Entscheidungsstichwort (Thema)
schwerer Bandendiebstahl
Tenor
1. Auf die Revision des Angeklagten B. wird das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 1. Dezember 1997, soweit es ihn betrifft, aufgehoben (§ 349 Abs. 4 StPO); jedoch bleiben sämtliche Feststellungen aufrechterhalten.
2. In diesem Umfang wird die Aufhebung des Urteils erstreckt (§ 357 StPO)
- auf den Angeklagten Br., soweit er wegen schweren Bandendiebstahls in 48 Fällen verurteilt wurde (Fälle 34-37, 39-49; 55-76; 79-89); damit entfällt die gegen ihn verhängte Gesamtstrafe;
- auf den Angeklagten E. .
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels des Angeklagten B., an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
4. Die weitergehende Revision des Angeklagten B. wird verworfen (§ 349 Abs. 2 StPO).
Gründe
Die Strafkammer hat den Angeklagten B. wegen schweren Bandendiebstahls in 44 Fällen, den Angeklagten Br. wegen schweren Bandendiebstahls in 48 Fällen sowie wegen Diebstahls in 41 Fällen, den Angeklagten E. wegen schweren Bandendiebstahls in elf Fällen sowie die Angeklagten S. und Bö. wegen zahlreicher Fälle der gewerbsmäßigen Bandenhehlerei jeweils zu Gesamtfreiheitsstrafen verurteilt.
Revision eingelegt hat nur der Angeklagte B.. Seine Revision hat mit der Sachrüge teilweise Erfolg, da die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen den Schuldspruch wegen schweren Bandendiebstahls nicht tragen. Zugleich war die Urteilsaufhebung auf die gegen Br. und E. ergangenen Schuldsprüche wegen schweren Bandendiebstahls zu erstrecken.
1. Folgendes ist festgestellt:
Die Angeklagten Br., B. und E. waren bei der Firma H. beschäftigt. Br. entwendete dort sogenannte Memoryboards, die S., der mit Bö. zusammenwirkte, bei ihm bestellte und absetzte. Die jeweils benötigten Typen und Mengen waren genau angegeben. Ab einem späteren Zeitpunkt schloß sich zunächst der Angeklagte B. dem Angeklagten Br. an und wirkte bei den Diebstählen mit, noch später auch E. .
Soweit Br. und B., später noch zusätzlich E., zusammenwirkten, gingen sie wie folgt vor:
Die Memoryboards befanden sich in der Firma in einem sogenannten Zwischenlager, später auch noch in einem sogenannten Handlager. Das Zwischenlager war vom Arbeitsplatz des Br. maximal 25 m entfernt, das Handlager maximal 4 m. Die Arbeitsplätze von B. und E. waren in unmittelbarer Nähe des Arbeitsplatzes von Br. .
Jeweils am Morgen besprachen sie sich anhand der Bestellungen von S. im Zwischen- bzw. Handlager, in welchem Umfang sie die benötigte Ware unter Berücksichtigung des „normalen” Geschäftsbetriebes noch im Laufe des Tages unauffällig stehlen konnten. In enger Absprache wurden dann die jeweils benötigten Memoryboards entwendet, wobei sich zur jeweiligen Entwendung einer „Teilmenge” immer nur ein Täter in eines der Lager begab und sie unauffällig mitnahm. Jeder verwahrte die von ihm weggenommenen Memoryboards in einem Rucksack unter seinem Schreibtisch, wobei der Schreibtisch, um jegliche Einsichtnahme zu vermeiden, im unteren Bereich mit Kartons abgedeckt war. Nach Arbeitsschluß trug jeder Täter allein die von ihm entwendete Beute aus der Firma heraus. Sie wurde letztlich bei Br. gesammelt und von dort jeweils an S. weitergeleitet.
2. Diese Feststellungen tragen den Schuldspruch wegen (schweren) Bandendiebstahls nicht.
a) Zur Mitwirkung eines anderen Bandenmitglieds i.S.d. §§ 244, 244a StGB genügt nicht allein dessen Tatbeteiligung (hier Mittäterschaft gemäß § 25 Abs. 2 StGB). Erforderlich ist vielmehr ein örtliches und zeitliches, wenn auch nicht notwendig körperliches Zusammenwirken der Bandenmitglieder (ständ.Rspr. vgl. zuletzt BGH StV 1997, 247; NStZ 1996, 493 jew.m.w.Nachw.).
Wie auch Revision und Generalbundesanwalt übereinstimmend vortragen, reicht hierfür die vorbereitende Planung der Diebstähle nicht aus, selbst wenn sie am späteren Tatort stattgefunden hat. Vielmehr muß sich durch die Mitwirkung eines weiteren Bandenmitglieds die Effizienz der eigentlichen Wegnahmehandlung steigern, die vom Täter ausgehende „Aktionsgefahr” muß sich durch seine Mitwirkung am Tatort manifestieren (vgl. Küper StGB BT 2. Aufl., S. 42; Zopfs GA 1995, 320, 326 ff.).
All dies liegt hier nicht vor. Die eigentlichen Wegnahmehandlungen erfolgten immer nur durch einen Täter.
b) Allerdings weist der Generalbundesanwalt zutreffend darauf hin, daß ein Mitwirken i.S.d. §§ 244, 244a StGB auch noch zwischen Vollendung und Beendigung eines Diebstahls erfolgen kann.
Dies führt hier jedoch zu keinem anderen Ergebnis:
aa) Die Diebstähle waren jeweils vollendet, als sich die Beute in dem Rucksack unter dem Schreibtisch befand. Der Angeklagte befand sich zwar mit der Beute bis zum Arbeitsende noch im Herrschaftsbereich des bisherigen Gewahrsamsinhabers, dem Wegtransport stand jedoch unter den gegebenen Umständen kein Hindernis mehr entgegen (vgl. BGH NJW 1975, 320; Eser in Schönke/Schröder, StGB 25. Aufl. § 242 Rdn. 39 jew.m.w.Nachw.).
bb) Beendet ist ein Diebstahl, sobald der an der Sache begründete neue Gewahrsam gegen Angriffe Dritter gesichert ist (Eser aaO Rdn. 73 m.w.Nachw.); dies ist in der Regel nicht der Fall, solange sich der Täter noch im unmittelbaren Herrschaftsbereich des Bestohlenen befindet (BGH JZ 1989, 759).
cc) Daher käme hier ein Mitwirken anderer Bandenmitglieder auch noch in dem Zeitraum in Betracht, in dem sich die Beute in dem Rucksack unter dem Schreibtisch befunden und der Angeklagte das Firmengebäude noch nicht verlassen hatte.
Es ist jedoch nicht festgestellt, daß die übrigen Mittäter in dieser Zeit eine beutesichernde Funktion wahrgenommen hätten. Zumal da die Urteilsgründe ergeben, daß in der gesamten Tatzeit in der Firma keinerlei Sicherheitsvorkehrungen gegen derartige Diebstähle getroffen waren, ergibt sich dies auch nicht allein aus der räumlichen Nähe der Arbeitsplätze von Br. (und E.) zum Arbeitsplatz des Angeklagten.
3. Trotz der danach gebotenen Aufhebung des Urteils können die Feststellungen bestehen bleiben, da sie, wie der Generalbundesanwalt in seinem Antrag vom 18. Mai 1998 im einzelnen zutreffend ausgeführt hat, rechtsfehlerfrei getroffen wurden. Der neue Tatrichter wird lediglich zu prüfen haben, ob ergänzende Feststellungen möglich sind, die die Annahme der Mitwirkung eines anderen Bandenmitglieds rechtfertigen.
4. Die Revision rügt zwar zutreffend, daß im Zusammenhang mit der von der Anklage abweichenden Zusammenfassung einzelner Wegnahmehandlungen zu Tatkomplexen § 265 StPO verletzt worden ist. Der Senat braucht aber im Hinblick auf die ohnehin gebotene Urteilsaufhebung nicht zu prüfen, ob eine Auswirkung auf die Verteidigungsmöglichkeiten des Angeklagten hier ausgeschlossen werden könnte. Die Richtigkeit der tatsächlichen Feststellungen bleibt von diesem Mangel jedenfalls unberührt.
5. Der Senat weist auf folgendes hin:
Die Zahl der jedem Beteiligten innerhalb einer Bestellung zur Last gelegten Fälle entspricht der höchsten Zahl der von einem von ihnen eigenhändig durchgeführten Wegnahmehandlungen. So hatte z.B. im Komplex 14 S. 1200 Teile bestellt. Br. hatte dreimal 250 Teile weggenommen, B. zweimal 225 Teile. Verurteilt wurden hier Br. und B. jeweils wegen drei Taten.
Unabhängig von der Frage des Bandendiebstahls ist dies rechtsfehlerhaft. Es ist nicht ersichtlich, warum im Ergebnis einem Tatbeteiligten (im Komplex 14: B.) ein Teil der Taten (im Komplex 14: ein Diebstahl) des anderen Tatbeteiligten (im Komplex 14: von Br.) zugerechnet wird und ein anderer Teil von dessen Taten (im Komplex 14: zwei Diebstähle des Br.) nicht.
In dem genannten Beispielsfall (und entsprechend in den anderen Komplexen) wäre jeder Beteiligte wegen fünf Taten zu verurteilen gewesen.
Hiervon ist der Angeklagte zwar nicht beschwert, der neue Tatrichter wird aber zu beachten haben, daß § 358 StPO einer auch für den Angeklagten nachteiligen Veränderung des Schuldspruchs nicht entgegensteht (ständ.Rspr., vgl. d. Nachw. bei Pikart in KK 3. Aufl. § 358 Rdn. 18).
6. Die (teilweise) Aufhebung des Urteils berührt die Verurteilung der Angeklagten S. und Bö. nicht. Ebenso unberührt bleiben Schuldspruch und Einzelstrafen in den Fällen, in denen der Angeklagte Br. nicht wegen schweren Bandendiebstahls verurteilt wurde.
Im Hinblick auf die enge Verzahnung der Taten war die Urteilsaufhebung dagegen auf sämtliche Fälle zu erstrecken (§ 357 StPO), in denen Br. und E. wegen schweren Bandendiebstahls verurteilt wurden. Damit entfällt auch die gegen Br. verhängte Gesamtstrafe.
Der Senat weist darauf hin, daß das Verschlechterungsverbot des § 358 StPO auch im Fall des § 357 StPO gilt, eine nachteilige Veränderung des Schuldspruchs (vgl. oben 5.) aber auch bei dieser Fallgestaltung zulässig ist (BGH, Urteil vom 10. November 1953 - 5 StR 453/53).
Unterschriften
Maul, Granderath, Wahl, Boetticher, Landau
Fundstellen
Haufe-Index 539631 |
StV 1999, 151 |
www.judicialis.de 1998 |