Verfahrensgang
LG Aachen (Urteil vom 13.07.2012) |
Tenor
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Aachen vom 13. Juli 2012
- im Schuldspruch zu den Fällen II.1 und II.2 dahingehend geändert, dass der Angeklagte der falschen Verdächtigung in zwei tateinheitlichen Fällen schuldig ist,
- in den Strafaussprüchen zu den Fällen II.1 und II.2 und im Ausspruch zu der mit der Strafe aus dem rechtskräftigen Urteil des Landgerichts Aachen vom 5. April 2011 (Az. 52 Ks 6/10) gebildeten Gesamtstrafe aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Tatbestand
Rz. 1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen falscher Verdächtigung in zwei Fällen unter Einbeziehung der Strafe aus dem rechtskräftigen Urteil des Landgerichts Aachen vom 5. April 2011 (Az. 52 Ks 6/10) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten und wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr in Tateinheit mit versuchter gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten verurteilt. Außerdem hat es ihm die Fahrerlaubnis entzogen, seinen Führerschein eingezogen und eine Sperrfrist nach § 69a StGB verhängt. Die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg, im Übrigen ist sie offensichtlich unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
Rz. 2
I. Entgegen der Auffassung des Landgerichts hat sich der Angeklagte in den Fällen II.1 und 2 der Urteilsgründe nur einer falschen Verdächtigung in zwei tateinheitlichen Fällen gemäß § 164 Abs. 1, § 52 Abs. 1 StGB schuldig gemacht.
Rz. 3
1. Nach den Feststellungen wurde der Angeklagte am 14. März 2011 auf offener Straße von dem Zeugen I. J. mit einem Hammer angegriffen und verletzt. Bei seiner noch am selben Tag durchgeführten polizeilichen Vernehmung behauptete er vor Beamten der Kreispolizeibehörde H. be- wusst wahrheitswidrig, dass nach der Tat ein Pritschenwagen der Firma H. herangefahren sei und der Zeuge J. eine Tasche mit der Tatwaffe in das Fahrzeug hineingereicht habe. Fahrer des Fahrzeugs sei der Zeuge A. H. gewesen. Ob es sich bei dem Beifahrer um den Zeugen E. H. gehandelt habe, habe er nicht erkennen können. Er gehe aufgrund seiner Beobachtungen davon aus, dass es sich bei dem Angriff auf ihn um einen Auftragsmord des Zeugen E. H. gehandelt habe (Fall II.1 der Urteilsgrün- de). Bei einer am 16. März 2011 von Beamten des Polizeipräsidiums A. durchgeführten zweiten Vernehmung wiederholte und bekräftigte der Angeklagte seine Angaben vom 14. März 2011. Außerdem fügte er hinzu, dass der Beifahrer in seiner Statur dem Zeugen E. H. geglichen habe (Fall II.2 der Urteilsgründe). Bei seinen Aussagen handelte der Angeklagte in der Absicht, die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gegen die Zeugen A. und E. H. zu bewirken. Tatsächlich leitete die Staatsanwaltschaft Aachen gegen beide ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Beteiligung an der Tat des Zeugen J. ein. Das Verfahren wurde am 9. Juli 2011 nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt, weil die Ermittlungen ergeben hatten, dass die beiden Zeugen zur Tatzeit nicht in H. waren und auch sonst keine Hinweise für eine Tatbeteiligung vorlagen. Das Landgericht hat die Aussagen des Angeklagten als falsche Verdächtigung (§ 164 Abs. 1 StGB) in zwei Fällen gewertet und dafür Einzelstrafen in Höhe von jeweils sieben Monaten Freiheitsstrafe festgesetzt.
Rz. 4
2. Der Angeklagte hat bei seiner zweiten polizeilichen Vernehmung am 16. März 2011 die falsche Verdächtigung vom 14. März 2011 lediglich wiederholt. Dabei zielte er auf dasselbe Verfahren ab, dessen Herbeiführung er bereits bei seiner ersten Vernehmung angestrebt hatte. In einem solchen Fall liegt nur eine Tat im Rechtssinne vor (vgl. BGH, Beschluss vom 29. Januar 1992 – 3 StR 518/91, BGHR StGB § 164 Konkurrenzen 1; OLG Koblenz, Beschluss vom 6. Dezember 2010 – 2 Ws 480/10). Der Umstand, dass die zweite Aussage bei einer anderen Polizeidienststelle erfolgte, ändert daran nichts, weil beide Stellen demselben Entscheidungsträger (Staatsanwaltschaft Aachen) zuarbeiteten und kein neues Verfahren in Gang gesetzt wurde (Ruß in LK-StGB, 12. Aufl., § 164 Rn. 34; Lenckner in Schönke/Schröder, StGB, 28. Aufl., § 164 Rn. 37). Da die falschen Angaben des Angeklagten aber darauf gerichtet waren, sowohl E. als auch A. H. mit einem Ermittlungsverfahren zu überziehen, ist von einer falschen Verdächtigung in zwei tateinheitlichen Fällen auszugehen. § 164 StGB dient nicht nur dem Schutz von Behörden vor Irreführung, sondern will auch den Einzelnen vor Maßnahmen irregeführter Behörden schützen (vgl. BGH, Urteil vom 19. September 1961 – 1 StR 326/61, GA 1962, 24; LK/Ruß, aaO).
Rz. 5
Entscheidungsgründe
II. Der Senat hat den Schuldspruch entsprechend geändert. § 265 StPO steht dem nicht entgegen. Die für die Fälle II.1 und II.2 festgesetzten Einzelstrafen waren aufzuheben. Der Aufhebung von Feststellungen bedarf es nicht. Dadurch hat auch die mit der Strafe aus dem rechtskräftigen Urteil des Landgerichts Aachen vom 5. April 2011 gebildete Gesamtstrafe ihre Grundlage verloren. Der Senat weist darauf hin, dass das Verschlechterungsverbot der Verhängung einer Einzelstrafe von mehr als sieben Monaten nicht entgegensteht. Es ist lediglich geboten, dass die Summe der beiden bisherigen Einzelstrafen bei der Bemessung der neu festzusetzenden Einzelstrafe nicht überschritten wird (BGH, Beschluss vom 12. April 2011 – 4 StR 22/11, Tz. 11).
Unterschriften
Mutzbauer, Roggenbuck, Franke, Quentin, Reiter
Fundstellen
Haufe-Index 3516742 |
NStZ-RR 2015, 200 |
StraFo 2013, 79 |