Verfahrensgang
LG Bremen (Urteil vom 10.10.2019; Aktenzeichen 321 Js 9884/17 6 KLs (5/19)) |
Tenor
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Bremen vom 10. Oktober 2019 wird verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Gründe
Rz. 1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Betruges in drei Fällen, Beihilfe zur Urkundenfälschung in sechs Fällen, davon in zwei Fällen in Tateinheit mit mittelbarer Falschbeurkundung, und wegen Sichverschaffens falscher amtlicher Ausweise zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt und die Einziehung von 1.100 Euro angeordnet. Die mit Verfahrensrügen und der Sachrüge ausgeführte Revision des Angeklagten ist im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO unbegründet (vgl. Antragsschrift des Generalbundesanwalts). Der Erörterung bedarf lediglich das Folgende:
Rz. 2
1. Die Verfahrensrügen in Zusammenhang mit der vernehmungsersetzenden Verlesung der polizeilichen Vernehmungsniederschriften der Zeugen R., M. und X. sowie der E-Mails des Geschädigten A. bleiben im Ergebnis ohne Erfolg.
Rz. 3
a) Zwar rügt die Revision zu Recht, dass die Verfahrensweise der Strafkammer nicht dem Gesetz entsprach, weil die Vernehmungsniederschriften und E-Mails im allseitigen Einverständnis aller Verfahrensbeteiligten verlesen wurden (vgl. § 251 Abs. 1 Nr. 1 StPO), aber ohne den erforderlichen Gerichtsbeschluss nach § 251 Abs. 4 Satz 1 StPO.
Rz. 4
b) Der Senat schließt allerdings aufgrund der Besonderheiten des vorliegenden Falls aus, dass das Urteil auf dem Rechtsfehler beruht:
Rz. 5
In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist anerkannt, dass das Beruhen des Urteils auf einem Verstoß gegen das Beschlusserfordernis in § 251 Abs. 4 StPO ausgeschlossen werden kann, wenn allen Beteiligten der Grund der Verlesung klar und von der persönlichen Vernehmung der Zeugen keine weitere Aufklärung zu erwarten war (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Juni 2015 – 3 StR 113/15, NStZ 2016, 117; LR-StPO/Cirener/Sander, 27. Aufl., § 251 Rn. 97; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 63. Aufl., § 251 Rn. 45; MüKo-StPO/Kreicker, § 251 Rn. 92, jeweils mwN).
Rz. 6
Beides war vorliegend der Fall. Allen Verfahrensbeteiligten war aufgrund des Verfahrensablaufs klar, dass die Zeugenaussagen nur vernehmungsersetzend verlesen wurden, weil alle damit einverstanden waren und mithin die Voraussetzungen des § 251 Abs. 1 Nr. 1 StPO vorlagen. Auf die Vernehmung der Geschädigten A., M. und X. war zudem allseits verzichtet worden. Von der persönlichen Vernehmung der Zeugen war keine weitere Aufklärung zu erwarten. Die überwiegend im Ausland lebenden Geschädigten konnten im Wesentlichen nur darüber berichten, dass sie bei einem Autokauf über das Internet mit unter bestimmten Namen auftretenden Verkäufern verhandelt, Geld im Voraus auf bestimmte Konten überwiesen und anschließend keinen Gegenwert erhalten hatten. Die Zeugin R. konnte insoweit ohnehin nur von den Angaben des Geschädigten A. ihr gegenüber berichten. Dass die persönliche Vernehmung der Zeugen ein Mehr an relevanter Erkenntnis erbracht hätte, ist ungeachtet entsprechenden – spekulativen – Revisionsvortrags nicht ersichtlich. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass auf einem dem Angeklagten rechtsfehlerfrei zugeordneten Laptop für alle Betrugsfälle umfangreiche Verkaufsunterlagen festgestellt werden konnten. Durch den nachfolgenden Gerichtsbeschluss, wonach von einer Vernehmung der Geschädigten A., M. und X. abgesehen werden könne, nachdem alle Verfahrensbeteiligten auf sie verzichtet hätten und auch die Strafkammer eine Vernehmung zur weiteren Sachaufklärung nicht für erforderlich halte, hat das gesamte Gericht zudem konkludent die Verantwortung für die Durchbrechung des Unmittelbarkeitsgrundsatzes diese Zeugen betreffend übernommen (vgl. zu diesem Aspekt BGH, Beschluss vom 10. Juni 2010 – 2 StR 78/10, NStZ 2010, 649). Dies erfasste konkludent auch die Zeugin R., die lediglich mittelbar zu den Angaben des Geschädigten A. hätte bekunden können.
Rz. 7
c) Die insoweit auch erhobene Rüge der Verletzung des § 244 Abs. 2 StPO erweist sich bereits deswegen als unzulässig, weil nicht vorgetragen wird, was die Strafkammer zur Erhebung des vermissten Beweises hätte drängen müssen. Den Behauptungen der Revision, die Zeugen hätten den Angeklagten als Täter ausgeschlossen, fehlt es an Anknüpfungstatsachen.
Rz. 8
2. Die Rüge einer Verletzung von § 261 StPO betreffend den Inhalt eines Sachverständigengutachtens zu DNA-Treffern bleibt ebenfalls ohne Erfolg. Zwar stellt die Strafkammer in den Urteilsgründen ausdrücklich darauf ab, dass das Gutachten „verlesen” und von der Sachverständigen „erläutert” wurde. Dies stellt jedoch lediglich eine ordnungsgemäße Einführung der von der Strafkammer in den Urteilsgründen wiedergegebenen Tabelleninhalte aufgrund der Vielzahl dort wiedergegebener Zahlen in Frage, nicht hingegen die Einführung der Ergebnisse des Gutachtens, die eine Zuordnung der Spuren an den Angeklagten als wahrscheinlich erscheinen lassen. Da sich die Sachverständige mündlich zum Inhalt ihres Gutachtens erklärt hat, können die letztgenannten Inhalte ohne weiteres – wie der Vorsitzende in seiner dienstlichen Erklärung vorgetragen hat – mündlich von ihr erläutert und auf diese Weise zum Gegenstand der Hauptverhandlung gemacht worden sein. Ohne eine dem Revisionsgericht verwehrte Rekonstruktion der Beweisaufnahme lässt sich insoweit nicht feststellen, ob tatsächlich ein Verstoß gegen § 261 StPO vorliegt, auf dem das Urteil beruht.
Rz. 9
3. Im Ergebnis ohne Erfolg bleibt letztlich auch die Inbegriffsrüge (§ 261 StPO), mit der beanstandet wird, im Urteil verwertete Kontoauszüge der Postbank und der Commerzbank seien nicht durch Verlesung in die Hauptverhandlung eingeführt worden, obwohl sich die Strafkammer in den Urteilsgründen auf „verlesene” Auszüge stützt.
Rz. 10
Auch insoweit beruht das Urteil nicht auf dem Rechtsfehler (§ 337 Abs. 1 StPO). Den Vorwurf der Beihilfe zur Urkundenfälschung im Zusammenhang mit dem Abschluss eines Mietvertrages hat die Strafkammer auf eine Vielzahl weiterer aussagekräftiger Beweismittel gestützt, so dass die Frage, von welchem Konto die Miete für die angemieteten Büroräume bezahlt wurde, letztlich ohne durchgreifende Relevanz war. Die Abhebung von 23.000 Euro wenige Tage nach Einzahlung der Stammeinlage von 25.000 Euro auf dem Konto der Commerzbank haben hingegen auch der Angeklagte und der Zeuge K. glaubhaft berichtet, so dass es nicht mehr darauf ankam, dass dies auch durch die Kontoauszüge belegt wird.
Unterschriften
Cirener, Berger, Gericke, Mosbacher, Resch
Fundstellen
Haufe-Index 14025628 |
NStZ 2020, 624 |
NStZ-RR 2021, 134 |