Entscheidungsstichwort (Thema)
Vergewaltigung
Tenor
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bonn vom 11. Mai 2001 im Schuldspruch dahin geändert, daß der Angeklagte der Vergewaltigung in Tateinheit mit schwerer räuberischer Erpressung, erpresserischem Menschenraub und Geiselnahme schuldig ist.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels und die der Nebenklägerin insoweit entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Gründe
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit einem räuberischen Angriff auf Kraftfahrer zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt sowie seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt und den Vorwegvollzug von drei Jahren der Freiheitsstrafe angeordnet.
Die mit der Sachrüge begründete Revision des Angeklagten führt zu der aus der Beschlußformel ersichtlichen Änderung des Schuldspruchs. Das weitergehende Rechtsmittel ist unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
1. Das Landgericht hat im wesentlichen festgestellt:
Als die 18-jährige Nebenklägerin zu ihrem geparkten Pkw zurückkehrte, hob der Angeklagte ein 20-30 cm großes Metallstück in Form eines rostigen Winkeleisens auf und folgte ihr. Als sie den Wagen bereits aufgeschlossen und ihre Handtasche hineingelegt hatte, trat er von hinten an sie heran und drückte ihr das Eisen mit der Bemerkung in den Rücken, dies sei ein Überfall. Dem Angeklagten ging es zum einen darum, an die Handtasche der Nebenklägerin zu gelangen, in der er Geld vermutete. Darüber hinaus wollte er sich des Kraftfahrzeugs bemächtigen und dachte bereits zu diesem Zeitpunkt daran, die Situation zu sexuellen Handlungen auszunutzen. Das Winkeleisen wollte er dazu benutzen, notfalls den Widerstand der Nebenklägerin zu brechen.
Die Nebenklägerin dachte, ihr werde ein Messer in den Rücken gehalten. Der Angeklagte drängte sie auf den Fahrersitz und dann weiter auf die Beifahrerseite. Er selbst setzte sich auf den Fahrersitz, ließ sich die Fahrzeugschlüssel geben und fuhr los. Während der Fahrt fragte er die Nebenklägerin nach Geld und ob sie ein Handy habe. Als sie anfing zu weinen, forderte er sie auf, ihn nicht zu nerven, sonst bringe er sie um. Während der Fahrt hielt er das Metallstück zunächst in der rechten Hand, schließlich legte er es griffbereit im Fahrzeug ab.
Als der Angeklagte erstmals auf einem einsamen Parkplatz anhielt, mußte sich die Nebenklägerin ausziehen und sollte ihn oral befriedigen. Der Angeklagte drückte den Kopf der sich sträubenden Nebenklägerin auf seinen Penis. Es kam zum Oralverkehr bis zum Samenerguß.
Danach setzte der Angeklagte die Fahrt fort mit dem Bemerken, er sei noch nicht fertig. Er hielt nunmehr auf einem abgelegenen Feldweg. Er zwang die Nebenklägerin, sich auf das Dach des Fahrzeugs zu setzen und manipulierte mit seinen Fingern und der Zunge an ihrer Scheide. Anschließend mußte sich die Nebenklägerin auf die Motorhaube ihres Fahrzeugs setzen. Dort vollzog der Angeklagte ungeschützten Geschlechtsverkehr. Außerdem mußte die Nebenklägerin dem Angeklagten bei diesem Halt ihr Papiergeld (20 DM) aushändigen.
Danach ließ der Angeklagte die Nebenklägerin wieder in ihr Fahrzeug einsteigen und fuhr mit ihr bis zum Parkplatz eines Einkaufsmarkts. Dort ließ er sich von der Nebenklägerin auch das Kleingeld aushändigen, damit sie nicht telefonieren könne. Bevor sich der Angeklagte entfernte drohte er, er werde ihrer Familie etwas antun, wenn sie zur Polizei gehe.
2. Der Angeklagte hat bei diesem Tatgeschehen keinen räuberischen Angriff auf Kraftfahrer, sondern eine schwere räuberische Erpressung begangen.
a) Die Voraussetzungen des § 316 a Abs. 1 StGB sind nicht gegeben. Der Tatbestand setzt voraus, daß der Angriff auf den Fahrer oder Beifahrer unter Ausnutzung der besonderen Verhältnisse des Straßenverkehrs erfolgt. Eine solche, die hohe Strafdrohung des § 316 a StGB rechtfertigende Gefahrenlage besteht vor allem während des Fahrvorgangs; sie kann auch während eines verkehrsbedingten und im Einzelfall auch während eines sonstigen kurzfristigen Halts vorliegen. Sie besteht aber nicht, wenn der Täter, wie hier der Angeklagte, als er sich des Tatopfers bemächtigte, zu Fuß an ein geparktes Kraftfahrzeug herantritt, um dessen noch auf der Straße stehende Fahrerin zu berauben oder zu erpressen; auch der Transport eines Tatopfers mit einem Kraftfahrzeug an einen Ort, an dem ein Raub oder eine Erpressung ausgeführt werden soll, erfüllt in einem solchen Fall den Tatbestand nicht (BGH, Urt. v. 17. August 2001 – 2 StR 197/01 – m.w.N.). Im vorliegenden Fall erfolgte der Angriff auf die Nebenklägerin auf dem Parkplatz, auf dem sie das Fahrzeug abgestellt hatte, nicht aber während eines Fahrvorgangs oder eines verkehrsbedingten Anhaltens.
b) Der Angeklagte hat jedoch eine schwere räuberische Erpressung (§ 255, § 253, § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB) begangen, indem er das Tatopfer während der fortwirkenden Bedrohung beim zweiten und dritten Anhalten veranlaßte, ihm zunächst das Papiergeld und sodann das Kleingeld auszuhändigen (UA S. 12, 21). Hierbei hat er das Winkeleisen als gefährliches Werkzeug zur Bedrohung des Tatopfers verwendet. Das Landgericht stellt zutreffend fest, daß mit dem Winkeleisen in der Hand des kräftigen Angeklagten lebensgefährliche Verletzungen verursacht werden können. Dementsprechend groß sei auch der Einschüchterungseffekt gewesen, den sich der Angeklagte bei der Tat gezielt zunutze gemacht habe (UA S. 20/21). Damit hat der Angeklagte das gefährliche Werkzeug aber nicht nur bei sich geführt, sondern zur Tatausführung verwendet, um sein Tatopfer zu bedrohen und einzuschüchtern.
3. Das Landgericht hat im übrigen den Unrechtsgehalt des Tatgeschehens – trotz der Beschränkung der Strafverfolgung gemäß § 154 a Abs. 1 StPO bei der Anklageerhebung – nicht erschöpft.
a) Die vom Angeklagten begangene Vergewaltigung erfüllt die Qualifikation des § 177 Abs.4 Nr. 1 StGB und nicht nur – wie das Landgericht annimmt – die des Absatzes 3 Nr. 1. Auch insoweit hat der Angeklagte das Winkeleisen als gefährliches Werkzeug nicht nur bei sich geführt, sondern zur Tat verwendet.
b) Der Angeklagte hat des weiteren einen erpresserischen Menschenraub und eine Geiselnahme (§ 239 a, § 239 b StGB) begangen.
Er hat die Nebenklägerin entführt und deren Sorge um ihr Wohl zu einer Erpressung ausgenutzt. Dem Angeklagten ging es von Anfang an auch darum, das Geld der Nebenklägerin an sich zu bringen, um Wodka kaufen zu können. Während der Entführung hat er die Nebenklägerin zudem mit dem Tod bedroht und zu den festgestellten sexuellen Handlungen genötigt. Auch insoweit hat der Angeklagte nach den Feststellungen des Landgerichts vorsätzlich gehandelt. Zwischen erpresserischem Menschenraub und Geiselnahme besteht hier keine Gesetzeskonkurrenz (Subsidiarität), weil die Geiselnahme nicht allein dem Zweck diente, durch Bedrohung des Tatopfers eine unrechtmäßige Bereicherung zu erlangen, sondern auch dazu, die sexuellen Handlungen zu erreichen (vgl. BGHSt 25, 386; BGH, Urt. vom 19. September 2001 – 2 StR 240/01).
4. Alle vier Tatbestände wurden tateinheitlich verwirklicht (§ 52 StGB).
5. § 265 StPO steht der Änderung und Ergänzung des Schuldspruchs nicht entgegen, weil sich der geständige Angeklagte insoweit nicht erfolgreicher hätte verteidigen können.
Der Rechtsfolgenausspruch kann auch nach der Änderung des Schuldspruchs bestehen bleiben, weil der Unrechts- und Schuldgehalt der Tat hierdurch nicht geringer geworden ist.
Unterschriften
Jähnke, Detter, Bode, Otten, Elf
Fundstellen
Haufe-Index 667158 |
NStZ-RR 2002, 108 |
StV 2002, 363 |