Verfahrensgang
LG Gießen (Urteil vom 27.02.2017) |
Tenor
1. Auf die Revision des Angeklagten P. wird das Urteil des Landgerichts Gießen vom 27. Februar 2017 mit den Feststellungen aufgehoben; die Feststellungen zum objektiven Tatgeschehen bleiben jedoch aufrechterhalten.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Tatbestand
Rz. 1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Beihilfe zum besonders schweren Raub zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt. Gegen den nicht revidierenden Mitangeklagten A. hat es wegen besonders schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung sowie gefährlicher Körperverletzung auf eine Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und vier Monaten, gegen den ebenfalls nicht revidierenden Mitangeklagten F. und gegen den Mitangeklagten Z. jeweils wegen besonders schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung auf Freiheitsstrafen von vier Jahren und neun Monaten bzw. fünf Jahren und vier Monaten erkannt.
Rz. 2
Die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Erfolg; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
I.
Rz. 3
Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
Rz. 4
1. Die Mitangeklagten A., F. und Z. planten in Litauen, einen Raubüberfall in Deutschland zu verüben, um Schmuck und Uhren zu erbeuten. Zu diesem Zweck besorgten sie sich eine Spielzeugpistole, zwei Hämmer und drei Pfeffersprays. Der Mitangeklagte F. kontaktierte den ihm bekannten Angeklagten und vereinbarte mit ihm, dass dieser für die Durchführung eines Überfalls – insbesondere für die Flucht – drei Fahrräder nach Deutschland transportieren sollte. Am 10. Oktober 2016 fuhren A., F. und Z. gemeinsam nach F., der Angeklagte brachte mit einem Mietwagen drei Fahrräder nach Deutschland. Ein bis zwei Tage vor dem Überfall übergab F. dem Angeklagten in F. den in Litauen versprochenen Lohn für den Transport in Höhe von 500 Euro. Die Angeklagten entschlossen sich, einen Juwelier in B. zu überfallen und kundschafteten am 13. Oktober 2016 das Juweliergeschäft R. aus. Nach näherer Absprache mit F. stellte der Angeklagte die drei Fahrräder im Bereich des Kurparks – etwa 100 Meter vom Juweliergeschäft entfernt – ab. Dabei war ihm bewusst, dass die Mitangeklagten die Räder zur Flucht nach dem Raubüberfall verwenden wollten.
Rz. 5
Die Mitangeklagten A., F. und Z. verabredeten spätestens jetzt den genauen Tatablauf. Der Angeklagte wusste, dass die Mitangeklagten bei dem Überfall neben einer Spielzeugpistole auch Pfefferspray zumindest zur Drohung einsetzen wollten, womit er sich billigend abfand. Entsprechend dem gemeinsamen Tatplan begaben sich die Mitangeklagten am späten Vormittag des 14. Oktober 2016 zum Juweliergeschäft. A. betrat als erster das Geschäft, bedrohte den Zeugen Ö. mit der Spielzeugpistole und sprühte ihm Pfefferspray in das Gesicht. Während er den zu Boden gegangenen Zeugen Ö. trat und mit der Pistole in Schach hielt, schlugen F. und Z. mit ihren Hämmern die Vitrinen ein und erbeuteten 52 hochwertige Uhren im Wert von ca. 76.000 Euro. Als der Zeuge Ö. versuchte, sich durch den Einsatz von Reizgas zu verteidigen, traten die Mitangeklagten den Rückzug aus dem Geschäft an. Sie flohen anschließend mit den bereitgestellten Fahrrädern. Auf der Flucht legten sie an einem zuvor bestimmten Platz am Teich des Kurparks die Rucksäcke mit der Tatbeute ab und fuhren mit dem Zug nach F.. Dort trafen sie den Angeklagten und bestimmten ihn, am Abend die Beute aus B. abzuholen. Nachdem ein erster Versuch des Angeklagten, die geraubten Uhren zu holen, gescheitert war, wurden die Rucksäcke mit der Beute von der Polizei aufgefunden; die Uhren gelangten dadurch an den Ladeninhaber zurück. Der Angeklagte und die Mitangeklagten wurden am nächsten Tag festgenommen.
Rz. 6
2. Das Landgericht hat angenommen, der Angeklagte habe in dem Wissen, dass die Mitangeklagten einen Raubüberfall auf ein Juweliergeschäft unter Einsatz von Pfefferspray und unter Vorhalt einer Spielzeugpistole verüben wollten, die Fluchtfahrräder bereitgestellt.
Entscheidungsgründe
II.
Rz. 7
Die Verurteilung des Angeklagten wegen Beihilfe zum besonders schweren Raub hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand, weil das Landgericht seine Überzeugung, der Einsatz des Pfeffersprays beim Überfall sei vom Vorsatz des Angeklagten umfasst gewesen, nicht tragfähig begründet hat.
Rz. 8
1. Zwar muss das Revisionsgericht die Überzeugung des Tatgerichts vom Vorliegen eines Sachverhalts grundsätzlich hinnehmen. So ist es ihm verwehrt, seine eigene Überzeugung an die Stelle derjenigen des Tatrichters zu setzen. Zu prüfen ist aber, ob die tatrichterliche Überzeugung in den Feststellungen und den sie tragenden Beweiserwägungen eine ausreichende Grundlage findet. Deshalb müssen die Urteilsgründe erkennen lassen, dass die Beweiswürdigung auf einer tragfähigen, verstandesmäßig einsehbaren Tatsachengrundlage beruht und die vom Tatrichter gezogenen Schlussfolgerungen nicht nur eine Vermutung darstellen (st. Rspr., vgl. Senat, Beschluss vom 16. Juni 2015 – 2 StR 29/15, StV 2015, 740; BGH, Beschluss vom 22. August 2013 – 1 StR 378/13, StV 2014, 610).
Rz. 9
2. Das Landgericht hat seine Überzeugung, dass der Angeklagte wusste, dass die Mitangeklagten beim Überfall eine Spielzeugpistole und Pfefferspray zumindest zur Drohung einsetzen wollten, aus einer „Gesamtschau aller Umstände und Indizien” hergeleitet. Dabei hat es indes im Einzelnen lediglich auf den auf eigene Kosten erfolgten Transport der Fahrräder nach Deutschland, die Übergabe des Transportlohns zwei Tage vor dem Überfall, das Bereitstellen der Fahrräder in der Nähe des im Navigationsgerät des Angeklagten gespeicherten Tatorts, den Auftrag zum Abholen der Beute und die gemeinsame Nutzung eines Hotelzimmers mit dem Mitangeklagten F. abgestellt.
Rz. 10
Diese Umstände vermögen zwar zu belegen, dass der Angeklagte wusste, dass die Mitangeklagten einen Überfall auf das Juweliergeschäft planten, und er sie dabei durch das Bereitstellen der Fahrräder am Tatort unterstützen wollte. Sie tragen aber nicht die Annahme, der Angeklagte sei im Vorfeld über die näheren, zwischen den Tätern abgesprochenen Details des Überfalls – insbesondere die zum Einsatz zu bringenden Tatmittel – informiert worden.
Rz. 11
3. Der dargelegte Rechtsfehler führt zur Aufhebung des Schuld- und Rechtsfolgenausspruchs. Die auf rechtsfehlerfreier Beweiswürdigung beruhenden Feststellungen zum objektiven Tatgeschehen bleiben aber aufrechterhalten, da sie vom aufgezeigten Rechtsfehler nicht betroffen sind (§ 353 Abs. 2 StPO).
Unterschriften
Schäfer, Appl, Eschelbach, Zeng, Grube
Fundstellen
Haufe-Index 11549897 |
ZAP 2018, 877 |
NStZ-RR 2018, 119 |