Entscheidungsstichwort (Thema)
Antrag eines Notars auf Entlassung aus dem Amt. Disziplinarverfahren. Versagung der Weiterführung der Amtsbezeichnung
Leitsatz (amtlich)
Ist ein Notar, nachdem gegen ihn ein Disziplinarverfahren mit dem Ziel der Entfernung aus dem Amt eingeleitet worden war, auf seinen Antrag aus seinem Amt entlassen worden (§ 48 BNotO), so dient das Verfahren über die Weiterführung der Amtsbezeichnung nicht dazu, eine umfassende Klärung der gegen ihn erhobenen disziplinarrechtlichen Vorwürfe herbeizuführen; vielmehr darf die Weiterführung der Amtsbezeichnung schon dann versagt werden, wenn die gegen den ehemaligen Notar gerichteten Vorwürfe nach Aktenlage plausibel waren.
Normenkette
BNotO § 52 Abs. 2
Verfahrensgang
OLG Frankfurt am Main (Beschluss vom 15.11.2006; Aktenzeichen 2 Not 5/06) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des 2. Senats für Notarsachen des OLG vom 15.11.2006 wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen und die dem Antragsgegner im Beschwerdeverfahren entstandenen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Der Geschäftswert wird für beide Rechtszüge auf 3.000 EUR festgesetzt.
Gründe
[1] Der Antragsteller ist seit 1985 zur Rechtsanwaltschaft zugelassen und wurde im Jahr 1996 zum Notar mit Amtssitz in L. bestellt.
[2] Mit Disziplinarverfügung vom 10.12.2001 setzte der Präsident des LG L. gegen den Antragsteller wegen verschiedener Verstöße gegen seine notariellen Amtspflichten aus den Jahren 1997 bis 2000 eine Geldbuße von 20.000 DM fest. Die dagegen vom Antragsteller eingelegte Beschwerde wies die Präsidentin des OLG mit Bescheid vom 5.8.2002 zurück. Den hiergegen gerichteten Antrag des Antragstellers auf gerichtliche Entscheidung wies sodann das OLG durch Beschluss vom 10.2.2005 mit der Maßgabe zurück, dass die Geldbuße auf 5.000 EUR ermäßigt wurde.
[3] Mit Verfügung vom 24.3.2005 leitete die Präsidentin des OLG ein förmliches Disziplinarverfahren gegen den Antragsteller mit dem Ziel der Amtsenthebung (§ 97 Abs. 1 Satz 1 Var. 3 BNotO) ein, setzte dieses bis zum rechtskräftigen Abschluss eines gegen den Antragsteller beim LG S. anhängigen Strafverfahrens aus und enthob diesen zugleich vorläufig seines Amtes. Diese Verfügung stützt sich auf eine Vielzahl weiterer, ab 1998 begangener Verstöße des Antragstellers gegen seine notariellen Amtspflichten. Auf seinen Antrag entließ die Präsidentin des OLG den Antragsteller mit Verfügung vom 18.4.2005 zum 30.8.2005 aus dem Notaramt; gleichzeitig nahm sie seine vorläufige Amtsenthebung zurück.
[4] Am 9.8.2005 hat der Antragsteller beim Antragsgegner beantragt, nach seinem Ausscheiden aus dem Notaramt die Bezeichnung "Notar außer Dienst (a.D.)" führen zu dürfen. Diesen Antrag hat der Präsident des LG L. mit Bescheid vom 5.5.2006 abgelehnt. Den hiergegen gerichteten Antrag des Antragstellers auf gerichtliche Entscheidung hat das OLG mit Beschluss vom 15.11.2006 zurückgewiesen. Gegen diese, ihm am 4.12.2006 zugestellte Entscheidung richtet sich die am 15.12.2006 beim OLG eingegangene sofortige Beschwerde des Antragstellers, mit der er sein ursprüngliches Begehren weiterverfolgt.
II.
[5] Die sofortige Beschwerde ist zulässig (§ 111 Abs. 4 BNotO, § 42 Abs. 4 BRAO), bleibt in der Sache jedoch ohne Erfolg. Das OLG hat den Antrag auf gerichtliche Entscheidung zutreffend zurückgewiesen; denn der Antragsgegner hat durch die Ablehnung des Begehrens des Antragstellers, nach seinem Ausscheiden aus dem Notaramt die Bezeichnung "Notar außer Dienst (a.D.)" zu führen, weder die gesetzlichen Grenzen des ihm durch § 52 Abs. 2 Satz 2 BNotO eingeräumten Ermessens überschritten noch von diesem in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht (vgl. § 111 Abs. 1 Satz 3 BNotO).
[6] Gemäß § 52 Abs. 1 BNotO darf ein Notar nach dem Erlöschen seines Amtes die Bezeichnung "Notar" grundsätzlich nicht mehr führen, auch nicht mit einem Zusatz, der auf das Erlöschen des Amtes hinweist. Jedoch kann die Landesjustizverwaltung dem früheren Anwaltsnotar nach § 52 Abs. 2 Satz 2 BNotO u.a. dann die Erlaubnis erteilen, seine frühere Amtsbezeichnung "Notar" mit dem Zusatz "außer Dienst (a.D.)" weiterzuführen, wenn er - wie hier - durch Entlassung (§ 48 BNotO) aus dem Amt scheidet. Durch diese Regelung wollte der Gesetzgeber erreichen, dass der Eindruck eines unehrenhaften Ausscheidens aus dem Amt vermieden wird, wenn ein Anwaltsnotar seine Notartätigkeit etwa aus wirtschaftlichen Überlegungen aufgibt. Daher darf die Justizverwaltung die Weiterführung der Amtsbezeichnung nur verweigern, wenn besondere Gründe die Ausübung des Ermessens in diese Richtung rechtfertigen. Worin derartige Gründe gesehen werden können, regelt das Gesetz nicht ausdrücklich. Die Ermessensausübung hat sich daher an dessen Zweck zu orientieren. Wie sich der Regelung der Voraussetzungen, unter denen nach § 52 Abs. 2 BNotO die Erlaubnis erteilt und gem. § 52 Abs. 3 Satz 1 BNotO (zur vom Gesetzgeber bisher versäumten Anpassung dieser Bestimmung an die Änderung des § 47 BNotO durch das Dritte Gesetz zur Änderung der Bundesnotarordnung und anderer Gesetze vom 31.8.1998 - BGBl. I, 2585 - vgl. Custodis in Eylmann/Vaasen, BNotO/BeurkG 2. Aufl., § 52 BNotO Rz. 19) wieder zurückgenommen werden kann, entnehmen lässt, will das Gesetz u.a. verhindern, dass ein unwürdiger früherer Notar durch den weiteren Gebrauch der Amtsbezeichnung das Ansehen und das Vertrauen schädigt, die dem Notarberuf entgegengebracht werden. Dienstverfehlungen des Notars können es daher rechtfertigen, die Erlaubnis zur Weiterführung der Amtsbezeichnung zu versagen, wobei es nicht erforderlich ist, dass diese Verfehlungen ohne das freiwillige Ausscheiden des Notars zu dessen Entfernung aus dem Amt geführt hätten (s. insg. BGH vom 9.5.1988 - NotZ 9/87 = DNotZ 1989, 316, 317 f.).
[7] Nach der Rechtsprechung des Senats genügen andererseits leichte und mittelschwere Disziplinarverstöße noch nicht. Den Schutz vor dem ungerechtfertigten Eindruck, er habe sein Amt aus unehrenhaften Gründen aufgeben müssen, verdient der freiwillig aus dem Amt scheidende Anwaltsnotar erst dann nicht mehr, wenn seine Verfehlungen von erheblichem Gewicht waren. Er muss seine Dienstpflichten in grob unredlicher Weise verletzt und dadurch das Vertrauen in die Verlässlichkeit und Sicherheit notarieller Amtsausübung schwer erschüttert haben (BGH, Beschlüsse vom 10.8.1987 - NotZ 6/87 = DNotZ 1988, 259 f.; vom 9.5.1988 - NotZ 9/87 = DNotZ 1989, 316, 318). Die dem Antragsteller hier in der Einleitungsverfügung angelasteten Amtsverstöße sind derart zahlreich und wiegen teilweise für sich so schwer, dass sie der Antragsgegner im Rahmen des ihm eröffneten Ermessens als ausreichend gewichtig erachten durfte, um dem Antragsteller die Erlaubnis nach § 52 Abs. 2 Satz 2 BNotO zu versagen. Es handelte sich um eine Vielzahl von Verstößen gegen Treuhandauflagen, gegen das Verbot, bei Handlungen mitzuwirken, die erkennbar unerlaubte oder unredliche Zwecke verfolgen, gegen das Gebot der Unparteilichkeit und gegen die Pflichten aus den §§ 12, 17 und 54b Abs. 3 Satz 8 BeurkG. Der Grundsatz der Einheitlichkeit des Dienstvergehens ist für diese Beurteilung ohne Belang (BGH, Beschl. v. 10.8.1987 - NotZ 6/87 = DNotZ 1988, 259 f.).
[8] Entgegen der Ansicht des Antragstellers durfte sich der Antragsgegner bei seiner Entscheidung auf die Ergebnisse seiner disziplinarrechtlichen Vorermittlungen stützen. Diese ergaben ein derart erdrückendes Beweisbild für die kontinuierliche Missachtung notarieller Amtspflichten durch den Antragsteller, dass sie geeignet waren, die Ablehnung des Antrags nach § 52 Abs. 2 Satz 2 BNotO zu rechtfertigen, auch wenn nicht in jedem Einzelpunkt eine jedes tatsächliche und rechtliche Detail durchdringende formelle Aufklärung der Vorwürfe stattgefunden hat. Der Antragsteller war wegen dieser Amtspflichtverletzungen teilweise bereits zu erheblichen Schadensersatzleistungen verurteilt worden. Beachtliche Gründe gegen die ihm gemachten Vorwürfe hat er nicht vorzubringen gewusst. Im Gegenteil war sein Verlangen auf Entlassung aus dem Amt (§ 48 BNotO) ersichtlich von dem Bestreben getragen, einer Entfernung aus diesem durch disziplinarrechtliches Urteil (§ 97 Abs. 1 Satz 1 Var. 3 BNotO) zuvor zu kommen. Zwar trägt der Antragsteller vor, er habe das Notaramt aus "eigenen Motiven" beziehungsweise "höchst persönlichen Gründen" niedergelegt. Er hat jedoch keinen einzigen plausiblen Grund zu nennen vermocht, der ihn unabhängig von den gegen ihn laufenden Disziplinar- und Strafverfahren - trotz weiterer Ausübung des Berufs eines Rechtsanwalts - zu diesem Schritt hätte veranlassen können. Solche sind auch nicht ersichtlich.
[9] Bei dieser Sachlage dient das Verfahren nach § 52 Abs. 2 BNotO nicht dazu, die gegen den Antragsteller ursprünglich erhobenen Vorwürfe nunmehr im Einzelnen zu klären und damit das formelle Disziplinarverfahren in anderem Gewande nachzuholen. Vielmehr muss sich der Antragsteller daran festhalten lassen, dass er durch seinen Antrag auf Entlassung aus dem Notaramt die abschließende disziplinarrechtliche Klärung der gegen ihn erhobenen Vorwürfe verhindert hat (vgl. Senatsbeschluss vom 26.3.2007 - NotZ 37/06 - Rz. 7). Nicht etwa gilt hier die Unschuldsvermutung. Es geht weder um die straf- noch um die disziplinarrechtliche Ahndung der vorgeworfenen Verstöße, sondern allein darum, ob der Antragsteller durch sein Verhalten das Vertrauen in die Verlässlichkeit und Sicherheit notarieller Amtsausübung so schwer erschüttert hat, dass es der Antragsgegner als angemessen ansehen durfte, ihm die Erlaubnis nach § 52 Abs. 2 Satz 2 BNotO zu versagen, so dass es ihm entsprechend dem Regelfall des § 52 Abs. 1 BNotO nicht gestattet ist, seine frühere Amtsbezeichnung weiterzuführen.
[10] Mit Recht hat der Antragsgegner darüber hinaus auch die (feststehenden) Amtspflichtverletzungen berücksichtigt, die Gegenstand der disziplinarrechtlichen Ahndung mit einer Geldbuße von letztlich 5.000 EUR waren. Denn auch wenn diese nur zu einer weniger gewichtigen disziplinarrechtlichen Ahndung geführt haben, werfen sie doch insoweit ein bezeichnendes Licht auf die notarielle Amtsführung des Antragstellers, dass sie kontinuierliche Pflichtverstöße über einen noch längeren Zeitraum erkennen lassen und zum anderen trotz ihrer disziplinarrechtlichen Würdigung den Antragsteller nicht davon abhielten, teils einschlägige Verstöße erneut zu begehen, wie sie in der Einleitungsverfügung vom 24.3.2005 beschrieben wurden.
[11] Nach alledem hat der Antragsgegner ermessensfehlerfrei entschieden, so dass sich die sofortige Beschwerde des Antragstellers als unbegründet erweist.
Fundstellen
Haufe-Index 1798764 |
BGHR 2007, 1203 |
EBE/BGH 2007 |
NJW-RR 2008, 140 |
ZAP 2008, 15 |
DNotZ 2008, 307 |
RENOpraxis 2007, 156 |
ZNotP 2007, 428 |