Verfahrensgang
LG Mönchengladbach (Urteil vom 04.07.2014) |
Tenor
1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Mönchengladbach vom 4. Juli 2014
in den Schuldsprüchen dahin abgeändert, dass
- der Angeklagte K. K. des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in 19 Fällen und der Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge,
- der Angeklagte E. des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in sieben Fällen
schuldig sind;
aufgehoben
aa) in den Aussprüchen über die Einzelstrafen, soweit
bb) soweit es die Angeklagten K. K. und E. betrifft, in den Aussprüchen über die Gesamt-strafe; jedoch werden die insoweit bisher getroffenen Feststellungen aufrechterhalten.
2. Die Aussprüche über die Einzelstrafen in den Fällen VII. 18, 22, 24, 29 bis 34, 36 bis 39 sowie 42 bis 44 der Urteilsgründe entfallen. Im Umfang der Aufhebung im Übrigen wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weitergehenden Revisionen werden verworfen.
Gründe
Rz. 1
Das Landgericht hat den Angeklagten K. K. wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in 32 Fällen und wegen Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu der Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt. Gegen den Angeklagten E. hat das Landgericht wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in zehn Fällen eine Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten ausgesprochen, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Die Revisionen der Angeklagten rügen die Verletzung materiellen Rechts und beanstanden das Verfahren. Die Rechtsmittel haben jeweils mit der Sachrüge den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen sind sie aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
Rz. 2
1. Die Schuldsprüche haben, soweit sie die Angeklagten K. K. und E. betreffen, nicht in vollem Umfang Bestand.
Rz. 3
Das Landgericht hat sich zu einer Zusammenfassung der den Angeklagten zur Last gelegten Taten des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln (§ 29 Abs. 1 Nr. 1 StGB) zu Bewertungseinheiten mit der Begründung außer Stande gesehen, es bestehe nur eine „nicht näher konkretisierte Möglichkeit” dahin, dass die jeweils veräußerten Betäubungsmittelmengen ganz oder teilweise aus einem einheitlichen Vorrat stammten. Demgegenüber weist der Generalbundesanwalt zutreffend darauf hin, dass hinsichtlich des Angeklagten K. K. in den Fällen
der jeweils festgestellte enge und ununterbrochene räumliche und zeitliche Zusammenhang zwischen den einzelnen Verkaufsgeschäften die Annahme aufdrängt, dass sie aus einem einheitlichen Vorrat bestritten wurden.
Rz. 4
Der Senat ändert die Schuldsprüche entsprechend ab. § 265 StPO steht dem nicht entgegen, da sich die Angeklagten bei zutreffender rechtlicher Bewertung des Konkurrenzverhältnisses nicht wirksamer hätten verteidigen können.
Rz. 5
2. Dem Antrag des Generalbundesanwalts folgend hält der Senat die in den Fällen 17, 21, 23, 28, 35 und 41 ausgesprochenen Einzelstrafen aufrecht und bringt in den übrigen der unter 1. genannten Fälle die Einzelstrafen in Wegfall.
Rz. 6
Dies führt entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts zur Aufhebung des Urteils auch in den Aussprüchen über die von den Angeklagten K. K. und … E. verwirkten Gesamtstrafen. Die insoweit bisher getroffenen Feststellungen können indes bestehen bleiben, denn sie sind rechtsfehlerfrei getroffen worden (s. § 353 Abs. 2 StPO).
Rz. 7
3. Die gegen den Angeklagten K. K. im Falle VII. 45 der Urteilsgründe ausgesprochene Einzelstrafe wegen Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (§ 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG, § 27 Abs. 1 StGB) begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
Rz. 8
Das Landgericht hat den Strafrahmen des § 29a Abs. 1 BtMG gemäß § 27 Abs. 2, § 49 Abs. 1 StGB gemildert. Von der Annahme eines minder schweren Falles nach § 29a Abs. 2 BtMG hat es mit der Begründung abgesehen, der Unrechts- und Schuldgehalt der Tat weiche auch unter Berücksichtigung des Alters und des Geständnisses des Angeklagten, des Gewichts der Beihilfehandlung, des Scheiterns des in Aussicht genommenen Geschäfts und der langen Verfahrensdauer nicht vom Durchschnitt der erfahrungsgemäß vorkommenden Fälle ab.
Rz. 9
Diese Erwägungen des Landgerichts halten rechtlicher Überprüfung nicht stand.
Rz. 10
Sieht das Gesetz den Sonderstrafrahmen eines minder schweren Falles vor und ist – wie hier gemäß § 27 Abs. 2, § 49 Abs. 1 StGB – auch ein gesetzlich vertypter Milderungsgrund gegeben, so ist bei der Strafrahmenwahl zwar zunächst im Rahmen einer Gesamtwürdigung auf die allgemeinen Strafzumessungsgründe abzustellen. Vermögen bereits diese die Annahme eines minder schweren Falles zu tragen, stehen die den gesetzlich vertypten Milderungsgrund verwirklichenden Umstände noch für eine (weitere) Strafrahmenmilderung nach § 49 StGB zur Verfügung. Scheidet nach Abwägung aller allgemeinen Strafzumessungsumstände jedoch – wie das Landgericht hier für sich gesehen rechtsfehlerfrei angenommen hat – ein minder schwerer Fall aus, so sind zusätzlich die den gesetzlich vertypten Strafmilderungsgrund verwirklichenden Umstände in die gebotene Gesamtabwägung einzubeziehen. Erst wenn der Tatrichter danach weiterhin die Anwendung des milderen Sonderstrafrahmens nicht für gerechtfertigt hält, darf er seiner konkreten Strafzumessung den allein wegen des gesetzlich vertypten Strafmilderungsgrundes herabgesetzten Regelstrafrahmen zugrunde legen (st. Rspr.; vgl. zuletzt Senatsbeschluss vom 5. August 2014 – 3 StR 138/14, juris Nr. 6). Dies hat das Landgericht nicht bedacht. Die zu dieser Einzelstrafe bisher getroffenen Feststellungen haben jedoch ebenfalls Bestand (§ 353 Abs. 2 StPO).
Unterschriften
Becker, Hubert, Schäfer, Mayer, Spaniol
Fundstellen