Verfahrensgang
LG Hamburg (Urteil vom 07.12.2018) |
Tenor
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 7. Dezember 2018
in den Fällen II. 5. und 6. der Urteilsgründe
aa) unter Beschränkung der Strafverfolgung gemäß § 154a Abs. 2 StPO im Schuldspruch dahin abgeändert, dass der Angeklagte insoweit des bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in Tateinheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis, vorsätzlicher Gefährdung des Straßenverkehrs, unerlaubtem Entfernen vom Unfallort und Sachbeschädigung schuldig ist;
bb) im Strafausspruch dahin abgeändert, dass die im Fall II. 6. der Urteilsgründe verhängte Einzelfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten entfällt;
im Ausspruch über die Einziehung dahin abgeändert, dass gemäß § 421 Abs. 1 Nr. 2 StPO
aa) von der Einziehung der Mobiltelefone der Marken iPhone 5 und Nokia abgesehen wird;
bb) von der Einziehung des Wertes von Taterträgen abgesehen wird, soweit diese einen Betrag von 3.850 Euro übersteigen;
- mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit eine Entscheidung über die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt unterblieben ist.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Gründe
Rz. 1
Das Landgericht hat den Angeklagten „wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und unerlaubtem Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis sowie wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in Tateinheit mit vorsätzlicher Gefährdung des Straßenverkehrs, unerlaubtem Entfernen vom Unfallort in zwei tateinheitlich zusammentreffenden Fällen und mit Sachbeschädigung” unter Einbeziehung der Strafe aus einer Vorverurteilung zu der Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Darüber hinaus hat es eine umfangreiche Einziehungsentscheidung getroffen und eine isolierte Sperrfrist für die Wiedererteilung der Fahrerlaubnis angeordnet. Schließlich hat es die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 4.500 Euro angeordnet.
Rz. 2
Die hiergegen gerichtete, unbeschränkt eingelegte und auf die unausgeführte Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg. Im Übrigen ist das Rechtsmittel aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
Rz. 3
1. Das Urteil hält rechtlicher Überprüfung in den Fällen II. 5. und 6. der Urteilsgründe – Taten zu Ziffer 4 und 5 der Anklageschrift – nicht in vollem Umfang stand.
Rz. 4
a) Der Senat hat den Tatvorwurf aus Gründen der Prozessökonomie beschränkt, soweit das Landgericht im Fall II. 6. der Urteilsgründe angenommen hat, dass der Angeklagte durch sein Fahrverhalten an der Kreuzung R./B. die – zu den im weiteren Fahrtverlauf verwirklichten Delikten im Verhältnis gleichartiger Tateinheit stehenden – Tatbestände der vorsätzlichen Gefährdung des Straßenverkehrs in Tateinheit mit unerlaubtem Entfernen vom Unfallort und Sachbeschädigung verwirklicht hat. Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen erkannte der Angeklagte zu diesem Zeitpunkt die – nicht uniformierten – Polizeibeamten nicht als solche, sondern ging subjektiv davon aus, Opfer eines – bewaffneten – Überfalls zu sein und ergriff aus diesem Grund die Flucht. Diese Feststellung, die Anlass zur Prüfung der Frage bot, ob das Fahrverhalten des Angeklagten – irrtumsbedingt – gerechtfertigt oder entschuldigt sein konnte, wird jedoch im Rahmen der rechtlichen Würdigung nicht mehr aufgegriffen. Dies erscheint auf der Grundlage der Feststellungen rechtlich nicht unbedenklich.
Rz. 5
b) Darüber hinaus hält die Bewertung der Konkurrenzverhältnisse rechtlicher Überprüfung nicht stand. Die Taten II. 5. und II. 6. der Urteilsgründe stehen aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird, nicht im Verhältnis der Tatmehrheit (§ 53 StGB), sondern der Tateinheit (§ 52 StGB) zueinander. Der Senat hat daher – dem Antrag des Generalbundesanwalts folgend – die Konkurrenzverhältnisse entsprechend geändert. § 265 StPO steht dem nicht entgegen, weil der – geständige – Angeklagte sich nicht anders als geschehen hätte verteidigen können. Dies führt zum Wegfall der im Fall II. 6. der Urteilsgründe verhängten Einzelstrafe von einem Jahr und sechs Monaten.
Rz. 6
c) Der Strafausspruch weist keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf.
Rz. 7
aa) Zwar ist die in den Fällen II. 2. und 4. der Urteilsgründe – Taten zu Ziffer 1 und 3 der Anklageschrift – angestellte strafschärfende Erwägung, der Angeklagte habe „mit dem Handeltreiben die gefährlichste Alternative des § 29a BtMG” verwirklicht, rechtlich bedenklich, weil sie mit dem Verbot der Doppelverwertung von Tatbestandsmerkmalen (§ 46 Abs. 3 StGB) in Konflikt zu geraten droht (vgl. BGH, Urteil vom 11. Februar 1999 – 4 StR 657/98, BGHSt 44, 361, 366; Beschlüsse vom 23. November 1999 – 5 StR 316/99, NJW 2000, 597, 598; vom 24. September 2009 – 3 StR 294/09, StV 2010, 133; und vom 11. Mai 2017 – 5 StR 175/17, juris; siehe auch BGH, Beschluss vom 17. Mai 1996 – 3 StR 631/95, BGHSt 42, 162, 164; Urteil vom 4. Februar 2015 – 2 StR 266/14, NStZ 2015, 344, 355; Beschluss vom 14. September 2016 – 2 StR 376/16, juris; differenzierend Patzak, in: Körner/Patzak/Volkmer, BtMG, 9. Aufl., Vor §§ 29 ff., Rn. 101; Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, 6. Aufl., Rn. 1807). Denn es erschließt sich auch unter Berücksichtigung des Gesamtzusammenhangs der Urteilsgründe nicht, aus welchem Grund das Landgericht dem vom Angeklagten verwirklichten Handeltreiben mit 50 Gramm Kokain (Fall II. 1. der Urteilsgründe) bzw. sechs Kilogramm Marihuana (Fall II. 2. der Urteilsgründe), das nicht erkennbar über das zur Tatbestandserfüllung Erforderliche hinausreichte, im konkreten Fall strafschärfendes Gewicht beigemessen hat. Angesichts des Umstands, dass das Landgericht in beiden Fällen ungeachtet der erheblichen Betäubungsmittelmengen minder schwere Fälle angenommen hat und die Einzelstrafen mit neun Monaten bzw. einem Jahr außergewöhnlich milde bemessen sind, schließt der Senat ein Beruhen des Urteils auf dieser rechtlich bedenklichen strafschärfenden Erwägung aus.
Rz. 8
bb) Der Wegfall der Einzelstrafe im Fall II. 6. der Urteilsgründe lässt den Ausspruch über die Gesamtstrafe unberührt. Der Senat schließt aus, dass das Tatgericht bei zutreffender konkurrenzrechtlicher Bewertung eine noch mildere Gesamtstrafe verhängt hätte.
Rz. 9
2. Die Einziehungsentscheidung konnte aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts nicht bestehen bleiben, soweit die Einziehung zweier in der Entscheidungsformel näher bezeichneter Mobiltelefone angeordnet worden ist. Die Urteilsgründe ergeben nicht, dass die Voraussetzungen des § 74 StGB vorlagen und die Mobiltelefone zur Begehung der verfahrensgegenständlichen Taten eingesetzt oder hierfür bestimmt waren. Der Senat hat die Einziehungsentscheidung daher mit Zustimmung des Generalbundesanwalts insoweit gemäß § 421 Abs. 1 Nr. 2 StPO beschränkt.
Rz. 10
3. Ebenfalls aus Gründen der Prozessökonomie hat der Senat mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft die Entscheidung über die Einziehung des Wertes von Taterträgen gemäß § 421 Abs. 1 Nr. 2 StPO beschränkt, soweit diese die vom Angeklagten in bar erhaltene Entlohnung in Höhe von insgesamt 3.850 Euro übersteigt.
Rz. 11
4. Das Urteil kann jedoch keinen Bestand haben, soweit eine Entscheidung über die Frage der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) unterblieben ist.
Rz. 12
a) Nach den Feststellungen konsumierte der Angeklagte seit mehreren Jahren Marihuana; seine Tagesdosis betrug im verfahrensgegenständlichen Zeitraum mehrere Gramm pro Tag. Während der Untersuchungshaft nahm der Angeklagte eine Drogenberatung in Anspruch und verzichtete seit anderthalb Monaten auf den Konsum von Betäubungsmitteln. Die verfahrensgegenständlichen Betäubungsmitteltaten beging der Angeklagte eigenen und von der Strafkammer für glaubhaft erachteten Angaben zufolge jedenfalls auch, um besser an Betäubungsmittel zum Eigenkonsum zu gelangen.
Rz. 13
b) Diese Feststellungen drängten zur Prüfung der Frage, ob die Voraussetzungen für eine Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) gegeben sind.
Rz. 14
Die Feststellungen zum Konsum lassen es als nicht fernliegend erscheinen, dass bei dem Angeklagten die Voraussetzungen für die Annahme eines Hangs im Sinne des § 64 Satz 1 StGB gegeben sind (vgl. BGH, Beschluss vom 17. Mai 2018 – 3 StR 166/18, juris Rn. 12 mwN). Sie legen auch nahe, dass die abgeurteilten Taten in einem symptomatischen Zusammenhang mit dem Hang stehen. Anhaltspunkte dafür, dass keine hinreichend konkrete Aussicht besteht, ihn von einem Hang durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist des § 67d Abs. 1 Satz 1 oder 3 StGB zu heilen oder über eine längere Zeit vor einem Rückfall zu bewahren, sind nicht ersichtlich.
Rz. 15
c) Das neue Tatgericht wird daher – unter Hinzuziehung eines Sachverständigen (§ 246a StPO) – über die Frage der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt neu zu verhandeln und zu entscheiden haben.
Rz. 16
Der Umstand, dass nur der Angeklagte Revision eingelegt hat, steht dem nicht entgegen. Die Nichtanordnung der Maßregel hat der Angeklagte von seinem Revisionsangriff nicht ausgenommen.
Unterschriften
Sost-Scheible, Roggenbuck, Quentin, Feilcke, Bartel
Fundstellen
Haufe-Index 13542452 |
RPsych 2020, 171 |