Verfahrensgang
LG Stendal (Urteil vom 11.03.2002) |
Tenor
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Stendal vom 11. März 2002
- dahin abgeändert, daß im Fall II 1 der Urteilsgründe die tateinheitliche Verurteilung wegen versuchter Freiheitsberaubung entfällt,
- im gesamten Strafausspruch mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an das Amtsgericht Stendal – Schöffengericht – zurückverwiesen.
3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Gründe
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Nötigung in Tateinheit mit versuchter Freiheitsberaubung und wegen Vergewaltigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sieben Monaten verurteilt. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er die Verletzung sachlichen Rechts rügt. Das Rechtsmittel hat den aus der Beschlußformel ersichtlichen Teilerfolg; im übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
1. Die Überprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung hat keinen den Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler ergeben, soweit das Landgericht ihn im Fall II 1 der Urteilsgründe wegen Nötigung und im Fall II 2 wegen Vergewaltigung für schuldig befunden hat. Dagegen begegnet die tateinheitliche Verurteilung wegen versuchter Freiheitsberaubung im Fall II 1 durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
Nach den insoweit getroffenen Feststellungen faßte der Angeklagte der Zeugin Z. während einer Feier überraschend an ihr bedecktes Geschlechtsteil. Als die Frau daraufhin die Wohnung verlassen wollte, umfaßte der Angeklagte ihre Oberschenkel und hob sie in das Badezimmer, „weil er hoffte, dort mit Frau Z. in kurzer Zeit Zärtlichkeiten auszutauschen” [UA 5]. Dazu kam es aber nicht, weil die Frau das Schließen der Badezimmertür verhinderte und ihr Lebensgefährte die Situation erfaßte und einschritt.
Diese Feststellungen tragen eine Verurteilung wegen versuchter Freiheitsberaubung nicht. Es erscheint bereits fraglich, ob der vom Angeklagten beabsichtigte kurze Aufenthalt im Bad gegen den Willen der Frau den Tatbestand des § 239 Abs. 1 StGB erfüllt hätte, weil dazu eine zeitlich nur unerhebliche Beeinträchtigung der Fortbewegungsfreiheit nicht ausreicht (vgl. BGH, Beschluß vom 3. Dezember 2002 – 4 StR 432/02). Jedenfalls aber kommt dann, wenn die Freiheitsberaubung nur das tatbestandsmäßige Mittel zur Begehung eines anderen Delikts bildet, § 239 StGB als das allgemeine Delikt nicht zur Anwendung (vgl. Tröndle/Fischer StGB 51. Aufl. § 239 Rdn. 18 m.w.N.). So liegt der Fall hier. Der Angeklagte nötigte die Frau in das Badezimmer, um sich ihr dort für kurze Zeit unbeobachtet von den Gästen körperlich nähern zu können. Die Beschränkung der Fortbewegungsfreiheit ging mithin nicht über das hinaus, was zur bloßen Tatbestandsverwirklichung der Nötigung erforderlich war.
Der Senat ändert den Schuldspruch daher entsprechend ab.
2. Die Schuldspruchänderung führt zur Aufhebung der für den Fall II 1 verhängten Einzelstrafe, die das Landgericht dem nach §§ 23 Abs. 2, 49 Abs. 1 StGB gemilderten Strafrahmen des § 239 StGB entnommen hat, der den des § 240 StGB übersteigt.
Die für die Vergewaltigung (Fall II 2 der Urteilsgründe) ausgesprochene Einzelstrafe hat ebenfalls keinen Bestand. Das Landgericht hat die Strafe dem Strafrahmen des § 177 Abs. 2 StGB entnommen, ohne dies zu begründen. Es hat sich nicht damit auseinandergesetzt, ob trotz des Vorliegens eines Regelbeispiels ein besonders schwerer Fall verneint werden kann. Zu einer solchen Prüfung bestand hier Anlaß, weil zwischen dem Angeklagten und der Geschädigten eine länger andauernde intime Beziehung bestanden hatte. Diesen wesentlichen strafmildernden Umstand (vgl. BGH StV 1998, 76; BGHR StGB § 177 Abs. 2 (i.d.F. des 6. StrRG) Strafrahmenwahl 14) hat das Landgericht weder bei der Strafrahmenwahl noch im Rahmen der konkreten Strafzumessung beachtet. Im übrigen begegnet auch die einzige, vom Landgericht strafschärfend angeführte Erwägung, der Angeklagte habe sein Opfer dadurch über die Vergewaltigung hinaus erniedrigt, daß er ihm unmittelbar danach in Bezug auf Verhalten am Arbeitsplatz eine Abmahnung übergeben wollte, rechtlichen Bedenken: Diese Abmahnung stand in keinem Zusammenhang mit dem Tatgeschehen und war überdies auch nach Ansicht der Zeugin „wegen ihres tatsächlichen Alkoholkonsums während der Arbeit wohl berechtigt”.
3. Der Senat verweist die Sache im Umfang der Aufhebung gemäß § 354 Abs. 3 StPO an das Amtsgericht Stendal – Schöffengericht – zurück, dessen Strafgewalt ausreicht (vgl. § 358 Abs. 2 Satz 1 StPO).
Unterschriften
Tepperwien, Maatz, Kuckein, Solin-Stojanović, Ernemann
Fundstellen
Haufe-Index 2565506 |
NStZ-RR 2003, 168 |
StraFo 2003, 214 |