Entscheidungsstichwort (Thema)
schwere Brandstiftung
Leitsatz (amtlich)
Beim Inbrandsetzen ein und desselben fremden Gebäudes wird der Tatbestand der Brandstiftung nach § 306 Abs. 1 Nr. 1 StGB (i.d.F. des 6. StrRG) durch denjenigen der schweren Brandstiftung gemäß § 306a Abs. 1 Nr. 1 (hier: Inbrandsetzen eines Gebäudes, das der Wohnung von Menschen dient) verdrängt.
Normenkette
StGB § 306 Abs. 1 Nr. 1 Fassung: 13. November 1998, § 306a Abs. 1 Nr. 1 Fassung: 13. November 1998
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Waldshut-Tiengen vom 30. März 2000 wird mit der Maßgabe als unbegründet verworfen, daß die tateinheitliche Verurteilung wegen Brandstiftung (§ 306 Abs. 1 Nr. 1 StGB) entfällt.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Gründe
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Brandstiftung in Tateinheit mit schwerer und versuchter besonders schwerer Brandstiftung zur Freiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt. Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten führt lediglich zu einer Änderung des Schuldspruchs, bleibt im übrigen aber ohne Erfolg.
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts legte der Angeklagte nächtens im Gasthof „E.” in H., wo er als Auszubildender tätig war, einen Brand. Im Gebäude, das im Eigentum seines Lehrherrn stand, befanden sich zu diesem Zeitpunkt 24 Personen, darunter 17 Übernachtungsgäste, die alle im ersten Obergeschoß und teilweise über dem in Brand gesetzten Raum schliefen. Der Angeklagte hielt für möglich, daß das Feuer auf das Obergeschoß und die anderen Stockwerke übergreifen und so die Gesundheit dieser Menschen durch Brandverletzungen oder Rauchvergiftungen erheblich beeinträchtigen könne. Da eine junge Frau, deren Zimmer sich alsbald mit Rauch gefüllt hatte, aufwachte, kam es zu einem schnellen Eingreifen der Feuerwehr. Dadurch blieb der Brand im wesentlichen auf den Raum beschränkt, in welchem der Angeklagte ihn gelegt hatte. Dort hatte das Feuer bereits die hölzernen Deckenbalken ergriffen; u.a. hatte auch der fest mit dem Boden verklebte Teppichboden weiter gebrannt, nachdem das als Brandbeschleuniger eingesetzte Benzin verbraucht war.
2. Rechtlich hat das Landgericht dies als versuchte besonders schwere Brandstiftung (§ 306b Abs. 1, § 22 StGB) gewürdigt, weil der bedingte Vorsatz des Angeklagten sich auf eine Gesundheitsbeschädigung einer großen Zahl von Menschen bezogen habe. Darüber hinaus hat es die Tatbestände der (einfachen) Brandstiftung (in der Variante des § 306 Abs. 1 Nr. 1 StGB) und der schweren Brandstiftung (in der Variante des § 306a Abs. 1 Nr. 1 StGB) als erfüllt angesehen. Dagegen ist von Rechts wegen nichts zu erinnern (vgl. zur Auslegung des Merkmals einer „großen Zahl von Menschen” in § 306b Abs. 1 StGB: BGH NStZ 1999, 84 f.).
3. Indessen hält die Annahme von Tateinheit zwischen der (einfachen) Brandstiftung und der (hier vollendeten) schweren Brandstiftung rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Vielmehr wird bei der Inbrandsetzung ein und desselben fremden Gebäudes die Brandstiftung nach § 306 Abs. 1 Nr. 1 StGB (Inbrandsetzen eines fremden Gebäudes) durch den Tatbestand der schweren Brandstiftung gemäß § 306a Abs. 1 Nr. 1 (hier: Inbrandsetzen eines Gebäudes, das der Wohnung von Menschen dient) verdrängt. Für die Fassung der entsprechenden Tatbestände vor dem Inkrafttreten des 6. StrRG war dies in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs anerkannt (siehe zum Verhältnis von § 308 Abs. 1 StGB aF zu § 306 Nr. 2 StGB aF: BGH StV 1984, 246; BGHR StGB § 308 Abs. 1 aF Konkurrenzen 1, 2; BGH, Urteil vom 30. November 1993 – 1 StR 637/93; Beschluß vom 22. Oktober 1997 – 2 StR 485/97; Beschluß vom 12. März 1998 – 1 StR 708/97). An dieser Rechtsprechung hält der Senat auch für die durch das 6. StrRG umgestalteten Tatbestände fest (wie hier Lackner/Kühl StGB 23. Aufl. § 306 Rdn. 6; a.A.: Tröndle/Fischer StGB 49. Aufl. § 306 Rdn. 20; SK Horn § 306 Rdn. 21).
Während der Grundtatbestand des § 306 Abs. 1 Nr. 1 StGB lediglich fremde Gebäude vor dem Inbrandsetzen schützen soll, erweitert der Tatbestand des § 306a Abs. 1 Nr. 1 StGB diesen Schutz. Er erfaßt sowohl fremde wie eigene Gebäude und fügt ein weiteres Merkmal hinzu: das Gebäude muß der Wohnung von Menschen dienen. Liegen die Voraussetzungen dieses Tatbestandes (§ 306a Abs. 1 Nr. 1 StGB) vor, wird – wenn es sich um ein fremdes Gebäude handelt – der Unrechtsgehalt des § 306 Abs. 1 Nr. 1 StGB vollständig miterfaßt; alle seine Merkmale sind in § 306a Abs. 1 Nr. 1 StGB enthalten. Dem kann nicht mit Erfolg entgegengehalten werden, beide Tatbestände schützten unterschiedliche Rechtsgüter: der erste das (fremde) Eigentum, der zweite Leben und Gesundheit (so aber SK Horn § 306 Rdn. 21; vgl. Tröndle/Fischer aaO § 306 Rdn. 20). Eine solche Betrachtung griffe zu kurz. Auch bei der Tatbestandsvariante des Inbrandsetzens eines der Wohnung von Menschen dienenden Gebäudes (§ 306a Abs. 1 Nr. 1 StGB) wird dann, wenn dieses ein fremdes ist, zwangsläufig neben Leib und Leben auch das fremde Eigentum geschützt. Das ergibt sich schon aus der Fassung des Tatbestandes, der uneingeschränktjedes Gebäude zum tauglichen Tatobjekt erhebt. Im übrigen ist auch der Grundtatbestand des § 306 Abs. 1 Nr. 1 StGB nicht etwa ausschließlich als „qualifiziertes Sachbeschädigungsdelikt” zu charakterisieren. Ihm haftet vielmehr auch ein Element der Gemeingefährlichkeit an (vgl. Gesetzentwurf BT-Drucks. 13/8587 S. 87; Radtke ZStW 110 (1998), 848, 861). Das findet nicht zuletzt in seiner systematischen Stellung im Abschnitt über die gemeingefährlichen Straftaten seine Bestätigung. Hinzu kommt, daß der gerade in der Fremdheit des Gebäudes gründende Teil des Schuldgehalts bei einer Verurteilung wegen „Brandstiftung in Tateinheit mit schwerer Brandstiftung” im Schuldspruch selbst nur unvollkommen Ausdruck fände, weil er sich in der Deliktsbezeichnung nicht widerspiegeln würde. Eine solche Tenorierung wäre eher eigentümlich, weilein Brandstiftungsakt ein und demselben Gebäude gilt. Die etwaige Fremdheit des in Brand gesetzten Gebäudes kann hingegen bei der Strafzumessung im Rahmen des § 306a Abs. 1 Nr. 1 StGB im Blick auf die verschuldeten Auswirkungen der Tat (vgl. § 46 Abs. 2 StGB) angemessen berücksichtigt werden. Das wird regelmäßig im Zusammenhang mit der Höhe des angerichteten Schadens geschehen. Ein Verstoß gegen das Doppelverwertungsverbot (§ 46 Abs. 3 StGB) läge darin nicht, weil das in Rede stehende Merkmal (Gebäude) so weit gefaßt ist, daß es verschiedene Fallgestaltungen abdeckt, die voneinander unterschieden werden können.
4. Der Senat kann den Schuldspruch entsprechend ändern und den Strafausspruch bestehen lassen. Der Unrechtsgehalt des § 306 Abs. 1 Nr. 1 StGB ist in dem Schuldspruch nach § 306a Abs. 1 Nr. 1 StGB enthalten und die vom Landgericht angeführten Strafzumessungsgesichtspunkte sind ersichtlich nicht berührt. Der Senat schließt daher aus, daß die Schuldspruchänderung Einfluß auf die Strafbemessung haben könnte.
5. Die Nachprüfung des angefochtenen Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung hat im übrigen keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO).
6. Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1, Abs. 4 StPO. Es erscheint nicht unbillig, den Beschwerdeführer mit den Kosten zu belasten, weil der Erfolg seines Rechtsmittels lediglich geringfügig ist.
Unterschriften
Schäfer, Nack, Wahl, Schluckebier, Schaal
Fundstellen
Haufe-Index 507877 |
NJW 2001, 765 |
BGHR |
NStZ 2001, 196 |
NStZ 2008, 207 |
Nachschlagewerk BGH |
ZAP 2001, 320 |
StV 2001, 231 |
JAR 2001, 148 |
JURAtelegramm 2001, 123 |
LL 2001, 334 |