Verfahrensgang
LG Zweibrücken (Urteil vom 12.12.2017) |
Tenor
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Zweibrücken vom 12. Dezember 2017
- im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben;
- im Ausspruch über die Einziehung dahingehend berichtigt, dass die Einziehung des Wertes des Tatertrages i. H. v. 232.000,00 EUR angeordnet ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Tatbestand
Rz. 1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen bewaffneten unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (Fall 26) sowie wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 25 Fällen (Fälle 1-25) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt und die Einziehung des Wertes des Tatertrages i. H. v. „232.00,00 EUR” angeordnet. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat zum Rechtsfolgenausspruch den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
I.
Rz. 2
Nach den Feststellungen des Landgerichts entschloss sich der Angeklagte, Rauschgift zu erwerben, um dieses gewinnbringend weiterzuveräußern. Aus diesem Grunde kaufte er zwischen Anfang des Jahres 2014 und Juli 2016 in fünfzehn Fällen jeweils ein Kilogramm Haschisch und in zehn Fällen jeweils ein Kilogramm Amphetamin an (Fälle 1 bis 25). Zuletzt – im August 2016 – erwarb er zeitgleich ein Kilogramm Haschisch und ein Kilogramm Amphetamin, das er in der Nähe einer scharfen Schusswaffe in seiner Wohnung aufbewahrte (Fall 26). Feststellungen zum Wirkstoffgehalt der Rauschmittel hat das Landgericht lediglich hinsichtlich des letztgenannten Falles für eine – in Bezug auf den Wirkstoffgehalt den Grenzwert zur nicht geringen Menge bereits überschreitende – Teilmenge getroffen. Im Übrigen hat es die Betäubungsmittel als von überdurchschnittlicher bzw. besonders guter Qualität beschrieben.
Entscheidungsgründe
II.
Rz. 3
1. Die Verfahrensrüge dringt aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts genannten Gründen nicht durch.
Rz. 4
2. Die auf die Sachrüge gebotene umfassende Überprüfung des Urteils hat zum Schuldspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Unter den hier gegebenen Umständen, insbesondere mit Blick auf die jeweiligen Handelsmengen und die pauschale Qualitätsbeschreibung, tragen die Feststellungen den Schluss, dass der Angeklagte in den Fällen 1 bis 25 mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge Handel trieb, auch wenn es die Strafkammer versäumt hat, den Wirkstoffgehalt und die Wirkstoffmenge der jeweils gehandelten Drogen unter Berücksichtigung anderer sicher feststellbarer Umstände (Herkunft, Preis, Handelsstufe, Begutachtungen in Parallelverfahren etc.), notfalls durch Schätzung unter Anwendung des Zweifelssatzes (vgl. BGH, Beschluss vom 31. Mai 2016 – 3 StR 138/16, StV 2017, 293 f.; Beschluss vom 7. Dezember 2011 – 4 StR 517/11, NStZ 2012, 339 jew. mwN), zu bestimmen.
Rz. 5
3. Der Strafausspruch hat hingegen insgesamt keinen Bestand.
Rz. 6
a) Die in den Fällen 1 bis 25 verhängten Einzelstrafen können bereits deshalb nicht bestehen bleiben, weil der Schuldgehalt dieser Taten mangels ausreichender Feststellungen zu den hierfür maßgeblichen Wirkstoffgehalten und Wirkstoffmengen der gehandelten Betäubungsmittel nicht belegt ist (vgl. BGH, Beschluss vom 7. Dezember 2011 – 4 StR 517/11, NStZ 2012, 339; Beschluss vom 29. Juni 2000 – 4 StR 202/00, StV 2000, 613). Die Bezeichnung der gehandelten Betäubungsmittel als von überdurchschnittlicher bzw. besonders guter Qualität ist insoweit nicht hinreichend aussagekräftig, weil sich der erforderliche Bezugsrahmen, der die Ableitung eines bestimmten Mindestwirkstoffanteils zweifelsfrei ermöglichen würde, weder aus den Urteilsgründen noch aus allgemeinem Erfahrungswissen ergibt (vgl. BGH, Beschluss vom 7. Dezember 2011 – 4 StR 517/11, NStZ 2012, 339).
Rz. 7
b) Die in sämtlichen abgeurteilten Fällen verhängten Einzelstrafen unterliegen aber auch deshalb der Aufhebung, weil das Landgericht sowohl bei Ablehnung der Annahme minder schwerer Fälle im Sinne von § 30a Abs. 3 und § 29a Abs. 2 BtMG als auch bei der anschließenden konkreten Strafzumessung zum Nachteil des Angeklagten Erwägungen in die Abwägung eingestellt hat, die rechtlicher Nachprüfung nicht standhalten.
Rz. 8
Der Senat tritt insoweit dem Generalbundesanwalt bei, der in seiner Antragsschrift vom 21. März 2018 hierzu u. a. das Folgende ausgeführt hat:
„Bei der Bemessung der Einzelstrafen nach § 29a BtMG und § 30a BtMG wie auch der Gesamtstrafe hat das Landgericht straferschwerend berücksichtigt, der Angeklagte habe nicht ‚unter erheblicher wirtschaftlicher Not’ gelitten, sondern ‚bewusst’ Handel mit Betäubungsmitteln betrieben, um sich ‚neben seinem Kleingewerbe eine dauerhafte Einnahmequelle zu schaffen’ (UA S. 18). Diese Formulierungen lassen besorgen, dass die Kammer entgegen § 46 Abs. 3 StGB mit dem Gewinnstreben einen bereits zum Tatbestand des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln gehörenden Umstand verwertet hat (vgl. Senat, Beschluss vom 9. November 2017 – 4 StR 393/17; Beschluss vom 9. November 2010 – 4 StR 532/10, NStZ-RR 2011, 271; BGH, Beschluss vom 31. Januar 2017 – 2 StR 413/16, NStZ-RR 2017, 147; Urteil vom 1. Juni 2016 – 2 StR 355/15; Beschluss vom 29. April 2014 – 2 StR 616/13, BGHR StGB § 46 Abs. 3 Handeltreiben 7). Jedenfalls hat das Landgericht hiermit das Fehlen möglicher Strafmilderungsgründe zu Lasten des Angeklagten berücksichtigt (vgl. Senat, Beschluss vom 9. November 2010 – 4 StR 532/10, NStZ-RR 2011, 271).
Straferschwerend hat das Landgericht weiter bewertet, es seien erhebliche Mengen von Betäubungsmitteln vollständig in den Verkehr gelangt (UA S. 18). Bei dem Umstand, dass die Betäubungsmittel in den illegalen Verkehr gelangt sind und nicht sichergestellt werden konnten, handelt es sich allerdings um den Normalfall des Handeltreibens. Die Tatsache, dass verkauftes Rauschgift in den Verkehr gelangt, ist deshalb kein Strafschärfungsgrund (vgl. BGH, Beschluss vom 14. November 2017 – 5 StR 395/17 Rn. 8; Beschluss vom 23. Juni 1993 – 2 StR 47/93). Auch damit hat das Landgericht das Fehlen eines Strafmilderungsgrundes rechtsfehlerhaft strafschärfend gewertet.”
Rz. 9
c) Die Aufhebung sämtlicher Einzelstrafen zieht die Aufhebung der Gesamtstrafe nach sich.
Rz. 10
4. Aus der Erörterung der Einziehungsentscheidung ist zu entnehmen, dass der Wert des einzuziehenden Tatertrages 232.000,00 EUR beträgt. Soweit dieser Betrag im Tenor des angefochtenen Urteils fälschlich mit „232.00,00 EUR” angegeben worden ist, handelt es sich um einen Schreibfehler, der sich ohne Weiteres aus den Tatsachen ergibt, die für alle Verfahrensbeteiligten klar zutage liegen und jeden Verdacht einer späteren sachlichen Änderung ausschließen (vgl. BGH, Beschluss vom 28. Mai 1974 – 4 StR 633/73, BGHSt 25, 333, 336; Beschluss vom 24. April 2007 – 4 StR 558/06, NStZ-RR 2007, 236 f.; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 61. Aufl., § 268 Rn. 10 mwN). Der Senat hat die im Tenor des angefochtenen Urteils aufgetretene offensichtliche Unrichtigkeit entsprechend berichtigt.
Rz. 11
5. Der neue Tatrichter wird Gelegenheit haben, bei der Erörterung des Strafausspruchs auf die Einhaltung der zutreffenden Prüfungsreihenfolge von minder schwerem Fall und vertyptem Strafmilderungsgrund (vgl. BGH, Beschluss vom 19. November 2013 – 2 StR 494/13, StV 2015, 549 f.; Fischer, StGB, 65. Aufl., § 50 Rn. 3 f. jew. mwN) Bedacht zu nehmen.
Unterschriften
Sost-Scheible, Roggenbuck, Quentin, Feilcke, Paul
Fundstellen
Haufe-Index 11844710 |
NStZ-RR 2018, 286 |
NStZ-RR 2020, 3 |
StV 2019, 325 |