Verfahrensgang

OLG Köln (Urteil vom 27.09.1990; Aktenzeichen 7 U 42/90)

LG Köln (Urteil vom 28.11.1989; Aktenzeichen 5 O 191/86)

 

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des 7. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 27. September 1990 - 7 U 42/90 - wird nicht angenommen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Revisionsverfahrens (§ 97 Abs. 1 ZPO).

Streitwert: 915.070,43 DM

 

Gründe

Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 554 b ZPO). Die Revision hat auch im Ergebnis keine Aussicht auf Erfolg (BVerfGE 54, 277).

Zu Recht hat das Berufungsgericht den Tatbestand einer Amtspflichtverletzung der Beklagten darin erblickt, dass die Beklagte es versäumt hat, die - geänderte - Bauvoranfrage der Klägerin vom 16. Oktober 1984 ordnungsgemäß und rechtzeitig positiv zu bescheiden.

a) Unter den Parteien steht außer Streit, dass das Bauvorhaben der Klägerin zumindest nach Maßgabe jener Änderung planungsrechtlich zulässig im Sinne des § 34 BBauG (= BauGB) gewesen ist.

b) Dass die Verzögerung der Entscheidung über ein Baugesuch - entsprechendes gilt für eine Bauvoranfrage - den Tatbestand einer Amtspflichtverletzung erfüllen kann; ist in der Rechtsprechung des Senats schon seit langem anerkannt (Senatsurteile vom 24. Januar 1972 - III ZR 9/70, WM 1972, 743 und vom 18. Juni 1970 - ZR 13/67, WM 1970, 1252; Senatsbeschluss vom 21. September 1989 - III ZR 41/88, BGHR BGB § 839 Satz 1 Baugenehmigung).

c) Das Berufungsgericht hat in rechtsfehlerfreier tatrichterlicher Würdigung festgestellt, dass die der Beklagten zuzubilligende "angemessene" Bearbeitungszeit hier spätestens Ende November/Anfang Dezember 1984 abgelaufen war, so dass die Entscheidung zeitlich vor dem Ratsbeschluss vom 03. Dezember - der seinerseits die Ursache für die weitere Verzögerung setzte - ergangen sein musste.

aa) Aus der Regelung der verwaltungsrechtlichen Untätigkeitsklage (§ 75 VwGO) lässt sich entgegen der Auffassung der Revision kein Hinweis darauf herleiten, dass eine Pflichtverletzung erst bei einer Verzögerung von mindestens drei Monaten angenommen werden könne. Die für eine Untätigkeitsklage erforderliche Dreimonatsfrist stellt lediglich eine besondere Prozessvoraussetzung dar; dies schließt nicht etwa die Möglichkeit aus, dass auch ein kürzerer Verzögerungszeitraum zu einer Schädigung des Bürgers führen kann, für die die Verwaltung einzustehen hat, soweit die sonstigen Voraussetzungen einer schuldhaften Pflichtverletzung erfüllt sind (Senatsbeschluss vom 21. September 1989, aaO.; insoweit in BGHR, aaO. nicht abgedruckt).

bb) Bei der Bemessung der Bearbeitungsfrist ist hier von wesentlicher Bedeutung, dass die Bauvoranfrage vom 16. Oktober 1984 lediglich eine Modifizierung der früheren vom 16. April 1984 gewesen war. Zwar mochte es sich formal um ein neues, selbständiges Verwaltungsverfahren gehandelt haben. Zu berücksichtigen ist jedoch, dass die entscheidungserheblichen Fragen über die planungsrechtliche Zulässigkeit des Bauvorhabens bereits in dem früheren Verfahrensstadium abgeklärt worden waren. Die neue Bauvoranfrage hatte den erklärten Zweck, durch die Verminderung der Verkaufsfläche auf unter 1.000 qm das in jener früheren Verfahrensphase zutage getretene Bedenken gegen die Zulässigkeit des Vorhabens auszuräumen. Im Übrigen konnten die Ergebnisse der früheren Prüfung unverändert für die Entscheidung über den neuen Antrag übernommen und genutzt werden. Dies musste sich in einer wesentlichen Abkürzung der Bearbeitungsdauer für den neuen Antrag niederschlagen. Dementsprechend bestand auch bei der Bauverwaltung der Beklagten ab Mitte November 1984 keinerlei Zweifel darüber, dass der Antrag im Sinne einer positiven Erteilung des Bauvorbescheids entscheidungsreif war.

cc) Für diese Entscheidung bedurfte es weder einer Beteiligung des Rates, noch einer solchen des Planungsausschusses. Vielmehr war nach der {Zuständigkeitsordnung der Stadt B. über die Verteilung von Entscheidungsbefugnissen des Rates auf Ratsausschüsse und den Stadtdirektor vom 26. Juni 1984 vorgesehen, dass der Stadtdirektor über die Genehmigung zur Ausführung von Vorhaben innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile im Sinne von § 34 BBauG (allein) entschied; es handelte sich mithin um ein "einfaches Geschäft der laufenden Verwaltung", das im Namen des Rates als auf den Gemeindedirektor übertragen galt (§ 28 Abs. 3 GO NW).

d) Die Frage, ob die geänderten Planungsabsichten der Gemeinde einen hinreichenden Grund dafür bilden konnten, die Entscheidung über die Bauvoranfrage so lange zurückzustellen, bis der Aufstellungsbeschluss über einen Bebauungsplan gefasst war, ist vom Berufungsgericht zu Recht verneint worden.

aa) Allerdings ist es nicht grundsätzlich unzulässig, dass eine Gemeinde einen Bauantrag, der nach der bestehenden Rechtslage positiv beschieden werden muss, zum Anlass nimmt, ändernde Planungsmaßnahmen einzuleiten und diese nach Maßgabe der §§ 14, 15 BBauG zu sichern. So ist es beispielsweise denkbar, dass die Gemeinde den Zeitraum, der für eine ordnungsgemäße Bearbeitung der Bauvoranfrage ohnehin erforderlich ist, zugleich dazu nutzt, derartige Maßnahmen zu ergreifen. Liegt dann in dem Zeitpunkt, zu dem die ordnungsgemäße, ermessensfehlerfreie und zügige Bearbeitung des Gesuchs abgeschlossen sein muss, der Aufstellungsbeschluss für eine geänderte Planung gemäß § 14 BBauG vor, ist die Gemeinde nicht gehindert, beispielsweise eine Zurückstellung des Vorhabens nach § 15 BBauG zu beantragen. Eine derartige Verfahrensweise müsste vom Antragsteller hingenommen werden.

bb) Damit ist indes der vorliegende Fall nicht zu vergleichen, der sein Gepräge dadurch erhält, dass die Entscheidungsreife der Bauvoranfrage positiv feststand, bevor sich die Planungsabsichten der Gemeinde änderten und die ersten diesbezüglichen Maßnahmen ergriffen wurden. Selbst wenn das Vorhaben den Intentionen des Gemeinderats als des zuständigen Ortsgesetzgebers zuwiderlaufen mochte, so änderte dieser Umstand nichts daran, dass das Vorhaben planungsrechtlich zulässig war und die Klägerin auf den positiven Bescheid einen Anspruch hatte. Dieser Anspruch durfte nicht dadurch vereitelt werden, dass die Entscheidung bis zur Aufstellung des Bebauungsplans zurückgestellt wurde. Das Berufungsgericht weist zutreffend darauf hin, dass die durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützte Rechtsposition des Grundeigentümers so lange zu beachten ist, wie die Planung nicht aufgrund des gesetzlich vorgesehenen planerischen Instrumentariums gesichert werden kann. Die bewusste Nichtbearbeitung des entscheidungsreifen Baugesuchs zu dem Zweck, jenes planerische Instrumentarium überhaupt erst in Funktion zu setzen, war daher amtspflichtwidrig.

2. Ob eine Ersatzpflicht der Beklagten noch unter weiteren, zusätzlichen Gesichtspunkten besteht, braucht nicht entschieden zu werden. Insbesondere kann offenbleiben, ob der Aufstellungsbeschluss vom 03. Dezember 1984 und die zugleich mitbeschlossene Veränderungssperre verfahrensfehlerhaft, nämlich unter Verstoß gegen § 33 Abs. 1 Satz 5 GO NW, zustande gekommen sind und ob sie inhaltliche Mängel deswegen aufwiesen, weil sie dem vom Oberverwaltungsgericht Münster später für rechtswidrig erklärten Planungsziel dienten, die Flächen dem produzierenden Gewerbe vorzubehalten und großflächige Einzelhandelsbetriebe auszuschließen.

Ebenso bedarf es keiner Klärung, ob und wie sich eine etwaige Rechtswidrigkeit des Ratsbeschlusses vom 03. Dezember 1984 auf den Zurückstellungsbescheid vom 04. Januar 1985 ausgewirkt hat.

 

Fundstellen

Haufe-Index 2993111

NJW 1993, 1791

BGHR BGB § 839 Abs. 1 S. 1 Bauvorbescheid 2

BGHR BGB § 839 Abs. 1 Satz 1 Bauvorbescheid 2

BGHR BauGB § 15 Planungsabsichten, geänderte 1

NVwZ 1993, 299

BayVBl 1992, 444

VersR 1992, 1354

BRS 1993, 236

BRS 53 Nr. 66

UPR 1992, 233

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