Verfahrensgang
LG Leipzig (Urteil vom 24.10.2007) |
Tenor
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Leipzig vom 24. Oktober 2007 nach § 349 Abs. 4 StPO im Maßregelausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe
Rz. 1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen besonders schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt und seine Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet. Die Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist sie aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts unbegründet.
Rz. 2
Die Anordnung der Sicherungsverwahrung nach § 66 Abs. 1 StGB beruht letztlich auf einem durchgreifenden Rechtsfehler. Denn das Landgericht hat die Frage der Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt nach § 64 StGB gänzlich unerörtert gelassen und damit auch nicht geprüft, ob der Gefährlichkeit des Angeklagten etwa allein durch eine andere, mildere Maßregel begegnet werden kann (§ 72 Abs. 1 StGB, vgl. BGH StV 2007, 633; BGH, Beschluss vom 6. Dezember 2007 – 3 StR 355/07).
Rz. 3
Die Anordnung einer solchen Maßregel ist angesichts der Feststellungen nicht von vornherein ausgeschlossen. So trank der Angeklagte seit Jahren erhebliche Mengen Alkohol in Form von Bier oder Schnaps. Bei der Tat war er mit einer Blutalkoholkonzentration von über 2,2 Promille alkoholisiert, was die Annahme erheblich verminderter Steuerungsfähigkeit begründete und das Tatgericht zur Strafrahmenverschiebung nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB veranlasste. Zudem ergeben die – insoweit nicht erkennbar vollständigen – Feststellungen, dass der Angeklagte auch bei früheren Straftaten in den letzten Jahren alkoholisiert war. Während seiner Haftzeit besaß er zudem Betäubungsmittel und wurde deswegen verurteilt.
Rz. 4
Eine Auseinandersetzung mit der danach nicht ganz fern liegenden Möglichkeit, der Angeklagte weise einen Hang zum übermäßigen Genuss berauschender Mittel auf, war danach geboten. Allein die auf die Angaben des Angeklagten gestützte Feststellung, er habe „aus Lust und Freude” getrunken, steht der Annahme eines Hanges im Sinne des § 64 StGB nicht entgegen, zumal keine Feststellungen dazu getroffen sind, inwieweit der Konsum von Alkohol oder sonstigen Rauschmitteln die Lebensführung des Angeklagten beeinträchtigt und zu einer psychischen Abhängigkeit geführt hat. Die Erkenntnisse des hinzugezogenen psychiatrischen Sachverständigen zur Frage eines Hanges zum Rauschmittelkonsum werden nicht mitgeteilt. Den Urteilsgründen ist auch nicht etwa zu entnehmen, dass hinsichtlich einer Suchtbehandlung keine hinreichend konkrete Erfolgsaussicht im Sinne des § 64 Satz 2 StGB besteht.
Rz. 5
Wäre ein Hang im Sinne des § 64 StGB zu bejahen, hätte dies im Zusammenhang mit der Anordnung der Sicherungsverwahrung zu der Erörterung gedrängt, inwieweit der Alkoholmissbrauch des Angeklagten die Begehung von Straftaten gefördert hat und eine erfolgreiche Suchtbehandlung etwa zu einer deutlichen Verringerung der Tätergefährlichkeit führen kann. Dies ist nicht bereits deswegen zu verneinen, weil die dargelegten weiteren Persönlichkeitsmängel eine Disposition für die Begehung von Straftaten begründen (vgl. BGHR StGB § 64 Zusammenhang, symptomatischer 2 m.w.N.; BGH NStZ-RR 2007, 171).
Rz. 6
Danach muss über die Frage der Maßregelanordnung nach § 66 und § 64 StGB neu verhandelt und entschieden werden. Hierbei wird zu beachten sein, dass Unsicherheiten über den Erfolg allein der milderen Maßregel zur kumulativen Anordnung von Maßregeln führen (BGHR StGB § 72 Sicherungszweck 5; BGH StV 2007, 633).
Rz. 7
Der Senat weist außerdem darauf hin, dass bei der Anordnung der Sicherungsverwahrung nach § 66 Abs. 1 StGB das Tatgericht präzise darzulegen hat, aufgrund welcher Vorverurteilungen des Angeklagten es die formellen Voraussetzungen des § 66 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 StGB als erfüllt ansieht. Nur so kann das Revisionsgericht überprüfen, ob das Tatgericht hierbei von zutreffenden Maßstäben ausgegangen ist. Hier durfte die letzte Vorverurteilung des Angeklagten nicht als Vortat im Sinne des § 66 Abs. 1 Nr. 1 StGB herangezogen werden, da sie erst nach Begehung der hier abgeurteilten Tat rechtskräftig geworden ist (vgl. BGHSt 35, 6, 11 f.; BGH, Beschluss vom 11. Januar 2008 – 2 StR 541/07). Der freilich unvollständige Revisionsvortrag zu einer Verfahrensrüge gibt schließlich Anlass zu dem Hinweis, dass angesichts der Bedeutung der zeitlich unbefristeten Maßregel als einer der schärfsten Sanktionen des Strafrechts korrekt darzulegen ist, auf welche Beurteilungsgrundlage sich der zwingend hinzuziehende Sachverständige bei der Erstattung des Gutachtens gestützt hat.
Unterschriften
Basdorf, Raum, Brause, Schaal, Schneider
Fundstellen
Haufe-Index 2565451 |
NStZ 2009, 87 |
StV 2008, 517 |