Leitsatz (amtlich)
Zu den Voraussetzungen der Unterbrechung im Fall einer einseitigen Erledigungserklärung.
Normenkette
ZPO § 240 S. 2
Verfahrensgang
KG Berlin (Beschluss vom 05.09.2002; Aktenzeichen 2 U 86/01) |
LG Berlin |
Tenor
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 2. Zivilsenats des KG v. 5.9.2002 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Der Beschwerdewert wird auf 50.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Beklagte führte die Prüfung des Jahresabschlusses sowie des Lageberichts der Klägerin für das Geschäftsjahr 1999 durch und bestätigte mit Testat v. 18.4.2000 deren Richtigkeit und Vollständigkeit. Mit Schreiben v. 9.6.2000 widerrief sie den Bestätigungsvermerk und untersagte der Klägerin dessen weitere Verwendung.
Hiergegen wandte sich die Klägerin mit ihrer Klage, mit der sie beantragte, die Beklagte zu verurteilen, die weitere Verwendung des Bestätigungsvermerks zu dulden. Nach Klageerhebung erteilte ein anderer, zwischenzeitlich von der Klägerin beauftragter Abschlussprüfer einen uneingeschränkten Bestätigungsvermerk für den Jahresabschluss 1999. Die Klägerin erklärte daraufhin den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt. Die Beklagte schloss sich der Erledigungserklärung nicht an. Das LG wies die Klage ab, da der ursprüngliche Klageantrag von Anfang an unbegründet gewesen sei.
Im Berufungsverfahren hat die Klägerin ihr Feststellungsbegehren aus ihrer einseitig gebliebenen Erledigungserklärung weiterverfolgt. Durch Beschluss des AG Charlottenburg v. 28.5.2002 (AG Charlottenburg v. 28.5.2002 - 101 IN 2398/02) wurde ein vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt und der Klägerin ein allgemeines Verfügungsverbot auferlegt. Das Berufungsgericht hat daraufhin durch den angefochtenen Beschluss das Verfahren für unterbrochen erklärt (§ 240 S. 2 ZPO). Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde begehrt die Klägerin Aufhebung dieser Entscheidung.
II. Die zulässige Rechtsbeschwerde bleibt ohne Erfolg.
1. Die Unterbrechungswirkung nach § 240 S. 2 ZPO tritt bereits ein, wenn die Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters mit dem Erlass eines allgemeinen Verfügungsverbotes verbunden wird. Dies ist hier nach den Feststellungen des Berufungsgerichts der Fall.
2. Das Berufungsgericht hat weiter ausgeführt, das vorliegende Verfahren betreffe auch die künftige Insolvenzmasse. Gegenstand des Klageverfahrens sei die Frage gewesen, inwieweit der Widerruf des Bestätigungsvermerks zu Unrecht erfolgt sei; denn nur dann habe die Beklagte die Verwendung des Vermerks dulden müssen. Diese Verwendungsmöglichkeit wirke sich auf das Vermögen der Klägerin und damit auf die künftige Insolvenzmasse aus. Die Beziehung zur Insolvenzmasse sei auch nicht durch die einseitig gebliebene Erledigungserklärung der Klägerin verloren gegangen. Die Frage, ob die Beklagte zum Widerruf des Bestätigungsvermerkes berechtigt gewesen sei oder nicht, habe Bedeutung für etwaige Schadensersatzansprüche der Klägerin, die bei einem unberechtigten Widerruf dem Grunde nach in Betracht kämen. Schadensersatzforderungen gehörten aber zur Insolvenzmasse. Gleiches gelte für die von der Klägerin erstrebte Feststellung, die die spätere Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen erleichtern könnte.
a) Das Berufungsgericht hat mit Recht angenommen, dass das Klagebegehren auch nach der einseitig gebliebenen Erledigungserklärung ebenso wie die ursprüngliche Klage einen Gegenstand betrifft, der zur künftigen Insolvenzmasse gehört, und dass deshalb die Unterbrechung des Rechtsstreits durch die Anordnung nach § 21 Abs. 2 Nr. 2 Fall 1 InsO eingetreten ist. Der Eintritt der Unterbrechungswirkung nach § 240 ZPO setzt voraus, dass das anhängige Verfahren die Insolvenzmasse betrifft (§§ 35, 36 InsO). Eine Unterbrechung findet deshalb nur statt, wenn und soweit der Gegenstand des anhängigen Verfahrens ein Vermögensgegenstand ist, der rechtlich zur Insolvenzmasse gehören kann. Eine nur wirtschaftliche Beziehung zur Masse reicht nicht aus (Zöller/Greger, ZPO, 24. Aufl., § 240 Rz. 8; Feiber in MünchKomm, ZPO, 2. Aufl., § 240 Rz. 20). Zur Masse gehört das gesamte Vermögen des Schuldners zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens, sofern es der (Einzel-) Zwangsvollstreckung unterliegt und pfändbar ist, sowie der Neuerwerb.
b) Die Klage war ursprünglich auf die Duldung der weiteren Verwendung des durch die Beklagte erteilten Bestätigungsvermerks für den Jahresabschluss und den Lagebericht der Klägerin für das Geschäftsjahr 1999 gerichtet. Nach ihrem Vortrag ergab sich die Notwendigkeit der Klage daraus, dass die Klägerin dringend auf diese Verwendungsmöglichkeit angewiesen war. Denn sie hatte ihren nach § 340k HGB i.V.m. § 316 HGB durch einen Prüfer zu bestätigenden Jahresabschluss und Lagebericht gem. § 170 AktG durch ihren Vorstand an ihren Aufsichtsrat zu leiten, um eine Entscheidung über die Verwendung ihrer Bilanzgewinne zu ermöglichen. Nach § 26 KWG war die Klägerin als Kreditinstitut weiterhin zur Vorlage ihres geprüften und bestätigten Jahresabschlusses an das Bundesaufsichtsamt für Kreditwesen verpflichtet. Vor allem aber benötigte die Klägerin die Möglichkeit zur weiteren Verwendung des Bestätigungsvermerks nach § 7 Abs. 2 Wertpapier-VerkaufsprospektG i.V.m. § 9 Wertpapier-VerkaufsprospektVO für die Durchführung einer geplanten Kapitalerhöhung. Der Anspruch auf Verwendung des Bestätigungsvermerks für einen Jahresabschluss und für einen Lagebericht stellt sich damit als ein Nebenanspruch dar, der auf der handelsrechtlichen Prüfungspflicht beruht, denen Kapitalgesellschaften unterworfen sind (vgl. §§ 316 ff. HGB). Gegenstand und Umfang der Prüfung beziehen sich auf das Vermögen der Gesellschaft (vgl. § 317 HGB).
Daran hat auch die einseitig gebliebene Erledigungserklärung der Klägerin hier nichts geändert. Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH (u.a. BGH v. 8.2.1989 - IVa ZR 98/87, BGHZ 106, 359 [366] = MDR 1989, 523; Urt. v. 6.12.1984 - VII ZR 64/84, MDR 1985, 570 = NJW 1986, 588 [589]; Urt. v. 8.3.1990 - I ZR 116/88, MDR 1990, 1093 = CR 1990, 654 = GRUR 1990, 530 [531] - Unterwerfung durch Fernschreiben; Urt. v. 13.5.1993 - I ZR 113/91, MDR 1994, 363 = GRUR 1993, 769 - Radio Stuttgart; Beschl. v. 26.5.1994 - I ZB 4/94, MDR 1995, 91 = NJW 1994, 2363 - Greifbare Gesetzeswidrigkeit II) und der herrschenden Meinung (vgl. die umfangreichen Nachweise aus der Rspr. der OLG und aus der Literatur bei Stein/Jonas/Borck, ZPO, 21. Aufl., § 91a Rz. 39 Fn. 134; Zöller/Vollkommer, ZPO, 24. Aufl., § 91a Rz. 34; Großkomm.UWG/Jacobs, Vor § 13 UWG, D Rz. 288) führt zwar das Begehren, die Erledigung der Streitsache festzustellen, zu einer Veränderung des Streitgegenstandes; nicht mehr der ursprüngliche Antrag des Klägers, sondern der Feststellungsantrag ist nunmehr Gegenstand der vom Gericht zu treffenden Entscheidung. Dadurch ändert sich aber die Massebetroffenheit der Klage i.S.d. § 240 ZPO nicht.
Fundstellen
Haufe-Index 1193391 |
BGHR 2004, 1446 |
WM 2005, 345 |
MDR 2004, 1251 |
NJOZ 2004, 3419 |
ProzRB 2004, 265 |