Verfahrensgang
LG Baden-Baden (Urteil vom 28.06.2019; Aktenzeichen 301 Js 151/18 4 KLs) |
Tenor
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Baden-Baden vom 28. Juni 2019
- im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in drei tateinheitlichen Fällen schuldig ist,
- im gesamten Strafausspruch aufgehoben.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
3. Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe
Rz. 1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwölf Jahren verurteilt, ihn im Übrigen freigesprochen und die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 8.500 EUR angeordnet.
Rz. 2
Die auf die Rügen der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist sie aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
Rz. 3
1. a) Nach den Feststellungen des Landgerichts bestellte der Angeklagte bei dem albanischen Drogengroßhändler N. 216,5 Kilogramm Marihuana zum Kaufpreis von insgesamt 433.000 EUR, um als Zwischenverkäufer durch die Veräußerung des Marihuanas erheblichen Gewinn zu erzielen. Gemäß der mit N. getroffenen Vereinbarung musste der Angeklagte diesem den Kaufpreis erst nach Bezahlung durch seinen Abnehmer entrichten. Sein Abnehmer bezahlte jedoch den Kaufpreis nicht. Der Angeklagte blieb N. den Kaufpreis ebenfalls schuldig (Fall 1).
Rz. 4
b) Der Angeklagte bestellte einige Zeit später bei N. zum gewinnbringenden Weiterverkauf 25 Kilogramm Marihuana für insgesamt 50.000 EUR. Da N. nur 21 Kilogramm Marihuana organisieren konnte, schlug er vor, der Lieferung Pflanzenreste mit geringem THC-Wirkstoffgehalt kostenlos beizufügen, damit die Menge auf 25 Kilogramm gestreckt werden konnte. Die nun geschuldeten 42.000 EUR sollte der Angeklagte erneut erst dann bezahlen, wenn sein Abnehmer bezahlt hatte. Auch nach dieser Lieferung leistete weder der Abnehmer an den Angeklagten noch der Angeklagte an N. (Fall 2).
Rz. 5
Schließlich bestand N. auf Bezahlung der offenen Beträge. Da der Angeklagte nicht zahlungsfähig war, vereinbarten sie angesichts der niedrigen Einkaufspreise N.s, dass der Angeklagte anstatt des geschuldeten Betrages von insgesamt 475.000 EUR lediglich noch etwa 200.000 EUR an N. bezahlen sollte.
Rz. 6
c) Nachdem der Angeklagte einem M.er Drogenhändler die Lieferung von 17 Kilogramm Marihuana für insgesamt 51.000 EUR zugesagt hatte, nahm er Kontakt zu N. auf und bat, ihm 17 Kilogramm Marihuana zu liefern. Sie vereinbarten wiederum, dass dem Angeklagten als Zwischenhändler der von seinem Abnehmer gezahlte Kaufpreis zustehen solle, er selbst aber N. erst bezahlen musste, wenn er von seinem Abnehmer bezahlt worden war. Mit dem Gewinn des Angeklagten aus diesem Geschäft sollten seine Schulden gegenüber N. zurückgeführt werden. Der Angeklagte erhielt von seinem Abnehmer 9.000 EUR als Anzahlung, von denen er 500 EUR an einen der von ihm beauftragten Kuriere weitergab. Weitere Zahlungen erfolgten nicht. Die 8.500 EUR verwendete der Angeklagte schließlich für eigene Zwecke (Fall 3).
Rz. 7
2. Die konkurrenzrechtliche Beurteilung des rechtsfehlerfrei festgestellten Geschehens als drei tatmehrheitlich begangene Fälle (§ 53 Abs. 1 StGB) des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge hält sachlich-rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Diese konkurrenzrechtliche Bewertung erweist sich auf der Grundlage der Urteilsfeststellungen als rechtsfehlerhaft. Alle Fälle stehen zueinander in gleichartiger Tateinheit aufgrund einer Teilidentität der Ausführungshandlungen (§ 52 Abs. 1 Alternative 2 StGB).
Rz. 8
a) Auf der Grundlage der Feststellungen erweisen sich die den Fällen 1 und 2 zugrunde liegenden Handlungen des Angeklagten nicht als zwei tatmehrheitliche Delikte des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge.
Rz. 9
aa) Handeltreiben mit Betäubungsmitteln im Sinne der § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG ist jede eigennützige auf den Umsatz von Betäubungsmitteln gerichtete Tätigkeit, wobei verschiedene Betätigungen, die auf die Förderung ein und desselben Güterumsatzes abzielen, eine tatbestandliche Bewertungseinheit bilden (BGH, Beschlüsse vom 10. Juli 2017 – GSSt 4/17, BGHSt 63, 1 Rn. 19 f. mwN und vom 5. August 2014 – 3 StR 340/14 Rn. 5 mwN; vgl. zur normativ bestimmten tatbestandlichen Handlungs- bzw. Bewertungseinheit BGH, Urteil vom 30. April 1999 – 3 StR 215/98 Rn. 53, BGHSt 45, 64, 87; Beschlüsse vom 10. Juli 2017 – GSSt 4/17, BGHSt 63, 1 Rn. 17 f.; vom 3. Mai 1994 – GSSt 2 und 3/93 Rn. 62, BGHSt 40, 138, 164 f. und vom 7. Januar 1981 – 2 StR 618/80 Rn. 9, BGHSt 30, 28, 31).
Rz. 10
Einer Tat des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln unterfallen nicht nur Handlungen, die unmittelbar der Beschaffung und der Überlassung von Betäubungsmitteln an Abnehmer dienen, sondern auch dem eigentlichen Betäubungsmittelumsatz nachfolgende Zahlungsvorgänge wie etwa die Übermittlung des für eine Betäubungsmittellieferung zu entrichtenden Geldbetrages vom Abnehmer zum Lieferanten (BGH, Beschluss vom 5. August 2014 – 3 StR 340/14 Rn. 5 mwN) oder das Beitreiben des Kaufpreises (vgl. BGH, Urteil vom 17. Juli 1997 – 1 StR 791/96 Rn. 16 mwN, BGHSt 43, 158, 162). Auch Tätigkeiten, die der Erfüllung von Zahlungsverbindlichkeiten dienen, z.B. das Bemühen um das Eintreiben des Kaufpreises (BGH, Beschlüsse vom 17. Mai 1996 – 5 StR 119/96 Rn. 6 mwN und vom 21. Mai 1999 – 2 StR 154/99 Rn. 6) oder das Bemühen um einen Zahlungsaufschub oder dessen Vereinbarung (BGH, Beschluss vom 9. September 2015 – 4 StR 347/15 Rn. 11), gehören daher noch zu demselben Betäubungsmittelgeschäft.
Rz. 11
bb) Beendet sind das Handeltreiben und damit die Tat, wenn der Käufer die vereinbarte Menge an Betäubungsmitteln und sein Verkäufer das Entgelt dafür erhalten haben (BGH, Beschluss vom 17. März 2015 – GSSt 1/14, BGHSt 61, 14 Rn. 21) oder die Schulden getilgt sind und damit nach der Vorstellung des Beteiligten jedweder Rauschgiftumsatz, zu dem die auf den Erlös gerichteten Bemühungen Bezug haben können, abgeschlossen ist (BGH, Beschluss vom 17. Mai 1996 – 5 StR 119/96 Rn. 7).
Rz. 12
Auf der untersten Ebene der Handelskette zwischen Abnehmer und Lieferant ist die Tat beendet, wenn die Drogen geliefert sind und das Entgelt gezahlt ist, auch wenn Forderungen des Großhändlers noch offen bleiben. Im Rahmen der Betätigung von Drogengroßhändlern in einem organisierten Absatzsystem bzw. im Rahmen eines eingespielten Bezugs- und Vertriebssystems ist die Tat beendet, wenn der Lieferant den Kaufpreis erhalten hat und der Geldfluss als Entgelt der Drogenlieferung „zur Ruhe gekommen” ist (BGH, Urteile vom 17. Juli 1997 – 1 StR 791/96 Rn. 17, 19 mwN, BGHSt 43, 158, 162 und vom 11. Juli 1995 – 1 StR 189/95 Rn. 23 mwN; Beschluss vom 21. Mai 1999 – 2 StR 154/99 Rn. 7 f. mwN).
Rz. 13
cc) Tateinheit (§ 52 Abs. 1 StGB) kann auch durch Ausführungshandlungen nach Vollendung bis zur Beendigung der Taten begründet werden (st. Rspr.; vgl. z.B. BGH, Beschluss vom 28. Januar 2014 – 4 StR 528/13 Rn. 6 mwN). Auch die Besonderheiten des weiten Tatbegriffs beim Handeltreiben mit Betäubungsmitteln (vgl. BGH, Beschluss vom 10. Juli 2017 – GSSt 4/17, BGHSt 63, 1 Rn. 24, 26) begründen keine durchgreifenden Bedenken gegen die Annahme von Tateinheit infolge von Verbaläußerungen in Gestalt der Vereinbarung von Zahlungsaufschüben oder -ermäßigungen. Der Auffassung, wonach eine teilidentische Ausführungshandlung im Sinne von § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BtMG nur dann zu einer tateinheitlichen Verbindung zweier an sich unabhängiger, sich auf unterschiedliche Betäubungsmittelmengen beziehender Handelsgeschäfte führen könne, wenn sie für jedes dieser Geschäfte einen nicht unerheblichen eigenen Unrechts- und Schuldgehalt aufweist, hat sich der Große Senat für Strafsachen nicht angeschlossen (BGH, Beschluss vom 10. Juli 2017 – GSSt 4/17, BGHSt 63, 1 Rn. 25 – 27).
Rz. 14
dd) Gemessen an diesem Maßstab diente die zwischen dem Angeklagten und seinem Lieferanten vereinbarte weitere Stundung einschließlich der Reduzierung des Kaufpreises für die Lieferungen aus Fall 1 und Fall 2 auf einen Gesamtbetrag von etwa 200.000 EUR der Erfüllung der Schulden aus diesen beiden Betäubungsmittelgeschäften. Die Vereinbarung sollte die Handelsgeschäfte für beide Seiten so günstig wie möglich abwickeln. Sie war funktionell mit den einzelnen Handelsaktivitäten beider Fälle verknüpft und bildete mit diesen jeweils eine tatbestandliche Bewertungseinheit, so dass dadurch der Tatbestand des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gemäß § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG zweimal erfüllt wurde. Die durch die Absprache begründete Teilidentität der tatbestandlichen Ausführungshandlungen beim Handeltreiben in den Fällen 1 und 2 führt zur Annahme von Tateinheit gemäß § 52 Abs. 1 Alternative 2 StGB, nicht aber zu einer Bewertungseinheit zwischen den beiden verschiedenen Marihuanamengen.
Rz. 15
b) Auf der Grundlage der Feststellungen erweisen sich auch die Fall 3 zugrundeliegenden Handlungen des Angeklagten nicht als tatmehrheitliches Delikt des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge.
Rz. 16
Nach dem o.g. Maßstab waren die auf den Verkauf bzw. Absatz der 17 Kilogramm Marihuana zielenden Aktivitäten des Angeklagten in Fall 3 auch auf die Reduzierung der aus den ersten beiden Lieferungen bestehenden Schulden gegenüber … N. gerichtet und ebenfalls funktionell mit den einzelnen Handelsaktivitäten der Fälle 1 und 2 verknüpft. Sie dienten der Schuldentilgung aus beiden früheren Handelsgeschäften und verbinden auch das dritte Umsatzgeschäft mit den ersten beiden wiederum zur Tateinheit nach § 52 Abs. 1 Alternative 2 StPO (vgl. BGH, Beschluss vom 5. August 2014 – 3 StR 340/14 Rn. 6).
Rz. 17
c) Der Senat hat den Schuldspruch entsprechend geändert. § 265 Abs. 1 StPO steht nicht entgegen, weil sich der geständige Angeklagte bei zutreffender konkurrenzrechtlicher Bewertung nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können.
Rz. 18
3. Die Schuldspruchänderung bedingt die Aufhebung des gesamten Strafausspruchs. Die Feststellungen sind von der rechtsfehlerhaften konkurrenzrechtlichen Beurteilung nicht betroffen; sie können in vollem Umfang bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO). Deshalb steht auch fest, dass der Angeklagte die Verfügungsgewalt über den Kaufpreis in Gestalt der Anzahlung in Höhe von 9.000 EUR „durch eine rechtswidrige Tat” (Fall 3) erlangte, so dass die Einziehung von jedenfalls 8.500 EUR rechtsfehlerfrei begründet ist. Auf die Einziehungsentscheidung (§ 73 Abs. 1, § 73c Satz 1 StGB) wirkt sich der Rechtsfehler bei den Konkurrenzen daher nicht aus (BGH, Beschluss vom 18. Dezember 2019 – 1 StR 570/19 Rn. 12 mwN).
Unterschriften
Raum, Bellay, Fischer, Bär, Leplow
Fundstellen
Haufe-Index 13897403 |
NStZ-RR 2020, 252 |
StV 2021, 445 |