Verfahrensgang
LG Aachen (Urteil vom 20.04.2007) |
Tenor
Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Aachen vom 20. April 2007 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe
Rz. 1
Das Landgericht hat die Angeklagte wegen schwerer Brandstiftung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt. Dagegen wendet sich die Revision der Angeklagten mit der Sachrüge. Das Rechtsmittel hat Erfolg.
Rz. 2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts leidet die Angeklagte an einer schweren Borderline-Störung vom impulsiven Typ mit selbstschädigendem und selbstverletzendem Verhalten, seit 2004 zusätzlich an einer Grand-Mal-Epilepsie, die medikamentös behandelt wird. Aufgrund der Schwere und der erheblichen überdauernden Ausprägung der Persönlichkeitsstörung handelt es sich um eine schwere andere seelische Abartigkeit im Sinne des § 20 StGB. Das Landgericht ist – der Sachverständigen folgend – davon ausgegangen, dass die Angeklagte zum Tatzeitpunkt zwar in der Lage war, das Unrecht ihrer Tat einzusehen, dass aber ihre Fähigkeit, nach dieser Einsicht zu handeln, erheblich eingeschränkt war.
Rz. 3
Die Ausführungen des Landgerichts zur eingeschränkten Steuerungsfähigkeit der Angeklagten begegnen durchgreifenden Bedenken. Nach den Urteilsfeststellungen (UA S. 7) verspürte die Angeklagte zum Tatzeitpunkt plötzlich den unwiderstehlichen Drang, ein Feuer in ihrer Wohnung zu entzünden und die Wohnung hierdurch zu zerstören, und setzte daher mit einem Feuerzeug an zwei Stellen der Wohnung Unrat bzw. Wäsche in Brand. Wenn die Angeklagte aus einem für sie unwiderstehlichen Drang heraus gehandelt hat, war ihre Steuerungsfähigkeit gänzlich aufgehoben, nicht nur erheblich vermindert. Hierfür könnten auch die Urteilsausführungen UA S. 16 sprechen, dass die Angeklagte nach den Erkenntnissen der Sachverständigen nicht in der Lage sei, innere Anspannung ohne Dissoziationen, insbesondere durch selbstverletzendes Verhalten, abzubauen. Das Landgericht hätte deshalb näher darlegen müssen, aufgrund welcher Umstände es zu der Auffassung gelangt ist, dass die Angeklagte jedenfalls in eingeschränktem Umfang entsprechend ihrer Unrechtseinsicht hätte handeln können.
Rz. 4
2. Der neue Tatrichter wird, falls er eine aufgehobene oder erheblich verminderte Schuldfähigkeit der Angeklagten bejaht, erneut deren Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus zu prüfen haben (§ 358 Abs. 2 Satz 3 StPO n.F.). Insoweit weist der Senat vorsorglich darauf hin, dass die Auffassung des Landgerichts, es fehle bei der Angeklagten an dem von § 63 StGB vorausgesetzten länger dauernden Zustand, nach den bisherigen Feststellungen nicht zutrifft. Bei der Angeklagten ist eine dauerhaft vorliegende Borderline-Persönlichkeitsstörung mit dem Schweregrad einer anderen seelischen Abartigkeit festgestellt worden. In von ihr als belastend empfundenen Situationen gerät die Angeklagte in Anspannungszustände, in denen sie nicht mehr in der Lage ist, umfassend entsprechend ihrer Einsicht in das Recht oder Unrecht ihres Tuns zu handeln. Solche Situationen treten angesichts der labilen Disposition der Angeklagten immer wieder einmal auf (UA S. 19). Damit sind aber die Anforderungen an den Zustand im Sinne des § 63 StGB erfüllt: erforderlich ist nicht, dass der Täter ununterbrochen schuldunfähig oder vermindert schuldfähig ist, sondern dass seine Befindlichkeit aufgrund einer länger dauernden seelischen Störung derart beschaffen ist, dass bereits alltägliche Ereignisse die akute erhebliche Beeinträchtigung der Schuldfähigkeit in Bezug auf eine konkrete Tat auslösen können (vgl. BGHSt 44, 369, 374 ff; BGH NStZ-RR 2005, 370, 371).
Unterschriften
Rissing-van Saan, Bode, Fischer, Roggenbuck, Schmitt
Fundstellen
Haufe-Index 2564485 |
NStZ-RR 2008, 141 |
NStZ-RR 2008, 167 |