Verfahrensgang
LG Karlsruhe (Urteil vom 28.05.2018) |
Tenor
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Karlsruhe – auswärtige Strafkammer Pforzheim – vom 28. Mai 2018, soweit es ihn betrifft, mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit von einer Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt abgesehen worden ist.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen. Der Schuldspruch wird jedoch dahin neu gefasst, dass der Angeklagte wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit vorsätzlichem Besitz eines verbotenen Gegenstandes, unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in fünf Fällen und unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in drei Fällen verurteilt ist.
Gründe
Rz. 1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen „unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln unter Mitführung von Waffen in Tateinheit mit vorsätzlichem Besitz eines verbotenen Gegenstandes”, unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in fünf Fällen und unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt und die Einziehung von Wertersatz in Höhe von 14.380 Euro angeordnet. Die auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten erzielt den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg; im Übrigen ist sein Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
Rz. 2
1. Schuld- und Strafausspruch begegnen keinen rechtlichen Bedenken. Entsprechend dem Antrag des Generalbundesanwalts ist der Schuldspruch jedoch neu zu fassen.
Rz. 3
2. Die Nichtanordnung der Maßregel der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) hält sachlich-rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Der Generalbundesanwalt hat hierzu in seiner Antragsschrift zutreffend ausgeführt:
„Nach den Feststellungen konsumiert der Angeklagte seit seinem 20. Lebensjahr regelmäßig Marihuana. Diesen anfänglichen Konsum steigerte er mit dem 25. Lebensjahr auf zwei bis drei Joints in der Woche. Im Jahre 2016 begann er auch mit dem Konsum von Kokain. Die Dosis lag bei etwa 3 bis 5 Gramm in der Woche. Der Beginn des Kokainkonsums führte zu einer weiteren Verstärkung des Marihuanakonsums. Der Kokainkonsum war immer wieder von längeren Pausen unterbrochen; Entzugserscheinungen traten beim Angeklagten nicht auf, auch nicht in der Untersuchungshaft. Bereits vor seiner Inhaftierung hat er seinen Konsum von Betäubungsmitteln reduziert und zeitweise vollständig eingestellt (UA S. 8 f., 24 ff., 36 ff.).
Das Landgericht hat hinsichtlich der verfahrensgegenständlichen Taten festgestellt, dass der Angeklagte durch den Verkauf von Betäubungsmitteln auch seinen Eigenkonsum finanzierte (UA S. 34, 36).
Die Strafkammer geht, gestützt auf die Ausführungen des Sachverständigen, davon aus, dass bei dem Angeklagten ein Hang, berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, nicht festzustellen sei. Bei ihm handle es sich um einen sozial gut integrierten Menschen, der einen Beruf erlernt habe und dessen Lebensumstände durch den Konsum von Betäubungsmitteln nicht erheblich tangiert seien. Es sei daher nicht von einem Abhängigkeitssyndrom auszugehen (UA S. 36 f.).
Diese Ausführungen lassen besorgen, dass das Landgericht rechtsfehlerhaft von einem zu engen Verständnis eines Hangs im Sinne des § 64 StGB ausgegangen ist.
Dabei genügt für die Annahme eines Hanges (§ 64 Satz 1 StGB) bereits eine erworbene intensive Neigung, immer wieder Rauschmittel im Übermaß zu sich zu nehmen, wobei noch keine psychische Abhängigkeit bestehen muss (vgl. nur Senat, Beschluss vom 6. Dezember 2017 – 1 StR 415/17). Die Beeinträchtigung der Gesundheit oder der Arbeits- und Leistungsfähigkeit durch den Rauschmittelkonsum indiziert zwar ein Hang im Sinne des § 64 Satz 1 StGB, ihr Fehlen schließt diesen indes nicht aus (Senat a.a.O. m.w.N.).
Angesichts der Feststellung des Landgerichts, dass die verfahrensgegenständlichen Taten auch der Finanzierung von Betäubungsmitteln zum Eigenkonsum dienen sollten, kann die Ursächlichkeit des längeren Missbrauchs von verschiedenen Betäubungsmitteln für die soziale Gefährdung und soziale Gefährlichkeit des Angeklagten nicht verneint werden. Die Annahme eines Hanges steht schließlich nicht entgegen, dass der Angeklagte immer wieder in der Lage war, seinen Rauschmittelkonsum zu verringern oder einzustellen.
Da das Vorliegen der übrigen Unterbringungsvoraussetzungen nicht von vornherein ausscheidet, muss über die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt neu verhandelt und entschieden werden. Die im Hinblick auf die Nichtanordnung der Maßregel getroffenen Feststellungen waren mit aufzuheben (§ 353 Abs. 2 StPO), weil sie infolge des rechtsfehlerhaften Verständnisses zum Hangbegriff ihrerseits nicht tragfähig sind. Das Verschlechterungsverbot steht einer Nachholung der Unterbringungsanordnung nicht entgegen (§ 358 Abs. 2 Satz 3 StPO; Senat, Beschluss vom 5. September 2017 – 1 StR 350/17 m.w.N.).”
Rz. 4
Dem schließt sich der Senat an.
Unterschriften
Jäger, Bellay, Cirener, Fischer, Pernice
Fundstellen
Dokument-Index HI12512743 |