Normenkette
StPO § 406 Abs. 1; ZPO § 308 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Augsburg (Entscheidung vom 23.02.2022; Aktenzeichen J KLs 209 Js 125771/20 jug) |
Tenor
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Augsburg vom 23. Februar 2022 im Adhäsionsausspruch aufgehoben, soweit sich die Feststellung einer Schadensersatzpflicht des Angeklagten auf bereits entstandene materielle und immaterielle Schäden sowie auf zukünftige immaterielle Schäden bezieht. Von einer Entscheidung über die Feststellung einer Schadensersatzpflicht für zukünftige immaterielle Schäden wird abgesehen.
2. Die weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen.
3. Der Angeklagte trägt die Kosten seines Rechtsmittels, die insoweit entstandenen besonderen Kosten des Adhäsionsverfahrens und die der Neben- und Adhäsionsklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen.
Gründe
Rz. 1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern, wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in vier Fällen und wegen Besitzes kinderpornographischer Schriften zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt. Daneben hat es eine Adhäsionsentscheidung getroffen, wonach der Angeklagte an die Geschädigte ein Schmerzensgeld von 10.000 € nebst Zinsen zu zahlen hat. Weiter hat es festgestellt, dass der Angeklagte verpflichtet ist, der Geschädigten alle entstandenen und künftigen materiellen und immateriellen Schäden aus den verfahrensgegenständlichen vorsätzlichen unerlaubten Handlungen zu erstatten, soweit diese Ansprüche nicht auf Dritte übergegangen sind.
Rz. 2
Die hiergegen gerichtete, auf die Rüge einer Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision hat hinsichtlich des Adhäsionsausspruchs in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg und ist im Übrigen unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
Rz. 3
Der Generalbundesanwalt hat zur Abänderung des Adhäsionsausspruchs in seiner Antragsschrift zutreffend ausgeführt:
„a) Die Feststellung einer Schadensersatzpflicht des Angeklagten für bereits entstandene (materielle und immaterielle) Schäden der Nebenklägerin ist rechtsfehlerhaft. Damit hat die Strafkammer gegen das vom Revisionsgericht zu prüfende Verbot in § 308 Abs. 1 ZPO verstoßen, einer Partei etwas zuzusprechen, was sie nicht beantragt hat (vgl. BGH, Beschluss vom 23. März 2022 - 4 StR 363/21 -, Rn. 4 m.w.N.). Die Nebenklägerin hat lediglich die Feststellung beantragt, dass der Angeklagte ihr zum Ersatz von zukünftigen Schäden verpflichtet ist.
b) Die Feststellung einer Schadensersatzpflicht für zukünftige immaterielle Schäden findet keine ausreichende Stütze in den Urteilsgründen.
Verlangt der Geschädigte für erlittene Verletzungen ein Schmerzensgeld, so werden nach dem Grundsatz der Einheitlichkeit des Schmerzensgelds davon alle Schadensfolgen erfasst, die entweder bereits eingetreten und objektiv erkennbar sind oder deren Eintritt jedenfalls vorhergesehen und bei der Entscheidung berücksichtigt werden kann (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschluss vom 2. März 2022 - 4 StR 493/21 - Rn. 3).
Die Möglichkeit von Schäden, die nicht bereits im Rahmen der Verurteilung zu dem Schmerzensgeld Berücksichtigung finden konnten, erschließt sich aus den Urteilsgründen nicht. Für die Feststellung einer weitergehenden Ersatzpflicht ist somit kein Raum.
c) Der Adhäsionsausspruch ist daher aufzuheben, soweit die Feststellung einer Schadensersatzpflicht über den Ersatz zukünftiger materieller Schäden hinausgeht. Zumindest solche liegen in Anbetracht der Möglichkeit einer nochmaligen Therapie nicht fern. Soweit die Feststellung einer weitergehenden Ersatzpflicht beantragt war, ist von einer Entscheidung abzusehen (vgl. § 406 Abs. 1 Satz 3 StPO). Eine Zurückverweisung der Sache zur teilweisen Erneuerung des Adhäsionsverfahrens scheidet aus (vgl. BGH, Beschluss vom 2. März 2022 - 4 StR 493/21 -, Rn. 4 m.w.N.).“
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RiBGH Dr. Leplow befindet sich im Urlaub und ist deshalb gehindert zu unterschreiben. |
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Fundstellen
Dokument-Index HI15705775 |