Verfahrensgang

LG Leipzig (Entscheidung vom 11.07.2022; Aktenzeichen 8 KLs 108 Js 3862/22)

 

Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Leipzig vom 11. Juli 2022 im Strafausspruch aufgehoben.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

3. Die weitergehende Revision wird verworfen.

 

Gründe

Rz. 1

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen bewaffneter Einfuhr von Betäubungsmitteln in Tateinheit mit vorsätzlichem Führen einer Schusswaffe zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten verurteilt. Seine hiergegen gerichtete Revision hat mit der Sachrüge den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

Rz. 2

1. Nach den Feststellungen führte der langjährig suchtmittelabhängige Angeklagte Anfang des Jahres 2022 im Intercity der Deutschen Bahn von Österreich nach L.     insgesamt 8,98 Gramm Methamphetamin mit einer Wirkstoffmasse von mindestens 6,43 Gramm Methamphetamin-Base und 21,89 Gramm Marihuana mit einer Gesamtwirkstoffmasse von 2,67 Gramm THC sowie zugriffsbereit in seiner Jackentasche einen funktionsfähigen, mit fünf „Pfefferpatronen“ geladenen und gespannten Schreckschussrevolver sowie zehn Reizstoffkartuschen wissentlich und willentlich mit sich. Die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten war im Tatzeitpunkt erheblich eingeschränkt (§ 21 StGB).

Rz. 3

Die Strafe hat das Landgericht unter Heranziehung des vertypten Milderungsgrundes des § 21 StGB dem Strafrahmen des minder schweren Falls gemäß § 30a Abs. 3 BtMG entnommen, wobei es eine Sperrwirkung des § 30 Abs. 1 BtMG hinsichtlich der Mindeststrafe angenommen und insoweit einen minder schweren Fall nach § 30 Abs. 2 BtMG verneint hat.

Rz. 4

2. Die Ablehnung eines minder schweren Falles nach § 30 Abs. 2 BtMG mit Blick auf die vom Landgericht angenommene Sperrwirkung des § 30 Abs. 1 BtMG erweist sich als durchgreifend rechtsfehlerhaft. Das Landgericht hat bei seiner Prüfung die Umstände, welche zur Annahme eines minder schweren Falles nach § 30a Abs. 3 BtMG geführt haben, nicht erneut herangezogen. Insbesondere hat es den vertypten Milderungsgrund des § 21 StGB unberücksichtigt gelassen. Soweit Formulierungen im Urteil darauf hindeuten, dass es gemeint haben könnte, die Heranziehung des vertypten Milderungsgrundes und weiterer bei § 30a Abs. 3 BtMG berücksichtigter Milderungsgründe habe diese für eine Prüfung des minder schweren Falles bei dem im Wege der Gesetzeskonkurrenz verdrängten Straftatbestand (§ 30 Abs. 2 BtMG) „verbraucht“, trifft dies nicht zu. Die Vorschrift des § 50 StGB erfasst nicht die Strafrahmenwahl im Verhältnis zwischen im Wege der Gesetzeskonkurrenz verdrängenden und verdrängten Straftatbeständen. Für die zu vergleichenden Mindeststrafen gilt, da es um die Ermittlung der gerechten Strafe geht, eine konkrete Betrachtung, so dass auch jeweils vorliegende vertypte und allgemeine Strafmilderungsgründe zu berücksichtigen sind (vgl. BGH, Beschlüsse vom 25. Mai 2021 - 5 StR 72/21; vom 25. August 2020 - 2 StR 241/20; vom 18. April 2018 - 2 StR 1/18).

Rz. 5

3. Der Rechtsfehler führt zur Aufhebung der verhängten Freiheitsstrafe. Da lediglich Wertungsfehler inmitten stehen, können die der Strafzumessung zugrundeliegenden Feststellungen aufrechterhalten werden. Das neue Tatgericht kann ergänzende Feststellungen treffen, soweit sie den bestehenden nicht widersprechen (vgl. zum Umgang mit rechtskräftigen Urteilen anderer Staaten der Europäischen Union im Rahmen der Strafzumessung BGH, Beschluss vom 26. Januar 2022 - 3 StR 461/21).

Gericke     

Mosbacher     

Köhler

Resch     

von Häfen     

 

Fundstellen

Haufe-Index 15472855

NStZ-RR 2023, 16

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