Leitsatz (amtlich)
Zu den Anforderungen an die Abberufung eines Gesamtvollstreckungsverwalters wegen seines Verhaltens im Zusammenhang mit einem verfahrensbeendenden Vergleich.
Normenkette
GesO § 8 Abs. 3 S. 2, § 16; InsO § 59 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Magdeburg (Beschluss vom 03.08.2017; Aktenzeichen 3 T 208/17) |
AG Magdeburg (Beschluss vom 04.04.2017; Aktenzeichen 37 N 705/96) |
Tenor
Auf die Rechtsbeschwerde des weiteren Beteiligten zu 1) wird der Beschluss der 3. Zivilkammer des LG Magdeburg vom 3.8.2017 aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Beschwerdegericht zurückverwiesen.
Der Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 5.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Rz. 1
Das AG - Gesamtvollstreckungsgericht - eröffnete mit Beschluss vom 1.1.1997 das Gesamtvollstreckungsverfahren über das Vermögen der Schuldnerin. Zum Gesamtvollstreckungsverwalter bestellte es den weiteren Beteiligten zu 1) (künftig: Verwalter). Die zur Tabelle festgestellten Forderungen beliefen sich auf mehr als 250 Mio. EUR, von denen ein Großteil auf die Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben (nachfolgend: BvS), eine Gesellschafterin der Schuldnerin, entfiel.
Rz. 2
Mit Vereinbarung vom 20. April/18.5.2007 einigten sich die BvS und der Verwalter darauf, auf eine Beendigung des Verfahrens durch einen Vergleich nach § 16 GesO hinzuwirken. Zu diesem Zeitpunkt war die vorhandene Masse nur zum Teil verwertet. Der vorgesehene Inhalt des Vergleichs wurde in der Vereinbarung in seinen Grundzügen beschrieben.
Rz. 3
Unter dem 15.2.2008 bot die Schuldnerin den Gläubigern schriftlich einen "Vergleich gemäß § 16 GesO" an. In einem Begleittext wurde die Quotenerwartung für die Gläubiger im Falle der Regelabwicklung des Verfahrens anhand von Modellrechnungen dargestellt, der konzeptionelle Ansatz des Vergleichs erörtert und dessen Auswirkungen auf die Quotenerwartung der Gläubiger dargelegt. Unter Ziff. 5 der Vorbemerkungen zum Vergleichsvorschlag wurde ausgeführt, dass die Quotenerwartung der Gläubiger im Rang des § 17 Abs. 3 Nr. 4 GesO bei einer Fortsetzung der Regelabwicklung zwischen null und 2,6 % betrage. Es wurde mitgeteilt, dass die BvS im Falle eines Vergleichs ihre vorrangig zu befriedigenden Forderungen von 2.374.000 EUR (§ 13 GesO) und 3.488.000 EUR (§ 17 Abs. 3 Nr. 1 GesO) auf insgesamt 3.979.000 EUR beschränke und mit einem Teilbetrag von 214.489.360 EUR ihrer nicht bevorrechtigten Forderungen im Rang hinter die übrigen Forderungen nach § 17 Abs. 3 Nr. 4 GesO zurücktrete. Bei einem für den Vergleich bereitgestellten Betrag i.H.v. 4.585.000 EUR begründe dies eine Quotenerwartung i.H.v. etwa 5,76 %. Der Vergleichstext selbst sah vor, dass die Gläubiger in der Rangklasse des § 17 Abs. 3 Nr. 4 GesO auf ihre zur Tabelle festgestellten Forderungen eine Quotenzahlung im Verhältnis des für den Gesamtvergleich aus dem Massebestand bereitgestellten Betrages i.H.v. 4.585.000 EUR zur Summe aller in diesem Rang festgestellten Forderungen erhalten und ihre verbleibenden Restforderungen gegen Zahlung eines Entgeltes i.H.v. 1 EUR je Gläubiger an einen vom Verwalter zu bestimmenden Liquidationstreuhänder abtreten.
Rz. 4
Die Gläubigerversammlung nahm den Vergleichsvorschlag am 30.7.2008 an. Das Gesamtvollstreckungsgericht bestätigte den Vergleich mit Beschluss vom 21.4.2009. Zur Liquidationstreuhänderin bestimmte der Verwalter aus seiner Sozietät Rechtsanwältin K. . Mit Beschluss vom 17.6.2009 ordnete das Gesamtvollstreckungsgericht hinsichtlich der restlichen Vermögenswerte der Schuldnerin den Vorbehalt der Nachtragsverteilung an. Zugleich gab es dem Verwalter auf, die der Nachtragsverteilung unterliegenden Beträge auf der Grundlage des Schlussverzeichnisses zur nachträglichen Verteilung zu bringen und Rechnung zu legen.
Rz. 5
Bereits in der Vereinbarung vom 20. April/18.5.2007 hatten die BvS und der Verwalter in § 3 Abs. 2 folgendes festgelegt: "Nur für den Fall, dass die Erlöse aus der Verwertung der restlichen Vermögenswerte im Rahmen der Nachtragsverteilung 65.000 EUR (netto) überschreiten und nach Abzug der weiteren Masseverbindlichkeiten sowie der Verfahrenskosten ... verteilungsfähige Beträge verbleiben sollten, soll der Liquidationstreuhänder die insoweit an ihn ausgeschütteten Beträge anteilig im Verhältnis der ihm abgetretenen Restforderungen der BvS zu den Restforderungen der sonstigen Gläubiger des § 17 Abs. 3 Ziffer 4 GesO ... an die BvS auskehren. Im Übrigen verbleiben etwaige Quotenzahlungen im Rahmen der Nachtragsverteilung dem Liquidationstreuhänder."
Rz. 6
Unter dem 26. Januar/9.2.2011 vereinbarten die BvS und der Verwalter, dass die BvS zur Abgeltung jeglicher Ansprüche im Zusammenhang mit § 3 Abs. 2 der Vereinbarung vom 20. April/18.5.2007 einen Betrag von 459.000 EUR erhalte.
Rz. 7
Am 14.12.2015 berichtete der Verwalter dem Gesamtvollstreckungsgericht über den Verfahrensstand und bezifferte den Massebestand mit 22.254.762,25 EUR. Die von ihm zuvor im Anschluss den Beschluss vom 17.6.2009 erstatteten Berichte hatten keine Angaben zum Massebestand enthalten.
Rz. 8
Mit Beschluss vom 4.4.2017 hat das Gesamtvollstreckungsgericht den Verwalter unter Hinweis auf § 8 Abs. 3 Satz 2 GesO abberufen und zugleich den weiteren Beteiligten zu 2) als neuen Gesamtvollstreckungsverwalter eingesetzt. Die sofortige Beschwerde des abberufenen Verwalters hat das Beschwerdegericht zurückgewiesen. Dagegen wendet sich die vom Beschwerdegericht zugelassene Rechtsbeschwerde.
II.
Rz. 9
Die Rechtsbeschwerde ist gem. § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO statthaft, weil die Entscheidungen des Gesamtvollstreckungsgerichts nach § 20 GesO mit der sofortigen Beschwerde anfechtbar sind und das Beschwerdegericht die Rechtsbeschwerde zugelassen hat (vgl. BGH, Beschl. v. 23.4.2015 - IX ZB 29/13, WM 2015, 1065 Rz. 4). Sie führt unter Aufhebung der angefochtenen Entscheidung zur Zurückverweisung der Sache an das Beschwerdegericht.
Rz. 10
1. Das Beschwerdegericht hat ausgeführt:
Rz. 11
Der Beschwerdeführer habe schwerwiegende Pflichtverletzungen begangen und biete daher keine Gewähr für eine objektive Wahrnehmung der gemeinsamen Interessen der Gläubiger, wenn er weiter im Amt verbleiben würde. Dabei könne dahinstehen, ob die BvS im Zusammenhang mit dem Vergleichsabschluss gegenüber anderen Gläubigern bevorzugt worden sei, wie es das Gesamtvollstreckungsgericht angenommen habe.
Rz. 12
Der Beschwerdeführer habe seine Vermögenserhaltungspflicht als Gesamtvollstreckungsverwalter verletzt, indem er Teile der Insolvenzmasse in das Vermögen des "Treuhänders" verlagert habe. Bereits die Formulierung in dem Vergleich, wonach die Abtretung an einen Liquidationstreuhänder habe erfolgen sollen, sei irreführend. Denn die Formulierung "Treuhänder" stehe für einen Akteur, der gerade nicht für eigene, sondern für fremde Rechnung handele. Durch die im Vergleich geregelte Abtretung hätten die Gläubiger und auch die Schuldnerin den Zugriff auf Teile der Masse verloren. Zwar hätten die Parteien dem Vorgehen des Beschwerdeführers zugestimmt. Dabei hätten sie aber nicht überblicken können, dass ihre Entscheidung gravierende wirtschaftliche Nachteile mit sich bringen würde. Es sei zweifelhaft, dass die Gläubiger bei Erwartung eines liquiden Massebestandes von 22.254.000 EUR zum Stichtag 14.12.2015 ihre Forderungen gegen Zahlung einer vergleichsweise geringen Quote abgetreten hätten.
Rz. 13
Darüber hinaus habe der Beschwerdeführer seine Berichtspflicht verletzt. Er habe der BvS, die nach § 3 Abs. 2 der Vereinbarung vom 20. April/18.5.2007 trotz der Abtretung Zahlungsansprüche gegen den Treuhänder hätte haben sollen, nicht über den Umfang der Masse berichtet. Die BvS sei deshalb nicht in der Lage gewesen, Forderungen geltend zu machen.
Rz. 14
Die Abberufung des Beschwerdeführers sei ungeachtet des Umstandes, dass das Gesamtvollstreckungsverfahren nach etwa zwanzigjähriger Dauer kurz vor seinem Abschluss gestanden habe, verhältnismäßig. Denn gerade aufgrund der für die Masse nach wie vor bestehenden Gefahren durch Auslagerung in die Hände der Treuhänderin sei die Entlassung auch in diesem fortgeschrittenen Verfahrensstadium nicht zu beanstanden.
Rz. 15
2. Diese Begründung hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Die bisher getroffenen Feststellungen tragen die Entlassung des Beschwerdeführers aus dem Amt des Gesamtvollstreckungsverwalters nicht.
Rz. 16
a) Gemäß § 8 Abs. 3 Satz 2 GesO kann das Gesamtvollstreckungsgericht bei Vorliegen eines wichtigen Grundes den Gesamtvollstreckungsverwalter abberufen und einen anderen Verwalter einsetzen.
Rz. 17
Ein wichtiger Grund liegt vor, wenn ein Verbleiben des Verwalters im Amt unter Berücksichtigung seiner schutzwürdigen Interessen die Belange der Gläubigergesamtheit und die Rechtmäßigkeit der Verfahrensabwicklung objektiv nachhaltig beeinträchtigen würde. Diese Beeinträchtigung muss feststehen (vgl. BGH, Beschl. v. 8.12.2005 - IX ZB 308/04, ZIP 2006, 247 Rz. 8; v. 4.5.2017 - IX ZB 102/15, WM 2017, 1166 Rz. 8; jeweils zu § 59 InsO). Beruht sie auf einer Pflichtverletzung des Verwalters, ist die Abberufung mit Blick auf den grundrechtlichen Schutz der Ausübung des Verwalteramtes durch Art. 12 GG zudem nur dann zulässig, wenn es in Anbetracht der Erheblichkeit der Pflichtverletzung sachlich nicht mehr vertretbar erscheint, den Verwalter in seinem Amt zu belassen. Die Beurteilung, ob diese Voraussetzungen vorliegen, ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls vom Tatrichter zu treffen; ihm steht dabei ein Beurteilungsspielraum zu (vgl. BGH, Beschl. v. 8.12.2005, a.a.O., Rz. 10; v. 17.3.2011 - IX ZB 192/10, ZIP 2011, 671 Rz. 18; vom 4.5.2017, a.a.O., m.w.N.).
Rz. 18
b) Im Ausgangspunkt ist das Beschwerdegericht zutreffend davon ausgegangen, dass sich ein wichtiger Grund zur Abberufung des Gesamtvollstreckungsverwalters auch aus dessen Verhalten im Zusammenhang mit dem Abschluss eines Vergleichs nach § 16 GesO ergeben kann.
Rz. 19
aa) Parteien des Vergleichs sind der Schuldner sowie die nicht bevorrechtigten Gläubiger (§ 16 Abs. 2 GesO). Sie entscheiden im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben frei und in eigener Verantwortung über dessen inhaltliche Ausgestaltung, vorbehaltlich der Bestätigung des Vergleichs durch das Gesamtvollstreckungsgericht. Der Gesamtvollstreckungsverwalter ist am Vergleich formal nicht beteiligt. Gleichwohl kann er durch sein Verhalten aus Anlass des Vergleichsschlusses die ihm obliegenden Pflichten verletzen. Ein Gesamtvollstreckungsverwalter ist - wie ein Konkurs- oder Insolvenzverwalter - verpflichtet, die Masse im Befriedigungsinteresse der Gläubiger zu erhalten und zu verhindern, dass Bestandteile der Masse dem Zweck des Gesamtvollstreckungsverfahrens zuwider verwendet werden. Soweit den Gläubigern das Recht eingeräumt ist, über den Fortgang des Verfahrens mitzubestimmen, müssen die vom Verwalter hierzu erteilten Informationen vollständig und richtig sein. Deshalb verletzt ein Gesamtvollstreckungsverwalter, der sich maßgeblich an der Ausarbeitung eines Vergleichs nach § 16 GesO beteiligt und die von den Gläubigern hierzu benötigten Informationen zur Verfügung stellt, seine Pflichten, wenn er verschweigt, dass noch mit erheblichen späteren Verwertungserlösen zu rechnen ist, oder zur Verwendung solcher Erlöse unzureichende Angaben macht, insb. wenn er nicht mitteilt, dass spätere Erlöse, soweit nicht anderweitig benötigt, endgültig bei einem von ihm bestimmten Treuhänder verbleiben sollen.
Rz. 20
bb) Einer Abberufung des Gesamtvollstreckungsverwalters wegen pflichtwidrigen Handelns im Zusammenhang mit dem Abschluss eines Vergleichs nach § 16 GesO steht nicht entgegen, dass gem. § 19 Abs. 1 Nr. 2 GesO die Gesamtvollstreckung nach Eintritt der Rechtskraft des Vergleichsbeschlusses (§ 16 Abs. 5 Satz 1 GesO) einzustellen ist. Eine solche Einstellung ist hier nicht erfolgt. Im Übrigen hat das Gesamtvollstreckungsgericht mit Beschluss vom 17.6.2009 hinsichtlich der noch nicht verwerteten Vermögensgegenstände der Schuldnerin die Nachtragsverteilung vorbehalten, die über den Wortlaut des § 12 Abs. 3 GesO hinaus auch im Gesamtvollstreckungsverfahren stattfinden kann (vgl. BGH, Beschl. v. 17.2.2011 - IX ZB 268/08, ZIP 2011, 625 Rz. 11), und deren Vollziehung dem Gesamtvollstreckungsverwalter übertragen. Eine Beeinträchtigung der schutzwürdigen Gläubigerinteressen sowie der Verfahrensabwicklung durch das Verbleiben des Verwalters in seinem Amt war deshalb weiterhin möglich.
Rz. 21
c) Nach den bisher getroffenen Feststellungen ist dem Verwalter allerdings kein pflichtwidriges Handeln im Zusammenhang mit dem Vergleichsschluss anzulasten.
Rz. 22
aa) Kernpunkt der vom Beschwerdegericht angenommenen Pflichtverletzungen ist der Vorwurf, der Verwalter habe die Gläubiger beim Zustandekommen des Vergleichs darüber getäuscht, dass nach den getroffenen Vereinbarungen der durch die Verwertung der restlichen Massegegenstände erzielte Erlös, soweit er nicht zum Ausgleich der Masseverbindlichkeiten benötigt würde, dem Liquidationstreuhänder zukommen und bei ihm endgültig verbleiben solle. Zu der zugrunde liegenden Feststellung, dass der Liquidationstreuhänder in keinem Treuhandverhältnis zu einem Dritten stehe und der Masse zustehende Beträge in sein Vermögen "verlagert" würden, ist das Beschwerdegericht jedoch rechtsfehlerhaft gelangt.
Rz. 23
(1) Im Gesamtvollstreckungsverfahren gilt gem. § 2 Abs. 2 GesO der Amtsermittlungsgrundsatz (vgl. BGH, Urt. v. 25.11.1993 - IX ZR 84/93, ZIP 1994, 157, 158). Hält das Gesamtvollstreckungsgericht einen Umstand für erheblich, trifft es eine Ermittlungspflicht, sofern es sich nicht auf offenkundige Tatsachen stützen kann (vgl. BGH, Urt. v. 5.11.1956 - III ZR 139/55, WM 1957, 67; Beschl. v. 1.12.2011 - IX ZB 232/10, WM 2012, 142 Rz. 11; Hess/Binz/Wienberg, GesO, 4. Aufl., § 2 Rz. 65; Ganter in MünchKomm/InsO/Lohmann, 3. Aufl., § 5 Rz. 21; HmbKomm-InsO/Rüther, 7. Aufl., § 5 Rz. 9). Art und Umfang der Ermittlungen, die im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts stehen, richten sich dabei nach den jeweiligen Behauptungen und Beweisanregungen der Verfahrensbeteiligten (vgl. BGH, Beschl. v. 1.12.2011, a.a.O.; v. 11.4.2013 - IX ZB 170/11, ZVI 2013, 282 Rz. 10).
Rz. 24
(2) Dies hat das Beschwerdegericht nicht beachtet. Der Verwalter hat wiederholt vorgetragen, dass etwaige Zahlungen an den Liquidationstreuhänder diesem nicht zur freien Verfügung ständen. In der Beschwerdebegründung hat er hierzu näher ausgeführt, der Liquidationstreuhänder übernehme Pflichten, Aufgaben und Risiken und erhalte hierfür zweckgebundene Mittel aus einer möglichen Ausschüttung im Rahmen der Nachtragsverteilung. Die Mittel sicherten die Bezahlung etwaiger Verbindlichkeiten aus der Liquidationsbesteuerung der Schuldnerin für die Dauer der Liquidation. Sollte insoweit ein Liquidationsüberschuss verbleiben, stehe dieser wegen § 72 GmbHG der BvS als Gesellschafterin zu. Ungeachtet dessen, ob es hierzu ergänzender Absprachen bedarf, die in § 5 Abs. 1 der Vereinbarung vom 20. April/18.5.2007 vorgesehen sind, hätte das Beschwerdegericht mit Blick auf diesen Vortrag zu den Rechten und Pflichten des Liquidationstreuhänders konkrete Ermittlungen anstellen müssen, anstatt ohne nähere Begründung einen Verbleib der Erlöse beim Liquidationstreuhänder und eine darauf bezogene Irreführung der Gläubiger zu unterstellen.
Rz. 25
(3) Das gilt umso mehr, als sich die BvS und der Verwalter nach § 3 Abs. 2 der Vereinbarung vom 20. April/18.5.2007 ausdrücklich auf die Einbeziehung eines "Liquidationstreuhänders" in den angestrebten Vergleich geeinigt hatten. Der Umstand, dass nach dieser Bestimmung etwaige Quotenzahlungen, die im Rahmen der Nachtragsverteilung an den Liquidationstreuhänder erfolgen würden, insoweit dem Treuhänder verbleiben sollten, als sie nicht die von der BvS, sondern die von den übrigen Gläubigern abgetretenen Forderungen betrafen, spricht nicht zwingend gegen die Behauptung des Verwalters, dass mit diesen Mitteln die Kosten der Liquidation bestritten und ein Überschuss an die Gesellschafter ausgezahlt werden sollte. Die Klausel ist nicht eindeutig. Zwar kann darin eine ungebundene und freie Vermögenszuordnung zugunsten des Liquidationstreuhänders zum Ausdruck gekommen sein. Die Regelung kann sich aber auch nur auf die Vermögenslage nach Einstellung des Gesamtvollstreckungsverfahrens und Abschluss der Nachtragsverteilung beziehen. In diesem Fall wäre nicht ausgeschlossen, dass die Vermögensposition des Liquidationstreuhänders nach dem übereinstimmenden Willen der Beteiligten zweckgebunden und nach Zweckerreichung zugunsten eines Treugebers aufzulösen ist. Zur Abgrenzung der divergierenden Auslegungsmöglichkeiten bedarf es ggf. weitergehender Feststellungen, die das Beschwerdegericht bisher nicht getroffen hat.
Rz. 26
bb) Auch im Übrigen kann eine pflichtwidrige Fehlinformation der Gläubiger nach den bisher getroffenen Feststellungen nicht angenommen werden. Die Beurteilung des Beschwerdegerichts, die Gläubiger hätten bei ihrer Zustimmung zum Vergleich nicht überblicken können, dass ihre Entscheidung "gravierende wirtschaftliche Nachteile" mit sich bringen würde, entbehrt einer tragfähigen Grundlage. Das Beschwerdegericht leitet eine nachteilige Wirkung des Vergleichs allein aus dem Vergleichsinhalt sowie aus dem Umstand ab, dass zum 14.12.2015 ein liquider Massebestand i.H.v. 22.254.000 EUR vorhanden gewesen ist. Daraus ergibt sich jedoch nicht, ob und ggf. in welchem Umfang der Vergleichsschluss die einzelnen Beteiligten schlechter gestellt hat als eine Regelabwicklung des Verfahrens, zumal der Verwalter gegenüber der Masse noch über bereits festgestellte Vergütungsansprüche i.H.v. etwa 11 Mio. EUR verfügt. Darüber hinaus fehlen hinreichende Feststellungen zu einer diesbezüglichen Täuschung der Gläubiger durch den Verwalter. Das Beschwerdegericht hat etwa offengelassen, ob und ggf. in welchem Umfang die Angaben zu den Quotenerwartungen im Begleittext zum Vergleichsangebot unzutreffend gewesen sind.
Rz. 27
d) Die vom Beschwerdegericht angenommene Verletzung der Pflicht, der BvS über den Umfang der Masse zu berichten, trägt die Abberufung des Verwalters ebenfalls nicht. Dabei kann dahinstehen, ob die Regelung in § 3 Abs. 2 der Vereinbarung vom 20. April/18.5.2007, nach der die BvS trotz der Abtretung ihrer Forderungen an den Liquidationstreuhänder unter bestimmten Voraussetzungen Zahlungsansprüche gegen diesen haben sollte, eine Verpflichtung des Verwalters zu regelmäßigen Berichten über den Massebestand begründete und ob eine solche Pflicht weiterhin Bestand hatte, nachdem sich die BvS wegen ihrer restlichen Ansprüche in der mit dem Verwalter getroffenen Vereinbarung vom 26. Januar/9.2.2011 abfinden ließ. Ebenso kann offenbleiben, ob der Verwalter nach der rechtskräftigen Bestätigung des Vergleichs sowie der daran anknüpfenden Auflösung des Gläubigerausschusses noch an den Beschluss der Gläubigerversammlung vom 12.3.1997, halbjährlich über die Verwaltung und Verwertung der Masse Bericht zu erstatten, gebunden war. Soweit dem Verwalter hinsichtlich der fehlenden Angaben zum liquiden Massebestand im Zeitraum vom 17.6.2009 bis zum 14.12.2015 eine Verletzung seiner Berichtspflicht anzulasten wäre, ist diese jedenfalls nicht so schwerwiegend, dass sie seine Abberufung rechtfertigen könnte (vgl. BGH, Beschl. v. 25.9.2014 - IX ZB 11/14, ZIP 2014, 2399 Rz. 13 ff.). Das Beschwerdegericht hat nicht festgestellt, dass das Ausbleiben von Berichten nachteilige Auswirkungen auf den Bestand der Masse oder auf das Gesamtvollstreckungsverfahren gehabt hätte. Ansprüche der BvS aus § 3 Abs. 2 der Vereinbarung vom 20. April/18.5.2007 waren noch nicht entstanden, weil sie die Durchführung einer Nachtragsverteilung voraussetzten, zu der es aber noch nicht gekommen war. Es kann daher offenbleiben, ob die Gefährdung eines solchen schuldrechtlichen Anspruchs die Abberufung des Gesamtvollstreckungsverwalters überhaupt rechtfertigen könnte.
Rz. 28
3. Die Sache ist nicht zur Endentscheidung reif (§ 577 Abs. 5 ZPO). Es kann nicht abschließend entschieden werden, ob die Voraussetzungen für eine Abberufung des Rechtsbeschwerdeführers aus seinem Amt als Gesamtvollstreckungsverwalter nach § 8 Abs. 3 Satz 2 GesO vorliegen. Insbesondere dem Vorwurf, der Verwalter habe die Parteien des Vergleichs darüber getäuscht, dass Ausschüttungen im Rahmen der Nachtragsverteilung dem sog. Liquidationstreuhänder ohne treuhänderische Bindung verbleiben würden, wird das Beschwerdegericht unter Beachtung seiner Amtsermittlungspflicht weiter nachzugehen haben. Zudem bedarf es weiterer Feststellungen bezüglich des Vorwurfs, der Verwalter habe die Gläubiger pflichtwidrig nicht ausreichend auf die Möglichkeit späterer umfangreicher Massezuflüsse hingewiesen und sie dadurch zum Abschluss eines nachteiligen Vergleichs veranlasst.
Rz. 29
Gegebenenfalls werden durch das Beschwerdegericht darüber hinaus die Entlassungsgründe zu prüfen sein, auf die das Gesamtvollstreckungsgericht die Abberufung des Verwalters ergänzend gestützt und die das Beschwerdegericht bisher nicht abschließend beurteilt hat. Gleiches gilt, soweit sich zwischenzeitlich belastbare Anhaltspunkte für weitere Entlassungsgründe ergeben haben.
Rz. 30
4. Für das weitere Verfahren weist der Senat darauf hin, dass bisher keine wirksame Übertragung des Beschwerdeverfahrens auf die Kammer stattgefunden hat. Fällt das Beschwerdeverfahren in die originäre Zuständigkeit des Einzelrichters, ist die Kammer nicht befugt, selbst über die Übertragung zu entscheiden. Erforderlich ist in diesem Fall ein Beschluss des Einzelrichters gem. § 568 Satz 2 ZPO, das Verfahren dem Beschwerdegericht zur Entscheidung in der im Gerichtsverfassungsgesetz vorgeschriebenen Besetzung zu übertragen (BGH, Beschl. v. 21.9.2017 - IX ZB 84/16, ZIP 2017, 2018 Rz. 10 ff.). Daran fehlt es. Angesichts des Gewichts der für die Entlassung des Verwalters geltend gemachten Umstände dürften die Voraussetzungen des § 568 Satz 2 Nr. 1 ZPO erfüllt sein.
Fundstellen
Haufe-Index 13142388 |
WM 2019, 1026 |
ZIP 2019, 1077 |
JZ 2019, 516 |
MDR 2019, 830 |
NZI 2019, 541 |
NZI 2019, 7 |
Rpfleger 2019, 539 |
ZInsO 2019, 1161 |
ZVI 2019, 263 |