Entscheidungsstichwort (Thema)
erpresserischer Menschenraub
Verfahrensgang
LG Hannover (Urteil vom 22.04.2010) |
Tenor
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Hannover vom 22. April 2010 wird als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO).
Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels und die dem Nebenkläger insoweit entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Gründe
Ergänzend bemerkt der Senat:
Die von der Revision gerügte Verfahrensweise, dass die Kammer 16 Beweisanträge isoliert abgehandelt und wegen tatsächlicher Bedeutungslosigkeit abgelehnt habe, ohne die einzelnen Beweisbehauptungen jeweils in einer Gesamtschau zu würdigen, könnte entgegen der Ansicht des Generalbundesanwalts grundsätzlich einen Rechtsfehler darstellen. Die unterschiedlichen Anträge hatten das gemeinsame Ziel, die Glaubhaftigkeit der Angaben des Mittäters K. und dessen Glaubwürdigkeit in Zweifel zu ziehen. In einem solchen Fall, in dem eine Mehrzahl unter Beweis gestellter Tatsachen gegen die Glaubwürdigkeit sprechen könnte, bedarf es in dem ablehnenden Beschluss einer über die einzelne Beweistatsache hinausgehenden Gesamtwürdigung, warum die zu beweisende Tatsache das Gericht auch im Falle des Nachweises unbeeinflusst gelassen hätte (BGH, Beschluss vom 21. Juni 2006 – 2 StR 57/06, wistra 2006, 385, 386); denn die Ablehnung von Beweisanträgen wegen Bedeutungslosigkeit der Beweisbehauptung darf nicht dazu führen, zugunsten des Angeklagten sprechende Umstände der gebotenen Gesamtabwägung im Rahmen der Beweiswürdigung zu entziehen (vgl. BGH, Urteil vom 3. Mai 1989 – 2 StR 735/88, StV 1990, 292, 293; Beschluss vom 27. März 1990 – 1 StR 13/90, StV 1990, 340; Urteil vom 14. Juli 1992 – 5 StR 231/92, NStZ 1992, 551; LR/Becker, StPO, 26. Aufl., § 244 Rn. 225; KK/Fischer, StPO, 6. Aufl., § 244 Rn. 145).
Indes ist die erhobene Verfahrensrüge unzulässig, soweit die Revision hinsichtlich der ersten zwölf Anträge von den insgesamt 16 genannten eine fehlende Gesamtwürdigung beanstandet. Denn die Revision genügt insofern nicht den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 54. Aufl., § 244 Rn. 85 mwN), da sie den Beschluss, mit dem der zwölfte Antrag („Beweisantrag 029”) abgelehnt wurde, nicht mitteilt, sondern lediglich einen späteren Beschluss. Aus diesem Beschluss ergibt sich lediglich, dass der „Beweisantrag 029” durch einen vorangegangenen Beschluss beschieden worden ist, nicht aber der Inhalt dieses Beschlusses. Dem Senat ist daher die Würdigung der Ablehnungsgründe und somit die Prüfung, ob der Beweisantrag zu Unrecht abgelehnt wurde, nicht möglich. Insbesondere lässt sich nicht klären, ob die von der Revision vermisste umfassende Gesamtwürdigung der zuvor bereits unter Beweis gestellten Tatsachen möglicherweise in dem nicht mitgeteilten Beschluss vorgenommen wurde. Eine solche Gesamtbetrachtung aller vorangegangenen Anträge liegt vor allem deshalb nicht fern, weil die Kammer bereits in einem früheren Beschluss ausdrücklich ausgeführt hatte, dass die dort erörterten Beweisbehauptungen „auch im Zusammenhang mit den weiteren in den bereits abgelehnten Beweisanträgen aufgestellten Beweisbehauptungen, deren Richtigkeit im Rahmen dieses Beschlusses ebenfalls unterstellt wird, die auf die Unglaubwürdigkeit K.s abzielen,” die bisherige Überzeugung der Kammer nicht zu erschüttern vermöge.
Hinsichtlich der vier verbleibenden (nach dem nicht mitgeteilten Beschluss gestellten) Anträge ist die Rüge unbegründet. Diese vier letzten Anträge sind gemeinsam im Urteil beschieden und aus tatsächlichen Gründen als bedeutungslos abgelehnt worden – ohne dass die Bescheidung erst im Urteil von der Revision angegriffen wird. Die Kammer hat im Urteil eine umfangreiche Gesamtwürdigung zur Glaubwürdigkeit K.s sowie der Glaubhaftigkeit seiner Angaben vorgenommen und ist aufgrund dessen rechtsfehlerfrei zum Ergebnis gekommen, „auch Unwahrheiten oder Ungenauigkeiten in Teilen der Aussage” stünden deren Überzeugungskraft im Übrigen nicht entgegen. Vor diesem Hintergrund ergibt sich nicht, dass die Kammer es unterlassen hat, die Vielzahl etwaig unrichtiger Angaben K.s und deren mögliche Auswirkung auf seine Glaubwürdigkeit im Wege einer Gesamtwürdigung in ihre Überlegungen einzubeziehen.
Unterschriften
Becker, Pfister, von Lienen, Mayer, Menges
Fundstellen