wehrte, wurde sie während dessen von der Angeklagten R. festgehalten, damit der Angeklagte D. den Geschlechtsverkehr vollziehen konnte” (UA S. 8).
1. Soweit das Landgericht den Haupttäter deshalb wegen Vergewaltigung (§ 177 Abs. 1 StGB a.F.) in Tateinheit mitschwerem sexuellen Mißbrauch verurteilt hat, ist dies insoweit rechtsfehlerhaft, als § 176 a StGB zur Tatzeit noch nicht galt, diese Vorschrift im konkreten Fall auch nicht das gegenüber § 176 Abs. 3 StGB a.F. mildere Recht darstellt (zu einer hier nicht vorliegenden Ausnahme vgl. BGH NStZ 2000, 49) und nicht innerhalb einer Tat sowohl altes auch auch neues Recht angewendet werden darf.
Zum Nachteil der Angeklagten hat sich dieser Fehler nicht ausgewirkt. Die Urteilsformel bedarf keiner Korrektur, da das Landgericht dort das tateinheitlich verwirklichte Delikt nur als sexuellen Mißbrauch eines Kindes bezeichnet hat. Soweit sich aus den Gründen ergibt, daß das Landgericht entgegen der Urteilsformel doch von schwerem sexuellen Mißbrauch gemäß dem erst durch das 6. StrRG in das StGB eingefügten § 176 a ausgegangen ist, kann ein Beruhen des Urteils ausgeschlossen werden: Das Landgericht hat die Strafe dem nach § 27 Abs. 2, § 49 Abs. 1 StGB gemilderten Strafrahmen des § 177 Abs. 1 StGB a.F. entnommen. Auf § 176 a StGB hat es nur zur Begründung abgestellt, warum sich die Tat nicht als minder schwerer Fall einer Vergewaltigung darstellt. Dies hätte es ebenso mit dem tateinheitlich verwirklichten sexuellen Mißbrauch eines Kindes, bei dem das Regelbeispiel eines besonders schweren Falles (§ 176 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 StGB a.F.) verwirklicht ist, begründen können. Die durch § 176 a StGB von zehn Jahre auf 15 Jahre erhöhte Höchststrafe ist hierbei ohne Bedeutung gewesen.
2. Auch im übrigen ist der Bestand des Urteils durch die Anwendung von § 177 Abs. 1 StGB a.F. nicht gefährdet. Zwar kann sich in der vorliegenden Konstellation das neue Recht, also § 177 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 StGB i.d.F. des 33. StrÄndG bzw. § 177 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 StGB i.d.F. des 6. StrRG, als das mildere Recht erweisen, weil nunmehr eine mittäterschaftliche Begehung einer Vergewaltigung dann nicht in Betracht kommt, wenn der Täter nicht selbst den Beischlaf oder eine ähnliche, das Opfer besonders erniedrigende Handlung ausführt (BGH NStZ 1999, 452), während es nach altem Recht genügte, daß sich das tatbestandsmäßige Verhalten des Mittäters auf eine Nötigungshandlung beschränkte, die einem anderen den Beischlaf ermöglichte (BGHSt 27, 205, 206; BGH NStZ 1985, 71, 72; BGH bei Miebach NStZ 1994, 222, 224; BGHR StGB § 177 I Mittäter 1), und die Angeklagte deshalb bei Anwendung des alten Rechts naheliegend als (Mit)Täterin einer Vergewaltigung zu verurteilen gewesen wäre, während sie nach neuem Recht nur (Mit)Täterin einer sexuellen Nötigung hätte sein können. Durch die Annahme von Gehilfenschaft und die vom Landgericht vorgenommene Strafrahmenverschiebung ist die Angeklagte aber jedenfalls weder im Schuld- noch im Strafausspruch beschwert.
3. Ob das Verfahren in der Weise verzögert worden ist, daß wegen eines Verstoßes gegen Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK eine konkret bestimmte Ermäßigung der Strafe hätte erfolgen müssen (vgl. BVerfG NStZ 1997, 591; BGHR StGB § 46 II Verfahrensverzögerung 7, 12; BGH NStZ 1999, 181, 182; BGH, Urt. vom 10. November 1999 – 3 StR 361/99 ≪zur Veröffentlichung in BGHSt bestimmt≫), braucht der Senat nicht zu entscheiden. Eine wirksame Zustellung des am 2. September 1998 verkündeten Urteils ist erst auf entsprechende Anregung des Generalbundesanwalts am 28. September 1999 erfolgt. Daraufhin hat der Verteidiger erneut eine Revisionsbegründung abgegeben. Ein Fall, in dem eine Verfahrensverzögerung erst nach Ablauf der Revisionsbegründungsfrist eingetreten und dem Beschwerdeführer deshalb eine entsprechende Rüge nicht möglich ist, liegt demnach nicht vor. Deshalb hätte es einer Verfahrensrüge bedurft (vgl. BGHR StGB § 46 II Verfahrensverzögerung 12; BGH NStZ 1999, 313; BGH, Urt. vom 10. November 1999 – 3 StR 361/99 ≪zur Veröffentlichung in BGHSt bestimmt≫). Eine solche Rüge ist nicht erhoben worden.
Unterschriften
Kutzer, Miebach, Winkler, Pfister, von Lienen
Fundstellen
Haufe-Index 556744 |
NStZ 2000, 418 |