Verfahrensgang
LG Essen (Urteil vom 14.06.2017) |
Tenor
1. Auf die Revision des Angeklagten T. G. wird das Urteil des Landgerichts Essen vom 14. Juni 2017, soweit es ihn betrifft, im Schuldspruch dahin berichtigt, dass der Angeklagte des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit zwei Fällen der unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge sowie des bandenmäßigen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in vier Fällen, davon in zwei Fällen in Tateinheit mit gewerbsmäßiger unerlaubter Abgabe von Betäubungsmitteln an Minderjährige, schuldig ist.
2. Die weiter gehende Revision des Angeklagten T. G. sowie die Revisionen der Angeklagten M. G. und S. H. gegen das vorbezeichnete Urteil werden verworfen.
3. Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Gründe
Rz. 1
Das Landgericht hat die Angeklagten wie folgt verurteilt:
Rz. 2
– den Angeklagten T. G. wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit zwei Fällen der unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (Fall II.2.a) der Urteilsgründe), wegen „bandenmäßigen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen, jeweils in Tateinheit mit bandenmäßiger unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge” (Fälle II.2.b) und e) der Urteilsgründe), und wegen zweier Fälle „des bandenmäßigen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und jeweils mit bandenmäßiger unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und jeweils mit gewerbsmäßiger unerlaubter Abgabe von Betäubungsmitteln an Minderjährige” (Fälle II.2.c) und d) der Urteilsgründe) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten;
Rz. 3
– den Angeklagten M. G. wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zur unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (Fall II.2.a) der Urteilsgründe) zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr sowie – unter Bestehenlassen einer anderweitig erkannten Gesamtgeldstrafe – wegen Beihilfe zum bandenmäßigen unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in vier Fällen (Fälle II.2.b) bis e) der Urteilsgründe) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten;
Rz. 4
– den Angeklagten H. wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit zwei Fällen der unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (Fall II.2.a) der Urteilsgründe), wegen Beihilfe zum bandenmäßigen unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in drei Fällen, jeweils in Tateinheit mit bandenmäßiger unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (Fälle II.2.b) bis d) der Urteilsgründe), und wegen Beihilfe zum bandenmäßigen unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (Fall II.2.e) der Urteilsgründe) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren.
Rz. 5
Darüber hinaus hat das Landgericht Verfalls- und Einziehungsentscheidungen getroffen. Gegen dieses Urteil wenden sich die Angeklagten mit ihren jeweils auf die Rügen der Verletzung formellen und sachlichen Rechts gestützten Revisionen. Das Rechtsmittel des Angeklagten T. G. führt zu der aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Berichtigung des ihn betreffenden Schuldspruchs; im Übrigen sind sowohl seine Revision als auch diejenigen der Angeklagten M. G. und S. H. unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
Rz. 6
1. Die Schuldsprüche zu Fall II.2.a) der Urteilsgründe haben hinsichtlich aller drei Angeklagten Bestand.
Rz. 7
a) Nach den zu diesem Fall getroffenen Feststellungen fuhren die Angeklagten am 17. Juni 2016 gemeinsam in die Niederlande. Dort wollte der Angeklagte T. G. 500 Gramm Marihuana zum gewinnbringenden Weiterverkauf erwerben. Das ihm dort angebotene Marihuana war jedoch von so schlechter Qualität, dass er einen Kauf ablehnte und stattdessen mit dem Lieferanten vereinbarte, in der Folgewoche zurückzukehren und sodann Marihuana besserer Qualität zu erhalten. Am 24. Juni 2016 fuhren die Angeklagten T. G. und H. erneut in die Niederlande. Das dem Angeklagten T. G. nunmehr angebotene Marihuana war von besserer Qualität, jedoch konnte er hiervon nur 300 Gramm erwerben, da ihm keine darüber hinausgehende Menge angeboten wurde; daher vereinbarte man ein drittes Treffen einige Tage später, bei dem die weiteren 200 Gramm geliefert werden sollten. Die bereits erworbenen 300 Gramm Marihuana verbrachte der Angeklagte H. im Kofferraum seines Fahrzeugs nach Deutschland, während sich der Angeklagte T. G. in einem Begleitfahrzeug befand. Am 28. Juni 2016 fand die zuvor vereinbarte dritte Fahrt in die Niederlande statt. Dem Angeklagten T. G. wurden statt der vereinbarten 200 Gramm Marihuana besserer Qualität nunmehr 400 Gramm angeboten, woraufhin er die ihm angebotene Gesamtmenge erwarb und sie – begleitet von ihm selbst und dem Angeklagten M. G.– wiederum durch den Angeklagten H. nach Deutschland verbringen ließ.
Rz. 8
b) Der Senat muss nicht entscheiden, ob die Annahme des Landgerichts zutrifft, dass es sich bei dem dargestellten Geschehen trotz der zwei Einfuhrtaten insgesamt nur um eine materiell-rechtliche Tat der Angeklagten T. G. und H. handelt.
Rz. 9
Zwar wird die Frage, ob mehrere Taten der unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge durch eine einheitliche, jeweils teilidentische Tat des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Tat verbunden werden, in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bislang unterschiedlich beurteilt. Während der 1. und der 2. Strafsenat ebenso wie der erkennende Senat entschieden haben, dass in diesen Fällen eine einheitliche Tat im materiell-rechtlichen Sinne anzunehmen ist (vgl. BGH, Urteile vom 6. Dezember 2017 – 4 StR 395/17, juris Rn. 3 [dort offengelassen]; vom 13. Dezember 2012 – 4 StR 99/12, NStZ-RR 2013, 147, 149; vom 18. Juli 1984 – 2 StR 322/84, BGHSt 33, 4, 6 f.; Vorlagebeschluss vom 22. Mai 2014 – 4 StR 223/13, juris Rn. 9 ff.; Beschlüsse vom 23. Oktober 2014 – 4 StR 377/14, NStZ 2015, 226; vom 22. Oktober 1996 – 1 StR 548/96, NStZ 1997, 136; vom 5. November 1993 – 2 StR 534/93, NStZ 1994, 135; offengelassen in BGH, Urteil vom 22. August 2012 – 2 StR 530/11, BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Konkurrenzen 13; zweifelnd BGH, Beschluss vom 24. Oktober 2013 – 2 ARs 319/13, NStZ-RR 2014, 81), hat der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs eine Verklammerung mehrerer Einfuhrtaten von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge durch ein einheitliches jeweils teilidentisches Delikt des § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG verneint (vgl. BGH, Beschlüsse vom 6. Februar 2014 – 3 ARs 7/13, NStZ-RR 2014, 146; vom 15. Februar 2011 – 3 StR 3/11, juris).
Rz. 10
Vorliegend kann der Senat diese Frage jedoch wiederum offenlassen, da es jedenfalls ausgeschlossen ist, dass die Angeklagten T. G. und H. durch die Annahme jeweils nur einer einheitlichen Tat durch das Landgericht beschwert sind.
Rz. 11
2. Die Schuldsprüche zu den Fällen II.2.b) bis e) der Urteilsgründe haben bei den Angeklagten M. G. und H. uneingeschränkt Bestand, lediglich bei dem Angeklagten T. G. bedarf der Schuldspruch zu diesen Fällen einer Berichtigung.
Rz. 12
a) Bei dem Angeklagten T. G. hält der Schuldspruch insoweit rechtlicher Nachprüfung nicht stand, als ihn die Strafkammer in den Fällen II.2.b) bis e) der Urteilsgründe jeweils neben der – rechtsfehlerfreien – Verurteilung wegen bandenmäßigen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge tateinheitlich wegen bandenmäßiger unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verurteilt hat. Denn nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs verbindet in den Fällen des § 30a Abs. 1 BtMG der Bandenhandel die im Rahmen ein und desselben Güterumsatzes aufeinander folgenden Teilakte, insbesondere auch den Teilakt der unerlaubten Einfuhr, zu einer einzigen Tat im Sinne einer Bewertungseinheit (vgl. BGH, Beschlüsse vom 14. April 2015 – 3 StR 627/14, NStZ 2015, 589, 590; vom 29. September 2009 – 3 StR 322/09, NStZ 2010, 223, 224; vom 1. Juli 2009 – 2 StR 194/09, NStZ-RR 2009, 320; vom 13. Februar 1998 – 4 StR 631/97, NStZ-RR 1999, 219). Insoweit kommt mit Blick auf die identischen Strafrahmen der bandenmäßigen Einfuhr neben dem Bandenhandel keine selbstständige rechtliche Bedeutung zu. Der Senat hat bei dem Angeklagten T. G. den Schuldspruch entsprechend berichtigt.
Rz. 13
b) Hingegen hat bei dem Angeklagten H. der Schuldspruch auch in den Fällen II.2.b) bis d) der Urteilsgründe Bestand. Die Annahme von Tateinheit zwischen Beihilfe zum bandenmäßigen unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und bandenmäßiger unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in diesen Fällen begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Denn der täterschaftlichen bandenmäßigen unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln kommt neben einer Beihilfe zum Bandenhandel ein eigener Unrechtsgehalt zu, so dass Tateinheit möglich ist (vgl. BGH, Urteil vom 19. Juli 2006 – 2 StR 162/06, NStZ 2007, 101, 102; Beschlüsse vom 11. März 2003 – 1 StR 50/03, NStZ-RR 2003, 186 mwN).
Rz. 14
3. Auch die Strafaussprüche halten revisionsrechtlicher Nachprüfung stand.
Rz. 15
a) Bei dem Angeklagten T. G. bleibt der Wegfall der tateinheitlichen Verurteilung wegen bandenmäßiger unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in den Fällen II.2.b) bis e) der Urteilsgründe ohne Auswirkung auf die festgesetzten Strafen, da das jeweilige Tatunrecht unverändert bleibt (vgl. BGH, Beschluss vom 1. Juli 2009 – 2 StR 194/09, juris).
Rz. 16
b) Bei dem Angeklagten H. kann der Senat im Hinblick auf die Strafzumessung für Fall II.2.e) der Urteilsgründe aus den in der Zuschrift des Generalbundesanwalts genannten Gründen dem Zusammenhang der Urteilsgründe entnehmen, dass der vertypte Strafmilderungsgrund der Beihilfe nach § 27 Abs. 2 Satz 2 StGB bereits bei der Annahme eines minder schweren Falles gemäß § 30a Abs. 3 StGB Berücksichtigung gefunden hat.
Rz. 17
4. Der nur geringfügige Erfolg der Revision des Angeklagten T. G. rechtfertigt es nicht, ihn teilweise von den durch sein Rechtsmittel entstandenen Kosten und Auslagen freizustellen (§ 473 Abs. 4 StPO).
Unterschriften
Sost-Scheible, Roggenbuck, Franke, Quentin, Feilcke
Fundstellen
Dokument-Index HI12066939 |