Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Urteil vom 22.10.2015) |
Tenor
1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 22. Oktober 2015 mit den jeweils zugehörigen Feststellungen aufgehoben,
- soweit es den Angeklagten D. betrifft,
- soweit es den Angeklagten B. betrifft im Fall II. 2. der Urteilsgründe und im Ausspruch über die Gesamtstrafe.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weitergehende Revision des Angeklagten B. wird verworfen.
Gründe
Rz. 1
Das Landgericht hat den Angeklagten B. wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen, in einem Fall in Tateinheit mit Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten und den Angeklagten D. wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten verurteilt und eine Einziehungsentscheidung getroffen. Dagegen richten sich die auf die Verletzung formellen und sachlichen Rechts gestützten Revisionen der Angeklagten. Das Rechtsmittel des Angeklagten D. hat in vollem Umfang Erfolg, das Rechtsmittel des Angeklagten B. hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
Rz. 2
1. Den Verfahrensrügen bleibt aus den Gründen der Antragsschriften des Generalbundesanwalts vom 19. August 2016 der Erfolg versagt.
Rz. 3
2. Die materiellrechtliche Überprüfung des angefochtenen Urteils aufgrund der Revision des Angeklagten B. hat zum Schuldspruch im Fall II. 1. der Urteilsgründe und hinsichtlich der insoweit verhängten Freiheitsstrafe von einem Jahr und vier Monaten keinen Rechtsfehler zum Nachteil dieses Angeklagten ergeben.
Rz. 4
3. Hingegen hat das Urteil keinen Bestand, soweit die Angeklagten im Fall II. 2. der Urteilsgründe wegen tateinheitlich begangenem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und wegen Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verurteilt worden sind.
Rz. 5
a) Nach den insoweit getroffenen Feststellungen des Landgerichts bestellte der Mitangeklagte M. Anfang Dezember 2013 bei seinem Lieferanten in den Niederlanden 5 kg Marihuana und kündigte ihm telefonisch an, die Betäubungsmittel abzuholen. M. „bestellte sodann die Angeklagten B. und D. telefonisch zu sich, um mit diesen gemeinsam die Einkaufsfahrt in die Niederlande anzutreten”.
Rz. 6
Die drei Angeklagten begaben sich am 9. Dezember 2013 mit dem Mietwagen des Mitangeklagten M. nach N., wo M. mehr als 5,2 kg Marihuana erwarb. „Das Rauschgift bewahrten sie in einem weiteren Mietfahrzeug […] auf, welches von einem unbekannt gebliebenen Kurier gesteuert wurde”. Die Angeklagten fuhren mit dem Mietwagen des M. vor, der Kurier fuhr mit seinem mit Rauschgift beladenen Fahrzeug in einem „gewissen Abstand” dahinter. „Dabei steuerte der Angeklagte M. den Kurier während der Fahrt per Mobiltelefon, indem er Anweisungen zu dessen Fahrweise gab und sich mit ihm über mögliche Auffälligkeiten auf der Strecke austauschte, sollte doch verhindert werden, dass dieser in eine Polizei- oder Zollkontrolle geriet”. Beide Fahrzeuge erreichten sodann F., wo das Rauschgift auf einem Parkplatz in das Mietfahrzeug des M. umgeladen wurde. Die Betäubungsmittel, die zum gewinnbringenden Verkauf durch die Angeklagten bestimmt waren, wurden in der weiteren Folge in unterschiedlichen Mengen auf die Angeklagten aufgeteilt.
Rz. 7
b) Diese Feststellungen tragen die vom Landgericht in Bezug auf die Einfuhr der Betäubungsmittel angenommene Mittäterschaft der Angeklagten (§ 25 Abs. 2 StGB) nicht. Zwar erfordert der Tatbestand der unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln keinen eigenhändigen Transport der Betäubungsmittel über die Grenze, so dass Mittäter nach § 25 Abs. 2 StGB grundsätzlich auch ein Beteiligter sein kann, der das Rauschgift nicht selbst in das Inland verbringt. Voraussetzung dafür ist nach den auch hier geltenden Grundsätzen des allgemeinen Strafrechts aber ein die Tatbegehung objektiv fördernder Beitrag, der sich als ein Teil der Tätigkeit aller darstellt und der die Handlungen der anderen als Ergänzung des eigenen Tatanteils erscheinen lässt. Hierzu ist eine wertende Gesamtbetrachtung erforderlich (BGH, Beschluss vom 14. Februar 2017 – 4 StR 578/16, NStZ-RR 2017, 146 mwN). Von besonderer Bedeutung sind dabei der Grad des eigenen Interesses am Taterfolg, der Einfluss bei der Vorbereitung der Tat und der Tatplanung, der Umfang der Tatbeteiligung und die Teilhabe an der Tatherrschaft oder jedenfalls der Wille dazu, so dass die Durchführung und der Ausgang der Tat maßgeblich auch von dem Willen des Betreffenden abhängen. Entscheidender Bezugspunkt ist der Einfuhrvorgang selbst (vgl. Senat, Beschlüsse vom 3. Mai 2017 – 2 StR 364/16 und vom 15. März 2017 – 2 StR 23/16 jew. mwN). Das bloße Interesse an dessen Gelingen genügt nicht, wenn der Betreffende keine Tatherrschaft oder zumindest Tatherrschaftswillen hat (BGH, Beschlüsse vom 8. September 2016 – 1 StR 232/16, StV 2017, 295 f. und vom 2. Juni 2016 – 1 StR 161/16, StV 2017, 285, 286).
Rz. 8
Nach diesen Grundsätzen kann die Verurteilung jeweils wegen mittäterschaftlicher unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge – wie die Revisionen zu Recht einwenden – keinen Bestand haben. Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen des Landgerichts beschränken sich darauf, dass die Angeklagten zwar wussten, dass die Betäubungsmittel in dem weiteren Kurierfahrzeug eingebaut waren und mitbekommen haben dürften, dass der Mitangeklagte M. den Kurier während der Fahrt per Mobiltelefon „steuerte”; weitere Umstände, aus denen sich ein gewisser Einfluss der Angeklagten B. und D. auf den Einfuhrvorgang als solchen ergeben würde – etwa die Festlegung der einzuhaltenden Fahrroute, telefonische Anweisungen an den Kurier oder ähnliches – hat das Landgericht ebenso wenig festgestellt wie sonstige Umstände, die den Täterwillen hinsichtlich der Einfuhr tragfähig begründen. Der vom Landgericht als wesentlich angesehene Tatbeitrag der anschließenden Lagerung der Betäubungsmittel durch die Angeklagten und die gemeinsame Verkaufsabsicht weisen nicht den hier erforderlichen Bezug zum Einfuhrvorgang selbst auf. Auch der – nicht unbedenkliche – Erfahrungssatz, wonach „zu der Abwicklung von Drogengeschäften in der vorliegenden Größenordnung in aller Regel weitere Personen mitgenommen werden, da zunächst eine größere Menge Geld, anschließend größere Mengen Betäubungsmittel vorhanden sind”, die zu schützen seien, rechtfertigt nach den oben dargestellten Grundsätzen keine andere Beurteilung. Ein maßgebliches Abhängen der Durchführung und des Ausgangs der Einfuhr der Betäubungsmittel auch vom Willen der Angeklagten B. und D. lässt sich aus den Feststellungen damit nicht ableiten. Diese rechtfertigen gegebenenfalls eine Verurteilung der Angeklagten wegen (tateinheitlicher) Beihilfe zur Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (BGH, Beschlüsse vom 24. April 1997 – 4 StR 151/97, StV 1998, 598; vom 22. April 1997 – 4 StR 133/97, StV 1998, 597 und vom 22. März 1991 – 3 StR 34/91, BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Einfuhr 21). Es erscheint jedoch nicht ausgeschlossen, dass der neue Tatrichter im Rahmen einer neuen Hauptverhandlung Feststellungen treffen kann, die eine Verurteilung wegen mittäterschaftlicher Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge rechtfertigen.
Rz. 9
Die Aufhebung des Schuldspruchs wegen Einfuhr von Betäubungsmitteln bedingt auch die Aufhebung des – für sich genommen rechtsfehlerfreien – Schuldspruchs wegen tateinheitlich verwirklichten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge sowie – hinsichtlich des Angeklagten B. – der Gesamtstrafe.
Unterschriften
Appl, Eschelbach, Zeng, Grube, RiBGH Schmidt ist wegen Urlaubs an der Unterschrift gehindert. Appl
Fundstellen
Dokument-Index HI11144383 |