Verfahrensgang
LG Münster (Urteil vom 06.03.2015) |
Tenor
1. Der Antrag der Angeklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der Revision gegen das Urteil des Landgerichts Münster vom 6. März 2015 wird zurückgewiesen.
2. Die Revision der Angeklagten gegen das vorbezeichnete Urteil wird als unzulässig verworfen.
Die Beschwerdeführerin hat die Kosten ihres Rechtsmittels zu tragen.
Gründe
Rz. 1
Die Angeklagte wurde am 6. März 2015 wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe verurteilt. Sie und ihr Verteidiger verzichteten ausweislich des Hauptverhandlungsprotokolls nach Verkündung des Urteils auf eine Rechtsmittelbelehrung.
Rz. 2
1. Die Revision der Angeklagten gegen dieses Urteil ist unzulässig, weil sie erst am 23. März 2015 und damit verspätet eingelegt wurde (§ 341 Abs. 1, § 349 Abs. 1 StPO).
Rz. 3
2. Ihr – rechtzeitiges – Wiedereinsetzungsgesuch hat keinen Erfolg, weil die Angeklagte nicht ohne eigenes Verschulden an der Fristwahrung gehindert war (§ 44 StPO).
Rz. 4
a) Zur Begründung ihres Wiedereinsetzungsgesuchs hat die Angeklagte in einer „Eidesstattlichen Versicherung” vorgetragen, sie habe ihren Pflichtverteidiger in Anwesenheit der Dolmetscherin mündlich unmittelbar nach Urteilsverkündung „angewiesen”, ein Rechtsmittel gegen das angefochtene Urteil einzulegen; ihr Verteidiger habe diese eindeutige Weisung missachtet. Abgesehen davon, dass, wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift zutreffend hervorhebt, die eigene eidesstattliche Versicherung eines Angeklagten kein zulässiges Mittel der Glaubhaftmachung ist (SSW-StPO/Tsambikakis, § 45 Rn. 17 mwN), ist die in dieser Erklärung enthaltene Behauptung, auf die zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrags Bezug genommen wird, schon nach dem Inhalt der weiteren Unterlagen, die zur Glaubhaftmachung vorgelegt werden, als widerlegt anzusehen. Ausweislich der Erklärung der bei dem Gespräch zwischen der Angeklagten und ihrem Verteidiger anwesenden Dolmetscherin hat die Angeklagte diesem lediglich mitgeteilt, sie wolle „Berufung” einlegen und einen „neuen Versuch starten”. Daraufhin habe ihr Verteidiger darauf hingewiesen, man habe für die Entscheidung über die Einlegung der Revision noch ein paar Tage Zeit, sie könne es sich – auch vor dem Hintergrund der am selben Tag eingegangenen Nachricht vom Tode ihres Bruders – daher in Ruhe überlegen und ihn dann anrufen, um ihm ihre endgültige Entscheidung mitzuteilen. Die Angeklagte habe dies bestätigt und ergänzend um einen Rückruf des Verteidigers gebeten, sollte sie sich selbst – möglicherweise wegen der Notwendigkeit, sich wegen des Todesfalles vorrangig um ihre familiären Angelegenheiten zu kümmern – nicht am letzten oder vorletzten Tag der Einlegungsfrist bei ihm gemeldet haben. Bestätigt wird die sachliche Richtigkeit dieser Erklärung, die auch von der Angeklagten nicht in Frage gestellt wird, durch den Inhalt des ebenfalls vorgelegten Schreibens des Verteidigers an die Postanschrift der Angeklagten am Tag vor Fristablauf, in dem er u.a. darlegt, er habe mehrfach, letztmalig am selben Tage, vergeblich versucht, diese telefonisch zu erreichen, um – absprachegemäß – ihre Entscheidung über die Rechtsmitteleinlegung zu erfahren.
Rz. 5
Danach kann keine Rede davon sein, dass die Frage der Einlegung eines Rechtsmittels unmittelbar nach der Urteilsverkündung verbindlich durch eine dahingehende Weisung der Angeklagten entschieden worden und ihr Pflichtverteidiger in der Folgezeit dieser Weisung abredewidrig nicht nachgekommen wäre. Vielmehr war die endgültige Entscheidung noch von einer entsprechenden Willensäußerung der Angeklagten abhängig.
Rz. 6
b) Im Übrigen bewertet auch die neue Wahlverteidigerin der Angeklagten in ihrer Stellungnahme zu dem Verwerfungsantrag des Generalbundesanwalts das Ergebnis des Gesprächs unmittelbar nach Urteilsverkündung dahin, der Pflichtverteidiger habe auf den Wunsch der Angeklagten nach Einlegung der Revision „ausweichend” geantwortet. Ein Angeklagter, der die definitive Zusage seines Verteidigers, ein Rechtsmittel einzulegen, noch nicht erhalten hat, kann aber während des Laufs der Einlegungsfrist nicht darauf vertrauen, dass dies gleichwohl geschieht (BGH, Beschluss vom 6. August 2009 – 3 StR 319/08, NStZ-RR 2009, 375; Tsambikakis aaO, § 44 Rn. 41).
Rz. 7
c) Vor diesem Hintergrund geht auch die Auffassung der neuen Wahlverteidigerin der Angeklagten fehl, ihr damaliger Pflichtverteidiger hätte rein vorsorglich Revision einlegen müssen, da mangels telefonischer Erreichbarkeit der Angeklagten eine definitive Klärung über die Rechtsmitteleinlegung innerhalb der Rechtsmittelfrist nicht erfolgen konnte. Gerade weil die Frage der Revisionseinlegung noch offen war, war es Sache der Angeklagten, dafür Sorge zu tragen, dass ihr Verteidiger sie für eine Rücksprache erreichen konnte (vgl. BGH, Beschluss vom 11. September 1996 – 2 StR 426/96, NStZ 1997, 95). Dass die Angeklagte, der die Wochenfrist zur Einlegung der Revision ausweislich ihrer eigenen Erklärung bekannt war, angenommen haben könnte, diese Frist sei eine reine Bedenkzeit und umfasse nicht zugleich die für den rein technischen Vorgang der Einlegung des Rechtsmittels erforderliche Zeitspanne, ist weder vorgetragen noch ersichtlich. Zwar war die Absendung des unter dem 12. März 2015 abgefassten, an die Postanschrift der Angeklagten in den Niederlanden gerichteten Schreibens ihres Pflichtverteidigers mit der Aufforderung, sich zur Frage der Einlegung der Revision nunmehr zu erklären, im Hinblick auf die am nächsten Tag ablaufende Frist ersichtlich verspätet und deshalb wenig sachdienlich. Das eigene Verschulden der Angeklagten wird dadurch aber nicht beseitigt (vgl. Senatsbeschluss vom 22. August 2012 – 4 StR 299/12).
Unterschriften
Sost-Scheible, Roggenbuck, Franke, Bender, Quentin
Fundstellen
Haufe-Index 8663130 |
NStZ 2016, 6 |
NStZ 2017, 172 |
AnwBl 2016, 73 |
NStZ-RR 2017, 98 |