Verfahrensgang
OLG München (Entscheidung vom 11.07.2018; Aktenzeichen 6 St 3/12 2 StE 8/12-2) |
Nachgehend
Tenor
Die Anhörungsrüge der Verurteilten gegen den Senatsbeschluss vom 12. August 2021 wird auf ihre Kosten verworfen. Ihre Gegenvorstellung gegen den vorbezeichneten Beschluss wird zurückgewiesen.
Gründe
Rz. 1
1. Der Senat hat mit Beschluss vom 12. August 2021 die Revision der Verurteilten gegen das Urteil des Oberlandesgerichts München vom 11. Juli 2018 nach § 349 Abs. 2 StPO verworfen. Gegen die ihr am 19. August 2021 bekannt gegebene Entscheidung hat sie am 26. August 2021 mit von drei ihrer Verteidiger verfasstem Schriftsatz Anhörungsrüge gemäß § 356a StPO und Gegenvorstellung erhoben.
Rz. 2
Die Verurteilte rügt insbesondere die Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG), ihres Rechts auf ein faires Verfahren (Art. 2 Abs. 1, Art. 20 Abs. 3 GG, Art. 6 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Buchst. c MRK) und der Garantie des gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG, § 16 Satz 2 GVG). Im Wesentlichen macht sie geltend, die in dem angefochtenen Beschluss dargelegte Begründung für die Mittäterschaft weiche von derjenigen im Urteil des Oberlandesgerichts und in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts ab, der Senat habe seine Rechtsprechung zur Mittäterschaft – anders als die anderen Strafsenate des Bundesgerichtshofs – geändert und trenne nun nicht mehr zwischen Beteiligungsform und übergeordneten gemeinsamen Zielen der Mitglieder einer terroristischen Vereinigung. Im Hinblick auf den „Schutz vor Überraschungsentscheidungen” habe der Verurteilten die Möglichkeit eingeräumt werden müssen, auf die „nunmehr geänderte” Rechtsauffassung des Senats einzugehen. Die Voraussetzungen für eine Verwerfung der Revision als offensichtlich unbegründet hätten nicht vorgelegen. Zudem habe die Verpflichtung bestanden, „die Rechtsfrage der Kompensation dem Großen Senat für Strafsachen vorzulegen” (§ 132 Abs. 2 GVG), ferner, eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union darüber einzuholen, wie der unionsrechtliche „Begriff der ‚kriminellen Vereinigung’ … auszulegen sei” (Art. 267 Abs. 3 AEUV).
Rz. 3
2. Beide Rechtsbehelfe bleiben erfolglos.
Rz. 4
a) Die Anhörungsrüge ist unbegründet.
Rz. 5
aa) Der Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) ist nicht verletzt. Der Senat hat bei seiner Entscheidung weder Verfahrensstoff verwertet, zu dem die Verurteilte nicht gehört worden ist, noch hat er zu berücksichtigendes Vorbringen der Verurteilten übergangen. Sie hat im Revisionsverfahren umfangreich zur Frage ihrer mittäterschaftlichen Beteiligung vorgetragen. Der Senat hat diese Rechtsausführungen bei seinen Beratungen gewürdigt, ihnen allerdings aus den im angefochtenen Beschluss dargelegten Gründen nicht beizutreten vermocht.
Rz. 6
Auch liegt kein anderweitiger Gehörsverstoß vor. Entgegen dem der Rechtsbehelfsschrift zu entnehmenden Verständnis der die Revision verwerfenden Entscheidung ist der Senat bei der Beurteilung der Mittäterschaft weder von den tragenden Erwägungen in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts abgewichen, noch hat er seine Rechtsprechung geändert, die mit derjenigen der anderen Strafsenate des Bundesgerichtshofs übereinstimmt. Auch auf das Kriterium eines objektiven Tatbeitrags hat der Senat nicht verzichtet (vgl. Rn. 61, 65); ebenso wenig hat er eine Kompensation der Tatherrschaft durch das Tatinteresse vorgenommen. In den Gründen des Beschlusses ist vielmehr die Tatherrschaft der Verurteilten im Einzelnen dargelegt (vgl. Rn. 53 ff.). Zu einer näheren Erläuterung dieser Gründe besteht hier kein Anlass.
Rz. 7
Danach kommt es nicht darauf an, dass das Revisionsgericht schon im Grundsatz nicht gehalten ist, vor der Entscheidung über das Rechtsmittel auf seine Rechtsauffassung hinzuweisen (s. BGH, Beschluss vom 4. Februar 2020 – 3 StR 233/19, juris Rn. 3 mwN).
Rz. 8
bb) Die weiteren geltend gemachten Verfassungsverstöße (Art. 2 Abs. 1, Art. 20 Abs. 3, Art. 101 Abs. 1 Satz 2, Art. 103 Abs. 2 GG) liegen ebenso wenig vor. Mangels Gehörsverstoßes sind sie im Rahmen der Entscheidung über den Rechtsbehelf nach § 356a StPO ohnehin unbeachtlich (s. BGH, Beschluss vom 4. Februar 2020 – 3 StR 233/19, juris Rn. 4 mwN). Insbesondere erschließt es sich nicht, wie die von der Verurteilten begehrte Auslegung des unionsrechtlichen Begriffs der „kriminellen Vereinigung” durch den Gerichtshof der Europäischen Union zur Bewertung der Stärke des Tatinteresses hätte beitragen können (vgl. Rn. 64); in den Beschlussgründen ist dargelegt, dass und auf welche Weise nach den Urteilsfeststellungen das große Interesse der Verurteilten am jeweiligen Taterfolg wesentlich in ihrer – von Böhnhardt und Mundlos geteilten – politisch- ideologischen Einstellung begründet war (vgl. Rn. 62 f.).
Rz. 9
b) Die Gegenvorstellung erweist sich als unzulässig.
Rz. 10
Dem Revisionsgericht ist es – außerhalb des Verfahrens nach § 356a StPO – versagt, eine Entscheidung aufzuheben oder zu ändern, mit der es die Rechtskraft des tatrichterlichen Urteils herbeigeführt hat. Eine Gegenvorstellung gegen ein solches Erkenntnis ist deshalb nicht statthaft (s. BGH, Beschluss vom 30. Oktober 2019 – 3 StR 318/19, juris Rn. 3 mwN).
Unterschriften
Schäfer, Paul, Berg, Anstötz, Kreicker
Fundstellen
Dokument-Index HI14900633 |