Entscheidungsstichwort (Thema)
unerlaubte Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge
Tenor
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Osnabrück vom 3. November 2000, soweit es den Angeklagten G. betrifft, mit den Feststellungen aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe
Das Landgericht hat den Angeklagten G. wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit diesen zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Die auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten führt zur Aufhebung des Urteils.
Nach den Feststellungen der Strafkammer hatte der in den Niederlanden lebende Angeklagte G. in Amsterdam eine Plastiktüte mit 640 g Kokain von dem Mitangeklagten A. übernommen, die der gesondert verfolgte S. zuvor eingekauft hatte. Der Angeklagte G. hat diese Tüte sodann in seinem PKW in einer dort abgelegten Lederjacke des Mitangeklagten A. ohne dessen Wissen versteckt und ist mit A. über die niederländisch-deutsche Grenze gefahren, um die Drogen zu dem Käufer S. nach Berlin zu bringen. An der Grenze wurde das – noch in der Lederjacke versteckte – Kokain entdeckt.
Das Urteil kann keinen Bestand haben, da es zu dem eigentlichen Tatgeschehen an einer nachvollziehbaren Beweiswürdigung fehlt. In den Urteilsgründen werden zwar umfangreiche Beweiswürdigungserwägungen zu der übermäßig ausführlich geschilderten Vorgeschichte und vielen nebensächlichen Details dargestellt, deren Bedeutung für den Nachweis und das Verständnis der Tat vielfach nicht erkennbar ist; doch fehlt es an der Mitteilung der Einlassung des Angeklagten zu der ihm angelasteten Tat und an der Angabe der Beweisergebnisse, die der Strafkammer die Überzeugung von seiner Schuld vermittelt haben.
Den Urteilsgründen ist nicht zu entnehmen, ob der Angeklagte G. den Tatvorwurf bestritten oder eingestanden hat und wie er sich im einzelnen dazu eingelassen hat. Auf UA S. 20 wird lediglich in einem Vorspann allgemein mitgeteilt, daß die „Darstellungen des Angeklagten G. … oftmals nicht für glaubhaft” gehalten wurden. Wie sie im Zusammenhang lauteten, was die Strafkammer geglaubt hat und was – aus welchen Gründen – nicht, wird zu nebensächlichen Randpunkten, nicht aber zum Kerngeschehen dargestellt. Im Abschnitt III. 2. i) der Beweiswürdigung (UA S. 28 f.), in dem das entscheidende Geschehen am „Morgen des 6.3.2000” behandelt wird, zu dem auch das fragliche Verstecken des Kokains in der Lederjacke des Mitangeklagten A. gehört, wird dazu nichts näheres mitgeteilt. Auf was sich der dort enthaltene Satz „Im übrigen basieren die Feststellungen auf den insofern übereinstimmenden und glaubhaften Einlassungen der beiden Angeklagten” (UA S. 30 oben) bezieht, ist unklar. Zudem wäre es kaum vorstellbar, daß die Strafkammer auf elf Seiten eine umfangreiche Beweiswürdigung zum gesamten Vor- und Nebengeschehen anstellt, wenn die Einlassungen der beiden Angeklagten zum eigentlichen Tatvorwurf tatsächlich „übereinstimmend und glaubhaft” im Sinne eines Geständnisses gewesen wären. Der Umstand, daß nur beim Mitangeklagten A. ein „umfassendes Geständnis” (UA S. 34) berücksichtigt wurde und daß auf UA S. 31 widersprechende Angaben der beiden Angeklagten zu ihrem Verhalten bei der Zollkontrolle im Hinblick auf die Zuordnung des Kokains geschildert werden, spricht eher dafür, daß in diesem Punkt der Angeklagte G. nicht geständig war, sondern versucht hat, das Kokain in der Jacke seines Beifahrers auch diesem anzulasten.
Obwohl die Aufgriffssituation an der Grenze zunächst dafür spricht, daß beide Wageninsassen, also auch der Angeklagte G., an der Einfuhr des Kokains beteiligt waren, ist somit für den Senat nicht überprüfbar, ob die Überzeugung der Strafkammer, der Mitangeklagte A. sei dabei ahnungslos gewesen, weil ihm der Angeklagte G. das Kokain heimlich unterschoben habe, auf einer tragfähigen Grundlage beruht. Es kann dabei nicht ausgeschlossen werden, daß sie dabei dem Angeklagten G. einen zu hohen Schuldumfang angelastet hat, weil sie die Darstellung des Mitangeklagten A. über seine Ahnungslosigkeit bei der Einfuhr zu Unrecht für glaubhaft erachtet hatte. Dabei hätte berücksichtigt und erörtert werden müssen, daß A. ein nachhaltiges Interesse an der Belastung seines Mittäters hatte, da er sich dadurch selbst in erheblichem Umfang entlasten konnte. Schließlich ist er aufgrund seiner Aussage nicht wegen Einfuhr und hinsichtlich des Handeltreibens nur wegen Beihilfe zu lediglich neun Monaten Freiheitsstrafe, ausgesetzt zur Bewährung, verurteilt worden. Bedenklich ist dabei auch, daß die Strafkammer den Mitangeklagten A., der Informant des LKA Berlin ist, aufgrund der Aussage seines V-Mann-Führers, seine Informationen hätten „immer der Wahrheit” entsprochen, für uneingeschränkt glaubwürdig hält (UA S. 20), ohne sich damit auseinanderzusetzen, daß er bei diesem Tatgeschehen entgegen dem ausdrücklichen Verbot des V-Mann-Führers in die Niederlande gereist ist, sich selbst hinter dessen Rücken aktiv an einem Rauschgiftgeschäft beteiligt und diesen dabei am Telefon über seinen Aufenthaltsort bewußt belogen hat (UA S. 17).
Für die neue Hauptverhandlung wird auf § 69 b StGB hingewiesen.
Unterschriften
Kutzer, Miebach, Winkler, Pfister, von Lienen
Fundstellen
Haufe-Index 584841 |
StV 2001, 387 |