Entscheidungsstichwort (Thema)
Brandstiftung
Tenor
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Lübeck vom 5. Februar 2001 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben
- im Fall II. 2. der Urteilsgründe, ausgenommen die Feststellungen zum äußeren Sachverhalt,
- im Ausspruch über die Gesamtstrafe.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schwerer Brandstiftung und wegen Nötigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten verurteilt. Die Verurteilung wegen schwerer Brandstiftung nach § 306 a Abs. 1 Nr. 1 StGB im Fall II. 2. der Urteilsgründe hält jedoch rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
Nach den Feststellungen hatte der Angeklagte die später in Brand gesetzte, im Miteigentum beider Eheleute stehende Doppelhaushälfte zunächst gemeinsam mit seiner Ehefrau und deren Tochter bewohnt. Nach einem schwerwiegenden Ehestreit ist die Ehefrau mit ihrer Tochter am 19. Juni 2000 zu ihren Eltern gezogen und hat über ihren Rechtsanwalt mitteilen lassen, daß sie am 24. Juni 2000 ihre Habe holen werde. Aus Verzweiflung über die Trennung setzte der Angeklagte die Doppelhaushälfte am 22. Juni 2000 in Brand und verließ das Haus.
Schwere Brandstiftung in der Alternative des § 306 a Abs. 1 Nr. 1 StGB setzt voraus, daß das in Brand gesetzte Gebäude zur Wohnung von Menschen dient. Den Urteilsgründen ist nicht zu entnehmen, worin die Strafkammer diese Tatbestandsvoraussetzungen gesehen hat, die sich auch aus dem Zusammenhang der Feststellungen nicht zweifelsfrei ergeben. Insbesondere bleibt unklar, ob sie davon ausgegangen ist, die in Brand gesetzte Doppelhaushälfte habe dem Angeklagten oder seiner Ehefrau mit ihrer Tochter noch zur Wohnung gedient oder ob sie beide Doppelhaushälften als ein einheitliches Gebäude angesehen hat, das wenigstens noch durch die Nachbarseheleute bewohnt worden war. Es fehlen im übrigen auch jegliche Ausführungen dazu, welche subjektive Vorstellungen der Angeklagte insoweit hatte.
a) Es ist nicht festgestellt, daß die im Eigentum des Angeklagten und seiner Ehefrau stehende Doppelhaushälfte im Tatzeitpunkt noch bewohnt gewesen ist. Die Ehefrau des Angeklagten war mit ihrer Tochter in Trennungsabsicht ausgezogen. Daß sie vorerst ihre Habe zurückgelassen hatte und diese erst später holen wollte, hätte, für sich gesehen, ein Dienen zur Wohnung nicht begründen können (vgl. BGHSt 16, 394). Ob diese Trennungsabsicht endgültig war oder eine eventuelle Rückkehr in Betracht kam, hätte tatrichterlicher Feststellung bedurft, zumal sie bereits im November 1999 einmal aus der Wohnung ausgezogen und trotz eines eingeleiteten Scheidungsverfahrens wieder zurückgekehrt war.
Den Feststellungen ist auch nicht zu entnehmen, daß die Doppelhaushälfte im Zeitpunkt der Tat dem Angeklagten selbst noch zur Wohnung diente. Bei der massiven Inbrandsetzung durch das Schaffen vier verschiedener Brandherde mit Hilfe eines Brandbeschleunigers liegt es nahe, daß der Täter die Wohnung nicht mehr weiter für sich benutzen wollte. Da das Dienen zur Wohnung ein tatsächliches Verhältnis darstellt, kann es auch durch das Inbrandsetzen des nunmehr einzigen Bewohners aufgegeben werden (vgl. BGHSt 10, 208, 215; 16, 394, 396). Auch hierzu wäre eine tatrichterliche Feststellung zu treffen gewesen.
b) Es ist auch nicht festgestellt, daß die nicht in Brand geratene, sondern lediglich durch Löschwasser beschädigte angrenzende Doppelhaushälfte der Nachbarseheleute K. mit der Doppelhaushälfte des Angeklagten und seiner Ehefrau ein einheitliches Gebäude gebildet hätte. Dann wäre der Tatbestand des § 306 a Abs. 1 Nr. 1 StGB dadurch erfüllt, daß bei einem einheitlichen Gebäude, das wenigstens zu einem Teil Räumlichkeiten enthält, die zum Wohnen von Menschen dienen, ein nicht hierzu dienender Teil in Brand gesetzt wird (BGHSt 35, 283, 285 m.w.Nachw.). Dafür wäre maßgeblich, ob es sich um ein nach natürlicher Auffassung einheitliches zusammenhängendes Gebäude handelt. Dazu reicht nicht aus, daß die Baukörper lediglich aneinander gebaut worden sind. Ausschlaggebend ist vielmehr die bauliche Beschaffenheit, insbesondere ob zwischen den Bauteilen eine Verbindung, beispielsweise durch ein gemeinsames Treppenhaus, einen gemeinsamen Flur oder ineinander übergehende Räume besteht (BGHSt 35, 283, 285 f.; BGHR StGB § 306 Nr. 2 Wohnung 7). Dies ist bei üblicherweise durch Brandmauern getrennten Doppelhaushälften regelmäßig ebensowenig der Fall wie bei einzelnen Reihenhäusern oder sonstigen Einzelgebäuden innerhalb eines eng aneinandergebauten Innenstadtbereichs. Aber auch zu der konkreten baulichen Beschaffenheit ist den Feststellungen nichts zu entnehmen. Schließlich fehlt es an Feststellungen, welche subjektiven Vorstellungen hierzu der Angeklagte bei der Brandlegung hatte.
Diese Mängel bedingen die Aufhebung des Schuld- und Strafausspruchs im Fall II. 2. der Urteilsgründe. Jedoch können die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen zum äußeren Tathergang, insbesondere zu der vom Angeklagten begangenen Brandlegung aufrechterhalten werden. Ergänzende Feststellungen zur baulichen Beschaffenheit des Doppelhauses und zum Wohnungszweck der Räumlichkeiten im Tatzeitpunkt sind dagegen möglich und hier sogar geboten. Der neue Tatrichter wird – im Falle der Beurteilung der beiden Doppelhaushälften als jeweilig gesonderte Gebäude – zu prüfen haben, ob sich der eventuell bedingte Vorsatz des Angeklagten gegebenenfalls auch darauf bezogen hat, durch die Inbrandsetzung der im eigenen Miteigentum stehenden Doppelhaushälfte die benachbarte, zu Wohnzwecken dienende Doppelhaushälfte ganz oder teilweise zu zerstören, wozu die Einwirkung des Löschwassers ausreichen würde (vgl. Tröndle/Fischer, StGB 50. Aufl. § 306 Rdn. 15). Sollten sich in der neuerlichen Verhandlung die Voraussetzungen des Tatbestandes des § 306 a Abs. 1 Nr. 1 StGB nicht feststellen lassen, kommt der Tatbestand der Brandstiftung nach § 306 Abs. 1 Nr. 1 StGB in Betracht, da ein im Miteigentum eines Dritten – hier der Ehefrau – stehendes Gebäude fremd im Sinne dieser Vorschrift ist.
Im übrigen hat die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
Unterschriften
Rissing-van Saan, Miebach, Winkler, Pfister, Becker
Fundstellen
Haufe-Index 604634 |
JA 2002, 367 |
StV 2001, 576 |
LL 2002, 38 |