Entscheidungsstichwort (Thema)
Beihilfe zur unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge
Tenor
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 28. April 1999 nach § 349 Abs. 4 StPO aufgehoben. Der Angeklagte wird freigesprochen.
Die Staatskasse trägt die Kosten des Verfahrens und die dem Angeklagten entstandenen notwendigen Auslagen.
Der Angeklagte ist für die vom 22. September 1998 bis 28. April 1999 vollzogene Untersuchungshaft aus der Staatskasse zu entschädigen.
Gründe
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen dreier Fälle der Beihilfe zur unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Die Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge Erfolg. Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung des Urteils und zur Freisprechung des Angeklagten.
1. Der Verurteilung des Landgerichts liegt die Feststellung zugrunde, daß der Angeklagte im Jahre 1991 dreimal die Einfuhr eines Koffers mit jeweils etwa 1,2 Kilogramm Kokain aus Bolivien in die Schweiz vermittelte.
Mit den festgestellten Tathandlungen hat der Angeklagte entgegen der Auffassung des Landgerichts nicht zu einem Verbrechen der Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (§ 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG) Beihilfe geleistet. Einfuhr von Betäubungsmitteln wird durch deren Verbringen über eine ausländische Grenze nicht verwirklicht, erfordert vielmehr das – hier nicht gegebene – Verbringen der Betäubungsmittel über die deutsche Hoheitsgrenze aus dem Ausland in den Geltungsbereich des Betäubungsmittelgesetzes (Körner, BtMG 4. Aufl. § 29 Rdn. 431; Weber, BtMG 1999 § 2 Rdn. 36; BGHSt 31, 374, 375; 34, 180, 181; BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 - Einfuhr 25, 30).
Dies ergibt sich eindeutig aus Wortlaut (§ 2 Abs. 2 BtMG) und Systematik des Betäubungsmittelgesetzes, das zwischen Einfuhr von Betäubungsmitteln einerseits und deren Ausfuhr sowie auch Durchfuhr andererseits differenziert. Die Vorschrift des § 6 Nr. 5 StGB, wonach für den „unbefugten Vertrieb von Betäubungsmitteln” das Weltrechtsprinzip gilt, gibt – entgegen der Auffassung des Landgerichts – keinen Anlaß zu darüber hinausgehender erweiterter Auslegung des Einfuhrtatbestandes. Allein durch die Pönalisierung des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln wird eine ausreichend effektive Umsetzung des Weltrechtsprinzips im innerdeutschen Strafrecht realisiert.
Soweit sich der Angeklagte mit seinen Taten als Gehilfe oder Mittäter des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln (in nicht geringer Menge) schuldig gemacht hat, sind die 1991 begangenen, damals nach § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. Abs. 3 Nr. 4 BtMG strafbaren Taten nach § 78 Abs. 3 Nr. 4, Abs. 4 i.V.m. § 2 Abs. 1 StGB verjährt.
Da weitergehende Feststellungen für eine Strafbarkeit des Angeklagten wegen der abgeurteilten Taten nicht zu erwarten sind, ist auf Freispruch durchzuerkennen. Dessen Vorrang vor einer Einstellung wegen Verfolgungsverjährung nimmt der Senat – in Übereinstimmung mit dem Generalbundesanwalt – nach der erfolgten Aburteilung des Angeklagten durch das Landgericht wegen eines aus Rechtsgründen nicht erfüllten Verbrechens nach § 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG an (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO 44. Aufl. § 260 Rdn. 46).
2. Der Freispruch erfaßt auch den ursprünglichen Anklagevorwurf gegen den Angeklagten, die Lieferung von drei Kokainkoffern von Bolivien in die Schweiz im Jahre 1993 vermittelt zu haben. Mit der Revision erachtet der Senat durch die Aburteilung entsprechender 1991 begangener Handlungen auch die Grenzen der Tatidentität gegenüber der Anklage (§ 264 StPO) nicht als eingehalten. Die Verteidigung hat unter Hinweis auf den Inhalt der Anklageschrift zutreffend dargetan, daß die Staatsanwaltschaft neben den angeklagten, im Jahre 1993 begangenen Taten – letzte Kofferlieferungen an den Schweizer Mair – andere gleichartige, bereits im Jahre 1991 verübte Taten angenommen hatte, welche sie jedoch – zutreffend – wegen Verjährung nicht angeklagt hatte. Indem das Landgericht festgestellt hat, daß der Angeklagte an den – ohne seine Mitwirkung fortgeführten – Kokainlieferungen bereits seit Ende 1991 nicht mehr mitgewirkt hatte, hat es keine abweichende Feststellung über die Tatzeit der angeklagten Fälle getroffen, sondern nicht angeklagte frühere Fälle anstelle der angeklagten abgeurteilt.
Aus dem Gesamtzusammenhang des Urteils ergibt sich zugleich eindeutig, daß das Landgericht eine Mitwirkung des Angeklagten an den angeklagten, im Jahre 1993 erfolgten Lieferungen aus tatsächlichen Gründen als nicht gegeben ansah.
3. Die Entschädigungsentscheidung folgt aus § 2 Abs. 1, § 8 Abs. 1 StrEG. Mangels Sacheinlassung kommt eine Versagung der Entschädigung nicht in Betracht.
Unterschriften
Harms, Basdorf, Nack, Tepperwien, Gerhardt
Fundstellen
Haufe-Index 541035 |
NStZ 2000, 150 |
StV 2000, 620 |
www.judicialis.de 1999 |