Verfahrensgang
LG Trier (Urteil vom 21.09.2017) |
Tenor
1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Trier vom 21. September 2017 wird mit der Maßgabe als unbegründet verworfen, dass
- die Einzelfreiheitsstrafe für die Tat II. Fall 2 der Urteilsgründe auf drei Monate und die Gesamtfreiheitsstrafe auf ein Jahr und sieben Monate herabgesetzt wird, und
- die Aussetzung der Vollstreckung der Gesamtfreiheitsstrafe zur Bewährung entfällt.
2. Der Angeklagte trägt die Kosten seines Rechtsmittels.
Gründe
Rz. 1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen vorsätzlichen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr in Tateinheit mit Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, versuchter gefährlicher Körperverletzung in vier tateinheitlichen Fällen, versuchter Zerstörung wichtiger Arbeitsmittel und mit unerlaubtem Besitz von Betäubungsmitteln sowie wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte in Tateinheit mit versuchter gefährlicher Körperverletzung zu der Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und acht Monaten verurteilt und die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Die Vollstreckung der Gesamtfreiheitsstrafe und der Maßregel hat es zur Bewährung ausgesetzt. Hiergegen richtet sich die mit der Rüge der Verletzung materiellen Rechts begründete Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
Rz. 2
1. Die Revision führt zur Herabsetzung der Einzelfreiheitsstrafe für die unter II. Fall 2 der Urteilsgründe abgeurteilte Tat des Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte in Tateinheit mit versuchter gefährlicher Körperverletzung sowie der Gesamtfreiheitsstrafe.
Rz. 3
Die Strafkammer hat für diese Tat mit an sich rechtsfehlerfreien Erwägungen die Einzelfreiheitsstrafe von sechs Monaten verhängt, hierbei aber übersehen, dass gegen den Angeklagten für die nämliche Tat mit Urteil des Amtsgerichts Trier vom 25. April 2016 auf eine Freiheitsstrafe von drei Monaten erkannt worden war. Da gegen das Urteil des Amtsgerichts Trier vom 25. April 2016 allein der Angeklagte Berufung eingelegt hatte, hätte das Landgericht das Verschlechterungsverbot des § 331 Abs. 1 StPO beachten müssen und nicht auf eine die Dauer von drei Monaten übersteigende Freiheitsstrafe erkennen dürfen. Denn das Verbot der reformatio in peius nach § 331 Abs. 1 StPO gilt auch dann, wenn das Landgericht die Sache gemäß § 328 Abs. 2 StPO an eine große Strafkammer verwiesen oder – wie hier – in entsprechender Anwendung des § 225a StPO vorgelegt hat, die sodann als erstinstanzliches Gericht entscheidet (vgl. BGH, Beschlüsse vom 21. Juni 2017 – 4 StR 386/16 Rn. 3; vom 24. September 2014 – 2 StR 235/14 Rn. 9; vom 29. Oktober 2009 – 3 StR 141/09, NStZ-RR 2010, 284, 285; vom 10. Januar 2008 – 4 StR 626/07 Rn. 3 f.; aA Meyer-Goßner in Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 61. Aufl., § 331 Rn. 4a). Der Verstoß gegen das Verschlechterungsverbot ist im Revisionsverfahren von Amts wegen zu berücksichtigen (vgl. BGH, Beschluss vom 10. Januar 2008 – 4 StR 626/07 aaO).
Rz. 4
Der Senat setzt die Einzelfreiheitsstrafe entsprechend dem Antrag des Generalbundesanwalts in analoger Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO auf drei Monate fest. Es ist auszuschließen, dass die Strafkammer bei Beachtung des Verschlechterungsverbots auf Geld- oder eine niedrigere Freiheitsstrafe erkannt hätte. Um jedwede Beschwer des Angeklagten zu vermeiden, setzt der Senat zudem die Gesamtfreiheitsstrafe auf das sich aus der Regelung des § 54 Abs. 1 Satz 2 StGB ergebende Mindestmaß von einem Jahr und sieben Monaten herab.
Rz. 5
2. Der Ausspruch über die Aussetzung der Vollstreckung der Gesamtfreiheitsstrafe zur Bewährung kann nicht bestehen bleiben. Die Strafe war bereits im Zeitpunkt des Urteils durch den mehr als ein Jahr und zehn Monate andauernden Freiheitsentzug infolge des Vollzugs von Untersuchungshaft und einstweiliger Unterbringung voll verbüßt (§ 51 Abs. 1 Satz 1 StGB). Von der Möglichkeit, gemäß § 51 Abs. 1 Satz 2 StPO von der Anrechnung abzusehen, hat das Landgericht keinen Gebrauch gemacht. Ist aber die Strafe durch die Anrechnung bereits vollständig erledigt, scheidet eine Strafaussetzung zur Bewährung schon begrifflich aus (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 24. März 1982 – 3 StR 29/82, BGHSt 31, 25, 27; Beschlüsse vom 13. Mai 2003 – 4 StR 162/03, BGHR StGB § 56 Aussetzung 1; vom 12. Februar 2014 – 1 StR 36/14, NStZ-RR 2014, 138 [Ls]; vom 8. August 2017 – 3 StR 179/17).
Rz. 6
Da die Regelung des § 67b Abs. 1 Satz 2 StGB an die noch bevorstehende Verbüßung einer Freiheitsstrafe anknüpft, wird die bewährungsweise Aussetzung der Maßregelvollstreckung durch den Wegfall der Strafaussetzung zur Bewährung infolge vollständiger Erledigung der Gesamtfreiheitsstrafe durch Anrechnung erlittenen Freiheitsentzugs nicht berührt (vgl. BGH, Beschluss vom 25. August 1993 – 5 StR 500/93, StV 1994, 260). Während die Bewährungsauflagen durch den Wegfall der Strafaussetzung gegenstandslos geworden sind, haben die im Rahmen der Führungsaufsicht getroffenen Anordnungen unverändert Bestand.
Rz. 7
3. Der nur geringfügige Erfolg der Revision rechtfertigt es nicht, den Angeklagten teilweise von den durch sein Rechtsmittel veranlassten Kosten und Auslagen freizustellen (§ 473 Abs. 4 StPO).
Unterschriften
Sost-Scheible, Cierniak, Franke, Bender, Quentin
Fundstellen
Haufe-Index 11844733 |
NStZ-RR 2020, 270 |