Verfahrensgang
LG Freiburg i. Br. (Urteil vom 18.07.2018) |
Tenor
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Freiburg vom 18. Juli 2018 dahin geändert, dass der Angeklagte wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 20 tateinheitlich zusammentreffenden Fällen in Tateinheit mit unerlaubtem Erwerb von Betäubungsmitteln in sieben Fällen und mit unerlaubtem Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten verurteilt ist.
2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Gründe
Rz. 1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 20 Fällen, davon in drei Fällen in Tateinheit mit unerlaubtem Erwerb von Betäubungsmitteln, in vier Fällen in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz von Betäubungsmitteln und in einem Fall in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten verurteilt, von der es zwei Monate wegen überlanger Verfahrensdauer für vollstreckt erklärt hat. Weiter hat es die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt angeordnet und die Einziehung „eines Betrages” (richtig: des Wertes von Taterträgen) in Höhe von 72.695 Euro angeordnet. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner allgemein auf die Rüge der Verletzung sachlichen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel führt zu der aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Änderung des Schuld- und Strafausspruchs; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
Rz. 2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts handelte der Angeklagte in zwanzig Einzelfällen mit Betäubungsmitteln, überwiegend mit Marihuana, das er zumindest in der Mehrzahl der Fälle von dem rechtskräftig Verurteilten M. und nicht ausschließbar in einzelnen Fällen von einem unbekannten Dritten erwarb. M. verkaufte dem Angeklagten die Betäubungsmittel auf Kommission; der Angeklagte zahlte den Kaufpreis für eine Lieferung jeweils erst bei Abholung der folgenden Lieferung. In einigen Fällen behielt der Angeklagte einen Teil des erworbenen Marihuanas zum Eigenverbrauch. Teilweise tauschte er das erworbene Marihuana bei Dritten gegen Kokain ein, behielt einen Teil hiervon zum Eigenkonsum und veräußerte das restliche Kokain an Abnehmer.
Rz. 3
2. Der Schuldspruch des angefochtenen Urteils hält sachlich-rechtlicher Nachprüfung nicht uneingeschränkt stand. Hierzu hat der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift ausgeführt:
„Die Bewertung der vorgenannten Taten als zwanzig im Verhältnis der Tatmehrheit (§ 53 StGB) zueinander stehende Taten wird von den zugrunde liegenden Feststellungen nicht getragen. Rechtsfehlerhaft hat das Landgericht bei seiner konkurrenzrechtlichen Bewertung nicht bedacht, dass mehrere Taten des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln zueinander in Tateinheit im Sinne des § 52 Abs. 1 StGB stehen, wenn ihre tatbestandlichen Ausführungshandlungen sich – teilweise – über-schneiden (vgl. BGH, Beschluss vom 10. Juli 2017 – GSSt 4/17, NJW 2018, 2905, 2906 f.; Beschluss vom 28. Mai 2018 – 3 StR 95/18, juris). So liegt bei aufeinanderfolgenden, sich auf unterschiedliche Betäubungsmittelmengen beziehenden Umsatzgeschäften eine jedenfalls teilweise Tateinheit begründende Überschneidung der objektiven Ausführungshandlungen darin, dass sich der Täter zu seinem Lieferanten begibt, um einerseits die vorangegangene Lieferung zu bezahlen und dabei zugleich eine neue, zuvor bestellte Lieferung abzuholen. Das Aufsuchen des Lieferanten als verbindendes Element, das gleichermaßen beiden Umsatzgeschäften dient, erfüllt bereits als solches die Voraussetzungen für das Vorliegen einer teilidentischen Ausführungshandlung und damit für die Annahme von Tateinheit im Sinne von § 52 Abs. 1 StGB (vgl. BGH, Beschluss vom 10. Juli 2017 – GSSt 4/17 aaO; BGH, Beschluss vom 24. Juli 2018 – 3 StR 236/15, juris).
Nach Maßgabe dessen hätte die Strafkammer die Taten des Angeklagten als Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwanzig tateinheitlich zusammentreffenden Fällen bewerten müssen. Zugunsten des Angeklagten muss dabei davon ausgegangen werden, dass er die jeweiligen Betäubungsmittelmengen allesamt bei dem Nichtrevidenten M. erworben hat (siehe hierzu die Fälle II. 13, 15 und 16, UA S. 18, 19).
Soweit der Angeklagte einen Teil der Betäubungsmittel (nicht in nicht geringer Menge) zum Eigenverbrauch für sich behalten hat, erfüllt dies – wie in den Fällen II. 2 bis 4 – auch in den Fällen II. 6, 13, 19 und 21 entgegen der nicht begründeten Wertung des Landgerichts (UA S. 31) die Tatbestandsalternative des unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln im Sinne von § 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG, nicht die Tatbestandsalternative des unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln nach § 29 Abs. 1 Nr. 3 BtMG. Der Tatbestand des Erwerbs ist dann gegeben, wenn der Täter, wie es vorliegend der Fall war, die Verfügungsgewalt über das Betäubungsmittel entgeltlich oder unentgeltlich im einverständlichen Zusammenwirken mit dem Vorbesitzer erlangt hat (vgl. Senat, Urteil vom 8. Juli 2010 – 4 StR 210/10, juris Rn. 8 mwN). Nur wenn ein solches Zusammenwirken nicht vorliegt oder nicht nachweisbar ist, liegen die Auffangtatbestände des Sichverschaffens oder des Besitzes vor (vgl. auch Senat, aaO mwN.; Körner/Patzak/Volkmer, BtMG, 8. Aufl., § 29 Teil 10, Rn. 73). Im Fall II. 18 der Urteilsgründe tragen die Feststellungen dagegen die Annahme des unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 29. September 2016 – 2 StR 62/16, juris).”
Rz. 4
Dem tritt der Senat bei und ändert den Schuldspruch entsprechend ab. Die Vorschrift des § 265 StPO steht der Schuldspruchänderung nicht entgegen, da auszuschließen ist, dass sich der geständige Angeklagte wirksamer als geschehen hätte verteidigen können.
Rz. 5
3. Die Änderung des Schuldspruches führt zum Wegfall der von der Strafkammer ausgesprochenen Gesamtstrafe sowie der zugrunde liegenden Einzelstrafen. Einer Zurückverweisung der Sache an den Tatrichter zur neuerlichen Strafbemessung bedurfte es gleichwohl nicht, da die Gesamtstrafe als Einzelstrafe bestehen bleiben kann. Der Senat schließt aus, dass die Strafkammer bei zutreffender Annahme einer einheitlichen Tat auf eine niedrigere Strafe erkannt hätte, selbst wenn sie – wie bei Bemessung der Einzelstrafen – auch bei tateinheitlicher Zusammenfassung der Taten den Strafrahmen eines minder schweren Falls des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gemäß § 29a Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 BtMG zur Anwendung gebracht hätte, was mit Blick auf die zahlreichen, auch einschlägigen Vorstrafen des Angeklagten, sein Bewährungsversagen und die von ihr bei der Gesamtstrafenbildung zusätzlich in den Blick genommene sehr hohe Gesamtmenge der umgesetzten Betäubungsmittel ohnehin fern liegt.
Rz. 6
4. Der Maßregelausspruch und die Einziehungsentscheidung werden von der Schuldspruchänderung nicht berührt.
Rz. 7
5. Der nur geringfügige Erfolg der Revision rechtfertigt es nicht, den Angeklagten von den durch sein Rechtsmittel entstandenen Kosten und Auslagen teilweise zu entlasten (§ 473 Abs. 4 StPO).
Unterschriften
Sost-Scheible, Roggenbuck, Bender, Quentin, Feilcke
Fundstellen
Dokument-Index HI13198177 |