Verfahrensgang
LG Dortmund (Urteil vom 10.05.2011) |
Tenor
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Dortmund vom 10. Mai 2011 mit den Feststellungen aufgehoben,
- soweit der Angeklagte im Fall II. 5 der Urteilsgründe verurteilt worden ist,
- in den Gesamtstrafenaussprüchen.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Gründe
Rz. 1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Raubes in drei Fällen und versuchter räuberischer Erpressung zu der Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sieben Monaten und wegen Hehlerei unter Einbeziehung einer anderweitig verhängten Strafe zu der weiteren Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Monaten verurteilt. Die auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten erzielt mit der Sachrüge den aus dem Beschlusstenor ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
Rz. 2
1. Die Verurteilung des Angeklagten wegen Hehlerei im Fall II. 5 der Urteilsgründe begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
Rz. 3
a) Hierzu hat das Landgericht das Folgende festgestellt:
Rz. 4
Am Abend des 15. Oktober 2009 kaufte der Angeklagte von einem unbekannt gebliebenen Vortäter ein Handy, welches dieser am selben Abend zuvor durch einen Handtaschenraub an sich gebracht hatte. Der Angeklagte, der dem Unbekannten nach seiner nicht widerlegten Einlassung 90 EUR zahlte, handelte in dem Bewusstsein, dass das Handy aus einer gegen fremdes Vermögen gerichteten, rechtswidrigen Straftat stammte.
Rz. 5
b) Die Nämlichkeit der Tat – die Anklage ging von einem vom Angeklagten selbst begangenen Straßenraub aus – ist hier gewahrt (§ 264 StPO). Dies folgt aus der Identität des Tatobjekts sowie der zeitlichen und örtlichen Nähe der Raub- sowie der Hehlereihandlung (vgl. zur prozessualen Tatidentität zwischen Raub und Hehlerei BGH, Beschluss vom 7. Juli 1999 – 1 StR 262/99, NStZ 1999, 523). Der Umstand, dass die Staatsanwaltschaft in der Anklage von einer Tatbegehung am 19. Oktober 2009 ausging, steht dem nicht entgegen.
Rz. 6
c) Die Feststellungen des Landgerichts belegen jedoch nicht die für eine Verurteilung nach § 259 StGB erforderliche Bereicherungsabsicht des Angeklagten. Eine Strafbarkeit wegen Hehlerei setzt voraus, dass der Täter im Zeitpunkt der Tatbegehung – hier der Ankauf des Handys – in der Absicht gehandelt hat, sich oder einen Dritten zu bereichern, d.h. einen Vermögensvorteil zu erlangen oder dem Dritten zu verschaffen (Fischer, StGB, 59. Aufl., § 259 Rn. 26). Hierfür genügt grundsätzlich der Ankauf zum – vom Täter als solchem erkannten – Marktpreis nicht; auch wenn sich der Täter, wie er weiß, eine vergleichbare Sache ebenso günstig und ebenso leicht auf einwandfreie Weise hätte verschaffen können, fehlt es an der Bereicherungsabsicht (BGH, Urteile vom 9. September 1966 – 4 StR 237/66, bei Dallinger MDR 1967, 369, und vom 6. März 1968 – 3 StR 38/68, GA 1969, 62, 63). Anhaltspunkte dafür, dass der Angeklagte hier das Handy in der Absicht gewinnbringender Weiterveräußerung erworben hat (vgl. dazu BGH, Urteile vom 5. November 1980 – 2 StR 488/80, bei Holtz MDR 1981, 267, und vom 31. Januar 1978 – 5 StR 533/77, GA 1978, 372 (Ls.); Fischer, aaO), ergeben sich aus den Feststellungen des angefochtenen Urteils nicht; er hat es vielmehr selbst benutzt.
Rz. 7
Die Verurteilung wegen Hehlerei hat daher keinen Bestand. Da die insoweit vom Landgericht getroffenen Feststellungen von der aufgezeigten Gesetzesverletzung betroffen werden, hebt der Senat diese – über den Antrag des Generalbundesanwalts hinausgehend – gemäß § 353 Abs. 2 StPO ebenfalls auf.
Rz. 8
2. Die Aufhebung des Urteils im Fall II. 5 der Urteilsgründe entzieht der (zweiten) Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Monaten die Grundlage.
Rz. 9
Unabhängig davon begegnen beide Gesamtstrafenaussprüche durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Insoweit hat der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom 28. November 2011 Folgendes ausgeführt:
„Das Landgericht hat dem Strafbefehl des Amtsgerichts Dortmund vom 28.07.2009 zu Unrecht Zäsurwirkung beigemessen. Eine solche Wirkung entfaltet nur eine unerledigte Vorverurteilung (Fischer, StGB, 58. Aufl., § 55 Rn. 9, 10, m.w.N.). Nach den Feststellungen war die Strafe von 40 Tagessätzen aus diesem Strafbefehl zum Zeitpunkt des Urteilserlasses aber bereits im Wege der Vollstreckung als Ersatzfreiheitsstrafe verbüßt (UA S. 8). Demnach wären die Strafen aus den Urteilen (richtig: Demnach wäre die Strafe aus dem Urteil) des Amtsgerichts Senftenberg vom 08.06.2010 und die Einzelstrafen für die hiesigen Taten gesamtstrafenfähig.
Weiterhin wäre zu prüfen gewesen, ob – was nahe liegt, wenngleich sich das Urteil nicht zu den für eine Gesamtstrafenbildung maßgeblichen Daten verhält – auch die Strafen aus dem Urteil des Amtsgerichts Wetter vom 11.06.2010 (UA S. 8 f.) in die nachträgliche Gesamtstrafenbildung gemäß § 55 StGB einzubeziehen waren.
Es ist nicht auszuschließen, dass der Angeklagte durch die unrichtige Gesamtstrafenbildung beschwert ist. Der neue Tatrichter wird unter Beachtung des Verschlechterungsverbots (§ 358 Abs. 2 Satz 1 StPO) und unter Darlegung der für die nachträgliche Gesamtstrafenbildung maßgeblichen Daten (vgl. hierzu Senat, Beschluss vom 11.01.2011 – 4 StR 450/10) über die Gesamtstrafenbildung insgesamt neu zu befinden haben.”
Rz. 10
Dem tritt der Senat bei.
Unterschriften
Ernemann, Roggenbuck, Cierniak, Mutzbauer, Bender
Fundstellen
Haufe-Index 2888043 |
wistra 2012, 148 |
Kriminalistik 2012, 294 |
NJW-Spezial 2012, 121 |