Verfahrensgang

OLG Celle (Entscheidung vom 14.03.1979)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluß des Senats für Notarsachen bei dem Oberlandesgericht Celle vom 14. März 1979 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen und dem Antragsgegner die im zweiten Rechtszug notwendig entstandenen außergerichtlichen Auslagen zu erstatten.

Der Beschwerdewert wird auf 20.000 DM festgesetzt.

 

Gründe

I.

Der Antragsteller ist am ... 1928 geboren. Er ist verheiratet. Im Jahre 1964 wurde er als Rechtsanwalt bei dem Amtsgericht und dem Landgericht Göttingen zugelassen und am 11. Mai 1973 zum Notar mit dem Amtssitz in Göttingen bestellt. Durch Verfügung vom 6. April 1978 enthob ihn der Präsident des Oberlandesgerichts Celle im Hinblick auf § 50 Abs. 1 Nr. 7 BNotO vorläufig seines Amtes als Notar. Den Antrag auf gerichtliche Entscheidung nahm der Antragsteller am 23. August 1978 zurück.

Mit Bescheid vom 16. Oktober 1978 hat der Antragsgegner dem Antragsteller eröffnet, daß er dessen endgültige Amtsenthebung beabsichtige, weil die wirtschaftlichen Verhältnisse des Antragstellers und die Art seiner Wirtschaftsführung die Interessen der Recht suchenden gefährdeten. Der Antragsteller hat gerichtliche Feststellung darüber beantragt, ob die Voraussetzungen nach § 50 Abs. 1 Nr. 7 BNotO für eine Amtsenthebung gegeben sind. Das Oberlandesgericht hat festgestellt, daß diese Voraussetzungen vorliegen. Dagegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Antragstellers.

II.

Das Rechtsmittel ist nach § 111 Abs. 4 BNotO zulässig, aber sachlich nicht begründet.

Ein Notar ist gemäß § 50 Abs. 1 Nr. 7 BNotO seines Amtes zu entheben, wenn seine wirtschaftlichen Verhältnisse oder die Art seiner Wirtschaftsführung die Interessen der Rechtsuchenden gefährden. Jedenfalls die erste dieser Voraussetzungen ist hier gegeben.

1.

Wie in der Verfügung des Präsidenten des Oberlandesgerichts Celle vom 6. April 1978 über die vorläufige Amtsenthebung dargelegt ist, war im letzten halben Jahr vor dieser Anordnung eine "Vielzahl" von Klage- und Mahnverfahren gegen den Antragsteller durchgeführt worden. Darunter waren auch Forderungen in geringer Höhe, die der Antragsteller bei Fälligkeit nicht zahlen konnte: so Beträge von 142,32 DM für die Lieferung des örtlichen Fernsprechbuches, von 213,95 DM und 121,38 DM aus Rechnungen der Firma Zamponi in Dransfeld, von 176,08 DM aus einer Rechnung der Hans-Soldan-Stiftung in Essen und von 88,- DM aus einer Arztrechnung. In dieser Verfügung ist noch nicht erfaßt der Schuldbetrag von 75,48 DM aus einem erst später bekannt gewordenen Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts Göttingen vom 3. April 1978 (vgl. Seite 2 des angefochtenen Bescheids).

In dem Rechtsstreit 3 C 282/77 vor dem Amtsgericht Kann.Münden hatte sich der Antragsteller gegenüber der Bank für Gemeinwirtschaft verpflichtet, eine Forderung von 3.559,30 DM in Monatsraten von 250,- DM zu tilgen. Dieser Verpflichtung ist er nicht nachgekommen.

In zwei weiteren Fällen waren Ansprüche gegen den Antragsteller im Zusammenhang mit seiner Anwaltstätigkeit geltend gemacht worden, und zwar in Höhe von 637,- DM aufgrund einer nicht auftragsgemäß weitergeleiteten Zahlung, die er von einer Versicherung zur Deckung eines Unfallschadens erhalten hatte (Mahn- und Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts Göttingen vom 21. November 1977-26 B 2906/77); in dem anderen Falle handelte es sich um einen Anspruch von 2.800,- DM wegen eines "nicht ordnungsgemäß abgewickelten Mandats gegen Petri" (Anerkenntnisurteil des Amtsgerichts Kann. Münden vom 12. Dezember 1977 - 3 C 395/77). Ein Vollstreckungsversuch aus diesem Urteil verlief zunächst fruchtlos. Erst nach Erlaß eines Haftbefehls vom 24. April 1978 zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung zahlte der Antragsteller.

Zweimal hatte er fällige Prämien auf seine in Notarangelegenheiten abgeschlossene Haftpflichtversicherung nicht bezahlt: Die im November 1976 fällig gewordene Prämie von 665,90 DM für den Versicherungszeitraum bis April 1977 zahlte er erst am 17. Januar 1977, so daß er zumindest zwei Tage ohne Versicherungsschutz war; trotz eines ihm deswegen durch Disziplinarverfügung des Präsidenten des Landgerichts Göttingen vom 13. Mai 1977 erteilten Verweises zahlte er auch die im November 1977 fällige Prämie erst am 3. Februar 1978.

Der Antragsteller hat diese Vorgänge nicht bestritten.

2.

Nach seiner vorläufigen Amtsenthebung am 6. April 1978 ist es in dem Zeitraum bis zum Erlaß des angegriffenen Bescheides vom 16. Oktober 1978 zu weiteren gerichtlichen Verfahren und Vollstreckungsmaßnahmen gegen den Antragsteller gekommen, wie er ebenfalls nicht bestreitet.

In 13 Fällen wurde die Zwangsvollstreckung aus titulierten Zahlungsansprüchen eingeleitet und zum Teil erfolglos durchgeführt (Summe der Forderungen: 6.646,72 DM); dazu zählt auch eine Forderung der Notarkammer von 660,- DM, deretwegen am 10. August 1978 ein Haftbefehl gegen den Antragsteller erwirkt wurde. In 10 Fällen ergingen Mahnbescheide oder Versäumnisurteile (insgesamt 23.657,69 DM). Außerdem wurden 5 Forderungen im Gesamtbetrage von über 32.000,- DM rechtshängig gemacht. Wegen einer Forderung des Finanzamts Göttingen in Höhe von 13.105,95 DM wurde am 7. Juli 1978 der Grundbesitz des Antragstellers in Dransfeld mit einer Sicherungshypothek belastet. Die Kreispparkasse Göttingen hatte den Antragsteller durch Schreiben vom 18. April 1978 auf Zahlung von 128.242,56 DM wegen angeblich abredewidriger Verwendung einer ihm als Notar anvertrauten Löschungsbewilligung in Anspruch genommen. Darauf sind zwischenzeitlich von dem amtlich bestellten Notarvertreter des Antragstellers 120.000,- DM gezahlt worden. Wegen eines Betrages von 3.160,67 DM nebst Zinsen ist ein Rechtsstreit gegen den Antragsteller anhängig. Sein früheres Büro in Göttingen, Weender Straße 35, mußte er infolge Zahlungsverzuges gemäß Anerkenntnisurteil des Amtsgerichts Göttingen vom 2. Juni 1978 räumen.

In der Zeit nach dem Bescheid des Antragsgegners vom 16. Oktober 1978 erging am 5. Januar 1979 noch ein Vollstreckungsbescheid in Höhe von 10.526,36 DM wegen einer Forderung der Deutschen Bank. Ferner stellte sich heraus, daß der Grundbesitz des Antragstellers mit weiteren Zwangshypotheken von ca. 16.700,- DM belastet worden ist (vgl. die Verfügung des Präsidenten des Oberlandesgerichts Celle vom 13. Februar 1979, mit der die Zulassung des Antragstellers als Rechtsanwalt zurückgenommen worden ist).

3.

Hiernach steht fest, daß die wirtschaftlichen Verhältnisse des Antragstellers seit 1977 zerrüttet sind und eine krisenhafte Entwicklung bis an den Rand seiner völligen Zahlungsunfähigkeit genommen haben. Ein Notar, der in finanzielle Schwierigkeiten solchen Ausmaßes gerät, daß er nicht einmal mehr ganz geringe Schuldbeträge aufbringen und allenfalls noch durch Mahnbescheide, Urteile oder Maßnahmen der Zwangsvollstreckung zur Zahlung veranlaßt werden kann, gefährdet die Interessen der Rechtsuchenden. Diese Gefahr liegt darin, daß derartige Zahlungsschwierigkeiten den Notar in Widerstreit mit seinen Amtspflichten bringen können und daß er dann womöglich Kostenvorschüsse in Notarangelegenheiten nicht auftragsgemäß verwendet oder gar zur Tilgung eigener Schulden auf ihm treuhänderisch anvertraute Gelder zurückgreift. So hat er, was Gegenstand der vorläufigen Amtsenthebung war, einen ihm in seiner Eigenschaft als Rechtsanwalt aus einer Unfallsache zugegangenen Betrag von 637,- DM nicht bestimmungsgemäß an den Berechtigten weitergeleitet. Die durch das Anerkenntnisurteil vom 12. Dezember 1977 entschiedene Forderung von 2.800,- DM steht ebenfalls im Zusammenhang mit einem nicht ordnungsgemäß abgewickelten Anwaltsauftrag. Auch die zweimalige verspätete Zahlung der Prämien für die Notarhaftpflichtversicherung gefährdete die Interessen der Rechtsuchenden, da der Antragsteller bei Ausfall des Versicherungsschutzes - wozu es im Januar 1977 vorübergehend gekommen war - nicht selbst einen etwaigen Haftpflichtschaden hätte ersetzen können.

Es sind keine Umstände ersichtlich, die der bei dieser Sachlage gemäß § 50 Abs. 1 Nr. 7 BNotO gebotenen Amtsenthebung entgegenstünden. Der Antragsteller hat zwar immer wieder angekündigt, Umschuldungsmaßnahmen treffen zu wollen und zur Schuldtilgung seinen - nach eigenen Angaben mit über 211.000,- DM belasteten - Grundbesitz mit einem Verkehrswert von angeblich 210.000,- DM zu veräußern (vgl. u.a. die Schreiben an den Präsidenten des Landgerichts Göttingen vom 10. Dezember 1976, vom 4. und 27. Juli 1977 sowie die mündliche Erklärung vor dem Oberlandesgericht am 14. März 1979); diese Absicht hat er aber nicht verwirklicht. Worauf dies beruht, ist nicht erkennbar. Er hat dazu in der Verhandlung vor dem Senat keine überzeugende Auskunft gegeben. Es ist auch nicht zu ersehen, wie es überhaupt zu dem Vermögensverfall des Antragstellers gekommen ist. Er mag zwar, wie er vorträgt, durch eine im Jahre 1976 aufgetretene Augenerkrankung (grauer Star) in seiner Leistungsfähigkeit erheblich behindert worden sein; andererseits hat er sich aber nach eigener Angabe durch umfangreiche Nebentätigkeiten zusätzlich belastet, anstatt sich voll seiner Amtstätigkeit zu widmen. Ein Notar muß zudem, wenn er seine Aufgaben nicht mehr hinreichend erfüllen kann, um Entlassung aus dem Notaramt nachsuchen oder bei nur vorübergehender gesundheitlicher Beeinträchtigung die Bestellung eines Notarvertreters beantragen. Er darf nicht einer Entwicklung zusehen, die dazu führt, daß er in untragbare finanzielle Schwierigkeiten gerät. Ob sich der Antragsteller später ernsthaft bemüht hat, diese Schwierigkeiten zu überwinden, ist nicht ausschlaggebend. Es ist ihm jedenfalls nicht gelungen, seine wirtschaftlichen Verhältnisse zu ordnen und damit den Belangen seines Amtes Rechnung zu tragen. Er hat heute noch Verbindlichkeiten von mindestens 230.000,- DM, wie er selbst zugesteht. Sie erhöhen sich fortlaufend durch Zinsen. Seine Vermögenslage ist mithin nach wie vor kritisch. Auf die Frage eines Verschuldens im Sinne einer vorwerfbaren Pflichtverletzung kommt es dabei nicht an. Entscheidend ist, daß nach dem Ausmaß der Zerrüttung seiner wirtschaftlichen Verhältnisse die Interessen des rechtsuchenden Publikums objektiv gefährdet sind (BGHZ 44, 65, 66; Seybold/Hornig, BNotO, 5. Aufl., § 50 Rz. 15). Das aber trifft hier zu.

4.

Demnach ist die sofortige Beschwerde zurückzuweisen. Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 111 Abs. 4 Satz 2 BNotO, 201 Abs. 1, 202 Abs. 1 BRAO, 13 a Abs. 1 Satz 2 FGG.

Beschluss:

Der Beschwerdewert wird auf 20.000 DM festgesetzt.

 

Fundstellen

Haufe-Index 3018768

DNotZ 1980, 424

DNotZ 1980, 424-426

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