Verfahrensgang
LG Mosbach (Urteil vom 05.09.2011) |
Tenor
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Mosbach vom 5. September 2011 wird als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO).
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die dem Nebenkläger im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Gründe
Ergänzend bemerkt der Senat:
1. Die durch den Verteidiger Rechtsanwalt H. erhobene Verfahrensrüge der Ablehnung eines aus dem Schriftsatz vom 17. August 2011 gestellten Beweisantrages auf Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Sitzposition des Zeugen K. im Computerzimmer der Wohnung des Angeklagten ist bereits unzulässig. Der Vortrag der Revision genügt nicht den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO.
Rügt der Revisionsführer die Verletzung des Beweisantragsrechts, muss er – neben dem abgelehnten Beweisantrag und dem Ablehnungsbeschluss – auch für die Prüfung der Rüge etwaig notwendige, weitere Verfahrenstatsachen vollständig vortragen (BGHSt 37, 168, 174; Kuckein in Karlsruher Kommentar zur StPO, 6. Aufl., § 344 Rn. 38, 43 mwN). Der Revisionsführer hat jedoch nicht mitgeteilt, dass der abgelehnte Beweisantrag – bei identischem Inhalt und nur minimal abweichendem Wortlaut – unter Ziffer 6 eines Schriftsatzes vom 3. September 2011 erneut gestellt und im Hauptverhandlungstermin vom 5. September 2011 neu beschieden worden ist. Dieser Vortrag wäre jedoch notwendig gewesen; die neue Bescheidung eines wiederholt gestellten Beweisantrages kann etwaige Fehler der ersten Ablehnung heilen, weil – anders als beim Nachschieben von Ablehnungsgründen in den schriftlichen Urteilsgründen (dazu BGHSt 19, 24, 26; BGH NStZ 2000, 437, 438) – der Angeklagte seine Verteidigung auf die neue Beurteilung einstellen kann.
Unbeachtlich bleibt, dass der geschilderte Verfahrensablauf in der bezeichneten Revisionsrechtfertigungsschrift den Gegenstand einer weiteren – ihrerseits unzulässigen – Rüge bildet; auch ein Rückgriff auf das Revisionsvorbringen des weiteren Verteidigers, Rechtsanwalt G., scheidet aus. Es ist nicht die Aufgabe des Revisionsgerichts, den Revisionsvortrag innerhalb eines umfangreichen Revisionsvorbringens oder aus anderen Unterlagen zusammenzufügen oder zu ergänzen (BGH, Beschluss vom 25. September 1986 – 4 StR 496/86, BGHR StPO § 344 Abs. 2 Satz 2 Formerfordernis 1; Urteil vom 30. April 1999 – 3 StR 215/98; Beschluss vom 7. April 2005 – 5 StR 532/04, NStZ 2005, 463).
2. Soweit der Verteidiger Rechtsanwalt H. die Nichteinhaltung einer von der Kammer konstatierten Wahrunterstellung rügt, ist auch diese Rüge unzulässig erhoben. Auch hier genügt der Vortrag nicht den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO, weil zwar der Ablehnungsbeschluss der Jugendschutzkammer vom 5. September 2011 mitgeteilt wird, vom zugrunde liegenden Beweisantrag aus dem Schriftsatz vom 3. September 2011 jedoch nur Beweisbehauptung und Beweismittel, nicht aber die zum Verständnis des Antrags bedeutsame Antragsbegründung. Zwar kann der Umfang des notwendigen Vortrages – insbesondere zum Beweisantrag – beim Vorwurf der Nichteinhaltung einer Wahrunterstellung je nach Angriffsrichtung der Rüge divergieren; bei der Rüge der Verletzung des Beweisantragsrechts ist die (vollständige) Mitteilung des Beweisantrages jedoch erforderlich (vgl. BGH, Urteil vom 6. Juli 1983 – 2 StR 222/83, BGHSt 32, 44, 46). Bei der hier vorliegenden Fallgestaltung hätte der Revisionsführer auch die Begründung des Beweisantrages bereits deshalb vortragen müssen, weil sich allein aus der angegebenen Beweistatsache keine sichere Zuordnung des Beweisbegehrens zu einem der verschiedenen, gleichartigen Tatgeschehen – wiederholter Oralverkehr des Angeklagten an einem Jugendlichen – treffen lässt. Auf dieser Basis kann das Revisionsgericht nicht überprüfen, ob der behauptete Widerspruch der Wahrunterstellung zu den späteren Urteilsfeststellungen tatsächlich besteht, zumal hinsichtlich der unter Beweis gestellten Tatsache bei den einzelnen Fällen unterschiedliche Feststellungen getroffen worden sind.
3. Die von beiden Verteidigern erhobenen Rügen betreffend die Ablehnung mehrerer, auf eine psychologische Begutachtung der Zeugen P., S. und K. sowie auf eine psychiatrische Begutachtung des Zeugen K. gerichteter Beweisanträge ist bereits deshalb unzulässig, weil nicht mitgeteilt wird, ob die Zeugen oder gegebenenfalls deren gesetzliche Vertreter (vgl. dazu Senge in Karlsruher Kommentar zur StPO, 6. Aufl., § 81c Rn. 8) sich mit einer solchen Untersuchung einverstanden erklärt haben. Ohne Einverständniserklärung wären die beantragten Untersuchungen bereits wegen Unzulässigkeit der Beweiserhebung abzulehnen gewesen (vgl. dazu BGH, Urteil vom 18. September 1990 – 5 StR 184/90, BGHR StPO § 244 Abs. 3 Satz 1 Unzulässigkeit 5; Beschluss vom 25. September 1990 – 5 StR 401/90, BGHR StPO § 244 Abs. 3 Satz 1 Unzulässigkeit 6).
4. Im Übrigen verweist der Senat auf die zutreffenden Ausführungen des Generalbundesanwalts in seiner Antragsschrift vom 5. Januar 2012. Vor dem Hintergrund mehrfach unrichtigen Vortrags in der Revisionsrechtfertigungsschrift des Verteidigers Rechtsanwalt H. haben die mustergültige Gegenerklärung der Staatsanwaltschaft (vgl. dazu Drescher, NStZ 2003, 296) und die dienstliche Stellungnahme des Kammervorsitzenden zu den erhobenen Verfahrensrügen mit Leseabschriften handschriftlicher Beschlüsse und dem Hinweis auf unrichtig wiedergegebene Beschlüsse die revisionsgerichtliche Prüfung deutlich erleichtert.
Unterschriften
Nack, Wahl, Graf, Jäger, Sander
Fundstellen
Haufe-Index 2942239 |
NStZ-RR 2012, 178 |