Normenkette
StGB § 24 Abs. 1 S. 2
Verfahrensgang
LG Mannheim (Entscheidung vom 15.03.2022; Aktenzeichen 3 Ks 200 Js 29599/20 (2)) |
Tenor
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Mannheim vom 15. März 2022 im Strafausspruch aufgehoben.
2. Die weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Schwurgerichtskammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe
Rz. 1
Im ersten Rechtsgang hatte das Landgericht den Angeklagten wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von acht Jahren und neun Monaten verurteilt sowie Adhäsionsentscheidungen getroffen. Auf die hiergegen gerichtete Revision hatte der Senat mit Beschluss vom 7. Oktober 2021 - 1 StR 315/21 - das angefochtene Urteil mit Ausnahme der Feststellungen aufgehoben, da ein Rücktritt unter den Voraussetzungen des § 24 Abs. 1 Satz 1 Alternative 2 StGB nicht auszuschließen war. Nunmehr hat das Landgericht den Angeklagten erneut wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung verurteilt, und zwar zu einer Freiheitsstrafe von acht Jahren und drei Monaten. Daneben hat es wiederum gemäß den Adhäsionsanträgen des geschädigten Nebenklägers erkannt. Die gegen seine Verurteilung gerichtete Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung materiellen Rechts beanstandet, hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
Rz. 2
1. Gegen den Schuldspruch bestehen keine Bedenken. Das Landgericht hat rechtsfehlerfrei festgestellt, dass die ärztlichen Rettungskräfte aufgrund der Notrufe der Lebensgefährtin des Angeklagten oder einer Nachbarin entsandt wurden; das Telefonat des Angeklagten war nicht ursächlich.
Rz. 3
Dieses Gespräch ist auch nicht als „ernsthaftes“ Bemühen (§ 24 Abs. 1 Satz 2 StGB) zu werten. Denn das zusätzliche Tatbestandsmerkmal der Ernsthaftigkeit erfordert ein Ausschöpfen der aus Sicht des Täters ausreichenden Verhinderungsmöglichkeiten; er muss alles tun, was in seinen Kräften steht, mithin die am besten geeignete („optimale“) Rettungsmaßnahme ergreifen (st. Rspr.; BGH, Beschluss vom 5. Juli 2018 - 1 StR 201/18 Rn. 10; Urteile vom 7. Februar 2018 - 2 StR 171/17 Rn. 17 und vom 20. Mai 2010 - 3 StR 78/10 Rn. 11; je mwN). Der Angeklagte nannte trotz Nachfrage nicht einmal den Tatort (UA S. 8).
Rz. 4
2. Indes hält der Strafausspruch der sachlichrechtlichen Nachprüfung nicht stand:
Rz. 5
a) Das Landgericht hat in der Strafzumessung rechtsfehlerhaft den Inhalt des vorgenannten Telefonats straferschwerend berücksichtigt. In diesem Anruf behauptete der Angeklagte der Wahrheit zuwider gegenüber dem Polizeibeamten, der Nebenkläger habe ihn mit einem Messer angegriffen. Dies ist als noch zulässiges Verteidigungsverhalten zu werten. Die Grenze ist erst erreicht, wenn die wahrheitswidrige Notwehrbehauptung eine besonders verwerfliche Einstellung des Täters, etwa eine rechtsfeindliche Gesinnung, erkennen lässt oder die Ehre des Opfers verletzt (st. Rspr.; BGH, Beschlüsse vom 7. Dezember 2021 - 3 StR 411/21 unter 1.; vom 30. Januar 2020 - 4 StR 630/19 und vom 19. Dezember 2018 - 3 StR 391/18 Rn. 10; je mwN). Solches ist dem Telefoninhalt nicht zu entnehmen, auch nicht unter Berücksichtigung des Gesamtzusammenhangs der Urteilsgründe.
Rz. 6
b) Die Feststellungen sind von dem Wertungsfehler nicht betroffen und bleiben aufrechterhalten (§ 353 Abs. 2 StPO). Ergänzende Feststellungen, die den bisherigen nicht widersprechen, sind möglich.
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Fundstellen
Haufe-Index 15472878 |
NStZ-RR 2022, 338 |