Verfahrensgang
LG München I (Urteil vom 15.09.2014) |
Tenor
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts München I vom 15. September 2014 im Ausspruch über den Vorwegvollzug eines Teils der Jugendstrafe aufgehoben, der Ausspruch entfällt.
2. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird verworfen.
3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels und die dem Nebenkläger im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Gründe
Rz. 1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Totschlags, einer Vielzahl von Körperverletzungsdelikten und wegen weiterer Straftaten zu einer Jugendstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten verurteilt, seine Unterbringung in der Entziehungsanstalt angeordnet sowie bestimmt, dass drei Jahre und sechs Monate der Jugendstrafe vor der Maßregel vollzogen werden. Die Revision führt mit der näher ausgeführten Sachrüge zur Aufhebung und zum Wegfall des Vorwegvollzuges eines Teils der Jugendstrafe (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist sie aus den vom Generalbundesanwalt in seiner Zuschrift genannten Gründen im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO unbegründet. Der Erörterung bedarf nur Folgendes:
Rz. 2
1. Angesichts der rechtsfehlerfreien Feststellung einer Therapiedauer von zwei Jahren hat das Landgericht den Zeitraum des Vorwegvollzuges der Maßregel nicht wie nach § 105 Abs. 1, § 7 Abs. 1 JGG i.V.m. § 67 Abs. 2 Satz 2 und 3 StGB geboten auf ein Jahr und neun Monate, sondern fehlerhaft auf drei Jahre und sechs Monate festgesetzt. Aufgrund der Dauer der nunmehr bereits verbüßten und anzurechnenden Untersuchungshaft bleibt für die Anordnung des Vorwegvollzugs kein Raum; die Anordnung hat deshalb zu entfallen (vgl. BGH, Beschluss vom 24. September 2013 – 2 StR 397/13, NStZ-RR 2014, 58 mwN).
Rz. 3
2. Eine Revisionserstreckung auf den nichtrevidierenden Mitangeklagten nach § 357 StPO (zur vergleichbaren Rechtsfrage bei § 69 Abs. 1 StGB Senatsurteil vom 4. November 2014 – 1 StR 233/14) findet nicht statt, da sich die Dauer des Vorwegvollzuges nach der jeweils individuellen Therapiedauer richtet (vgl. BGH, Beschluss vom 24. November 2009 – 4 ARs 18/09; umfassend zur Problematik BGH, Beschlüsse vom 23. September 2009 – 2 StR 305/09, NStZ 2010, 32 und vom 16. Dezember 2009 – 2 StR 305/09, NStZ-RR 2010, 118 mwN). Zudem ist es stets möglich, dass bei dem Nichtrevidenten aus in seiner Person liegenden Gründen nach Eintritt der Rechtskraft die Anordnung des Vorwegvollzuges gemäß § 67 Abs. 3 Satz 1 StGB durch die zuständige Strafvollstreckungskammer geändert oder aufgehoben wurde.
Rz. 4
3. Die Kammer hat zwar nicht nach § 5 Abs. 3 JGG i.V.m. § 105 Abs. 1 JGG ausdrücklich erörtert, ob von Jugendstrafe deshalb abgesehen werden muss, weil die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt die Ahndung durch den Richter entbehrlich macht (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 26. Mai 2011 – 4 StR 159/11, StraFo 2011, 288; Altenhain/Laue in MüKo-StGB, 2. Aufl., § 5 JGG Rn. 22 ff. mwN). Dies erweist sich jedoch im vorliegenden Fall als unschädlich. Angesichts der rechtsfehlerfrei begründeten Höhe der Jugendstrafe und der prognostizierten Therapiedauer lag ein Absehen von Jugendstrafe fern (vgl. zum Fernliegen der Anwendung von § 5 Abs. 3 JGG bei sehr hoher Jugendstrafe und einer Maßregel nach § 64 StGB auch BGH, Beschluss vom 8. Juli 2009 – 2 StR 227/09). Was fern liegt, bedarf regelmäßig keiner ausdrücklichen Erörterung (vgl. Senat, Urteil vom 20. Mai 2014 – 1 StR 90/14). Zudem kann der Senat angesichts der geschilderten Umstände ausschließen, dass das Landgericht in Anwendung von § 5 Abs. 3 JGG keine Jugendstrafe verhängt hätte.
Rz. 5
4. Angesichts des nur geringen Teilerfolgs der Revision ist es nicht unbillig, den Beschwerdeführer insgesamt mit den Kosten seines Rechtsmittels und den Auslagen des Nebenklägers zu belasten (§ 473 Abs. 1 und 4 StPO).
Unterschriften
Rothfuß, Graf, Radtke, Mosbacher, Fischer
Fundstellen