Verfahrensgang
LG Rostock (Urteil vom 06.11.2020; Aktenzeichen 12 KLs 107/20 (2) jug 424 Js 10332/20 (426)) |
Tenor
Auf die Revision des Angeklagten B. gegen das Urteil des Landgerichts Rostock vom 6. November 2020 wird
- das Verfahren hinsichtlich des Vorwurfs aus der Anklageschrift vom 12. Oktober 2020 (424 Js 15991/20) und – auch soweit es die nicht revidierenden Mitangeklagten M. und H. betrifft – hinsichtlich des Vorwurfs zu Nr. 2 aus der Anklageschrift vom 13. Oktober 2020 (426 Js 25228/20) eingestellt; im Umfang der Einstellung fallen die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen der Angeklagten der Staatskasse zur Last;
- das Urteil in den Schuldsprüchen dahin geändert, dass die Angeklagten jeweils des Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung schuldig sind, der Angeklagte H. darüber hinaus der versuchten gefährlichen Körperverletzung und
- im Strafausspruch hinsichtlich der Angeklagten B. und M. sowie hinsichtlich des den Angeklagten H. betreffenden Gesamtstrafenausspruchs aufgehoben; die zugehörigen Feststellungen bleiben bestehen.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die verbleibenden Kosten des Revisionsverfahrens, an eine andere Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe
Rz. 1
Das Landgericht hat den Angeklagten B. wegen Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und wegen gefährlicher Körperverletzung in zwei Fällen zu einer Jugendstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Gegen den nicht revidierenden Mitangeklagten M. hat es wegen Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung sowie wegen gefährlicher Körperverletzung unter Einbeziehung eines Urteils des Amtsgerichts Rostock vom 10. Oktober 2019 auf eine Jugendstrafe von einem Jahr und sechs Monaten erkannt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Den ebenfalls nicht revidierenden Mitangeklagten H. hat es wegen Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, wegen gefährlicher Körperverletzung und wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt.
Rz. 2
Die auf die Sachrüge gestützte Revision und ausweislich ihrer Begründung auf den Strafausspruch beschränkte Revision des Angeklagten B. hat Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO).
Rz. 3
Das Verfahren ist gemäß § 206a Abs. 1 StPO teilweise einzustellen, weil es hinsichtlich der mit der Anklageschrift vom 12. Oktober 2020 gegen den Angeklagten B. und hinsichtlich der zu Nr. 2 der Anklageschrift vom 13. Oktober 2020 gegen den Angeklagten B. und die beiden nicht revidierenden Mitangeklagten erhobenen Vorwürfe (II.B.2 und C der Urteilsgründe) an der Verfahrensvoraussetzung eines wirksamen Eröffnungsbeschlusses fehlt. Der Generalbundesanwalt hat dazu in seiner Antragsschrift vom 10. März 2021 ausgeführt:
„Über die Eröffnung [des Verfahrens betreffend die] Anklagen der Staatsanwaltschaft Rostock vom [12]. Oktober 2020 und [13.] Oktober 2020 hat die Jugendkammer im Termin zur Hauptverhandlung am 27. Oktober 2020, die gegen den Angeklagten wegen der Vorwürfe aus der ordnungsgemäß zur Hauptverhandlung zugelassenen Anklage der Staatsanwaltschaft Rostock vom 26. Juni 2020 geführt worden ist, in der Besetzung mit zwei Berufsrichtern und zwei Schöffen entschieden.
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist die Entscheidung über die Eröffnung des Hauptverfahrens und die Zulassung der Anklage, auch wenn sie in bereits laufender Hauptverhandlung vorgenommen wird, von der Großen Straf- oder Jugendkammer stets in der Besetzung außerhalb der Hauptverhandlung, mithin mit drei Berufsrichtern unter Ausschluss der Schöffen zu treffen (§ 199 Abs. 1 StPO i. V. m. § 76 Abs. 1 Satz 2 GVG, § 33b Abs. 1 und 7, § 33a Abs. 2 JGG). Ergeht die Entscheidung nicht in der gesetzlich vorgeschriebenen Besetzung, ist sie unwirksam (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 2. November 2005 – 4 StR 418/05, Urteil vom 20. Mai 2015 – 2 StR 45/14 und Beschluss vom 28. Juli 2015 – 4 StR 598/14), was ein im selben Verfahren nicht mehr behebbares Verfahrenshindernis zu Folge hat (vgl. BGH, Beschluss vom 4. August 2016 – 4 StR 230/16) und deshalb zur Einstellung des Verfahrens nach § 206a Abs. 1 StPO führt, soweit es von diesem Mangel betroffen ist (zum Ganzen BGH, Beschluss vom 18. Juli 2019 – 4 StR 310/19, Rn. 3).”
Rz. 4
Dem schließt sich der Senat an. Das Verfahrenshindernis erfasst nach § 357 StPO die Verurteilung der beiden Nichtrevidenten (vgl. BGH, Beschluss vom 19. November 2002 – 3 StR 395/02, StV 2004, 61, 62); hinsichtlich des Mitangeklagten H. gilt dies jedoch nicht in Bezug auf die lediglich mit abgeurteilte Einzeltat (II.B.1 der Urteilsgründe). Einer Aufhebung des angefochtenen Urteils, das mit der Einstellung gegenstandslos wird, bedarf es nicht (vgl. BGH, Beschluss vom 17. November 2020 – 6 StR 337/20 Rn. 3 mwN).
Rz. 5
Die Schuldsprüche waren wie aus der Entscheidungsformel ersichtlich zu ändern. Den Strafaussprüchen betreffend den Angeklagten B. und den Nichtrevidenten M. sowie dem den Nichtrevidenten H. betreffenden Gesamtstrafenausspruch ist schon durch die teilweise Einstellung des Verfahrens die Grundlage entzogen. Der Senat teilt indessen nicht die Besorgnis, wegen der nicht genannten Untergrenze könne sich die Strafkammer bei dem Angeklagten B. auf eine nicht zulässige „Punktstrafe” festgelegt haben (vgl. BGH, Beschluss vom 11. Oktober 2010 – 1 StR 359/10, NStZ 2011, 170).
Unterschriften
Sander, Feilcke, Tiemann, Fritsche, von Schmettau
Fundstellen
Haufe-Index 14471347 |
NStZ-RR 2021, 217 |
ZWH 2021, 269 |