Verfahrensgang
LG Potsdam (Urteil vom 27.11.2015) |
Tenor
Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Potsdam vom 27. November 2015 werden nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
Die Beschwerdeführer haben die der Nebenklägerin durch ihre Revisionen jeweils entstandenen notwendigen Auslagen und die Beschwerdeführer H. F.und S. die Kosten ihres Rechtsmittels zu tragen. Es wird davon abgesehen, dem Angeklagten A. F. die Kosten seines Rechtsmittels aufzuerlegen.
Gründe
Ergänzend bemerkt der Senat:
1. Die Angeklagten A. F. und S. machen in Beweisantragsrügen jeweils geltend, dass die Jugendkammer ein aussagepsychologisches Gutachten hinsichtlich der Nebenklägerin hätte einholen müssen. Zur Begründung ihrer Beweisanträge stützen sie sich zentral auf Widersprüche zwischen der Aussage der Nebenklägerin in der Hauptverhandlung und ihren Angaben bei den polizeilichen Vernehmungen. Die Rügen genügen auch deswegen den Voraussetzungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO nicht, weil die diesbezüglichen Vernehmungsniederschriften nicht mitgeteilt werden.
2. Der Angeklagte A. F. hat ferner bei seiner Rüge der Verletzung des absoluten Revisionsgrundes nach § 338 Nr. 5 StPO die Anforderungen an das Rügevorbringen verfehlt. Er trägt zwar vor, die Entlassverhandlung in Bezug auf die Nebenklägerin und Hauptbelastungszeugin habe in seiner Abwesenheit (§ 247 StPO) stattgefunden. Jedoch ergibt sich aus dem Protokoll über die Sitzung vom 9. März 2015 (Sachakten Bl. 3305), dass nach Unterrichtung des Angeklagten über den wesentlichen Inhalt der Vernehmung der Zeugin und unmittelbar vor deren Entlassung in seiner Anwesenheit zweimal „die weitere Verfahrensweise besprochen” worden ist. Die Revision hätte sich dazu verhalten müssen, ob – was naheliegt – in diesem Rahmen die Frage der Entlassung und ein Verzicht des Angeklagten auf weitere Fragen an die Zeugin erörtert worden sind (vgl. BGH, Urteil vom 8. April 1998 – 3 StR 643/97, BGHR StPO § 247 Abwesenheit 18 mwN).
3. Die Inbegriffsrügen des Angeklagten S. hinsichtlich der „Chats” zwischen ihm und dem Angeklagten A. sowie Fotos auf dem Mobiltelefon des Zeugen M. versagen schon deswegen, weil der Angeklagte weder die gesamte Verschriftung des „Chatverlaufs” noch die fraglichen Fotos vorgelegt hat. Ohne deren Kenntnis vermag der Senat die Begründetheit des Vorbringens nicht zu prüfen.
4. Die durch den Angeklagten H. F. erhobene Beweisantragsrüge betreffend ein ärztliches Attest kann nicht durchdringen. In seinem Antrag hat der Angeklagte durch Zeugnis der behandelnden Ärztin unter Beweis gestellt, dass der Zeuge H. „in der Hauptverhandlung vom 9. April 2015 gelogen hat, als er bekundete, seine Ärztin hätte ihm für sein Nichterscheinen in der hiesigen Hauptverhandlung am 26. März 2015 ein Gefälligkeitsattest ausgestellt”. Damit ist keine bestimmte Tatsache unter Beweis gestellt, die der eigenen Wahrnehmung der benannten Zeugin unterliegt, sondern lediglich ein Beweisziel benannt; zudem weist der Begriff des „Gefälligkeitsgutachtens” wertenden Charakter auf (dazu etwa KK-StPO/Krehl, 7. Aufl., § 244 Rn. 74 f. mwN). Durch die Aufklärungspflicht (§ 244 Abs. 2 StPO) war die Jugendkammer nicht gehalten, der durch den Angeklagten aufgeworfenen, in der Sache peripheren Frage näher nachzugehen.
Im Hinblick auf die Vielzahl der Verfahrensrügen hätte eine Revisionsgegenerklärung der Staatsanwaltschaft die Prüfung durch das Revisionsgericht wesentlich erleichtert (Nr. 162 Abs. 2 Satz 1 RiStBV).
Unterschriften
Sander, Schneider, Dölp, König, Feilcke
Fundstellen
Haufe-Index 9553387 |
NStZ-RR 2017, 133 |