Verfahrensgang
LG Schweinfurt (Beschluss vom 01.09.2014; Aktenzeichen 11 T 134/14) |
AG Schweinfurt (Beschluss vom 03.06.2014; Aktenzeichen 1 XVII 24/14) |
Tenor
Auf die Rechtsbeschwerde der Betroffenen wird der Beschluss der 1. Zivilkammer des LG Schweinfurt vom 1.9.2014 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das LG zurückverwiesen.
Wert: 5.000 EUR
Gründe
I.
Rz. 1
Die Betroffene wendet sich gegen die Anordnung der Betreuung und die Auswahl des Betreuers.
Rz. 2
Das AG hat nach Einholung eines psychiatrischen Sachverständigengutachtens und Anhörung der Betroffenen eine Betreuung für die Aufgabenkreise der Vermögenssorge, Gesundheitsfürsorge, Vertretung gegenüber Behörden, Versicherungen, Renten- und Sozialleistungsträgern, Entscheidung über Unterbringung und unterbringungsähnlichen Maßnahmen, Aufenthaltsbestimmung und Entgegennahme, Öffnen und Anhalten der Post angeordnet und den Sohn der Betroffenen, den Beteiligten zu 1), zum Betreuer bestellt.
Rz. 3
Gegen den ihr am 5.6.2014 zugestellten Beschluss hat die Betroffene am 12.6.2014 persönlich zu Protokoll der Geschäftsstelle des AG Beschwerde eingelegt und erklärt, dass sie die Betreuung nicht möchte. Am 12.8.2014 hat die Betroffene zu Protokoll der Geschäftsstelle des AG den Antrag gestellt, die Betreuung aufzuheben, ersatzweise einen Betreuerwechsel vorzunehmen. Das LG hat von einer erneuten Anhörung der Betroffenen abgesehen und die Beschwerde mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Betreuung nur die Aufgabenkreise Vermögenssorge, Gesundheitsfürsorge, Vertretung gegenüber Behörden, Versicherungen, Renten- und Sozialleistungsträgern und Entgegennahme, Öffnen und Anhalten der Post im Rahmen der übertragenen Aufgabenkreise umfasst. Mit der Rechtsbeschwerde möchte die Betroffene die Aufhebung der Betreuung erreichen.
II.
Rz. 4
Die Rechtsbeschwerde ist begründet und führt zur Aufhebung der angegriffenen Entscheidung und Zurückverweisung der Sache an das Beschwerdegericht.
Rz. 5
1. Die Rechtsbeschwerde rügt zu Recht als verfahrensfehlerhaft, dass das LG von einer erneuten persönlichen Anhörung der Betroffenen abgesehen hat.
Rz. 6
a) Nach § 278 Abs. 1 Satz 1 FamFG hat das Gericht den Betroffenen vor der (erstmaligen) Bestellung eines Betreuers oder der Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts persönlich anzuhören. Die Pflicht zur persönlichen Anhörung des Betroffenen besteht nach § 68 Abs. 3 Satz 1 FamFG grundsätzlich auch im Beschwerdeverfahren (Senat, Beschl. v. 11.8.2010 - XII ZB 171/10, FamRZ 2010, 1650 Rz. 5). Allerdings darf das Beschwerdegericht nach § 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG von der persönlichen Anhörung absehen, wenn diese bereits im ersten Rechtszug vorgenommen worden ist und von einer erneuten Anhörung keine neuen Erkenntnisse zu erwarten sind. Diese Voraussetzung ist insb. dann erfüllt, wenn die erstinstanzliche Anhörung des Betroffenen nur kurze Zeit zurückliegt, sich nach dem Akteninhalt keine neuen entscheidungserheblichen Tatsachen oder rechtlichen Gesichtspunkte ergeben, das Beschwerdegericht das in den Akten dokumentierte Ergebnis der erstinstanzlichen Anhörung nicht abweichend werten will und es auf den persönlichen Eindruck des Gerichts von dem Betroffenen nicht ankommt (Senat, Beschl. v. 2.3.2011 - XII ZB 346/10, FamRZ 2011, 805 Rz. 13 m.w.N.). Von einer erneuten Anhörung im Beschwerdeverfahren sind in der Regel jedoch dann neue Erkenntnisse zu erwarten, wenn der Betroffene im Beschwerdeverfahren erstmals den Wunsch äußert, ihm einen bestimmten Betreuer zu bestellen (vgl. Senatsbeschluss v. 16.3.2011 - XII ZB 601/10, FamRZ 2011, 880 Rz. 16). Gleiches gilt, wenn der Betroffene im erstinstanzlichen Verfahren zur Person des Betreuers nicht angehört worden ist und sich für das Beschwerdegericht Anhaltspunkte dafür ergeben, dass der Betroffene mit seinem Rechtsmittel auch das Ziel eines Betreuerwechsels verfolgt.
Rz. 7
b) Auf dieser rechtlichen Grundlage hätte das Beschwerdegericht im vorliegenden Fall nicht von einer erneuten Anhörung der Betroffenen absehen dürfen.
Rz. 8
Die Betroffene hat erstmals bei ihrer persönlichen Vorsprache auf der Geschäftsstelle des AG am 12.8.2014 zu Protokoll erklärt, dass sie ihren Sohn nicht zum Betreuer haben möchte, weil dieser ihr Geld stehle und dieses nach Südamerika schaffe. Aufgrund dieser Erklärung der Betroffenen hatte das Beschwerdegericht konkrete Anhaltspunkte dafür, dass die Betroffene mit der Bestellung des Beteiligten zu 1) zum Betreuer nicht einverstanden war und, falls die Betreuung nicht aufgehoben wird, zumindest eine andere Person als Betreuer vorziehen würde. Ob bei der erstinstanzlich durchgeführten Anhörung mit der Betroffenen bereits die Person des möglichen Betreuers erörtert worden ist oder die Betroffene einen entsprechenden Wunsch geäußert hat, lässt sich dem kurzen handschriftlichen Vermerk über diese Anhörung nicht entnehmen. Über die Ernsthaftigkeit des Wunsches der Betroffenen, dass ihr Sohn nicht zum Betreuer bestellt wird, hätte sich das Beschwerdegericht daher durch Anhörung der Betroffenen selbst ein Bild verschaffen müssen. Zwar mag es sein, dass es den von der Betroffenen gegen ihren Sohn konkret erhobenen Vorwürfen an Substanz mangelt. Um eine gute und vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen dem Betroffenen und seinem Betreuer zu gewährleisten, hat das Gericht jedoch den Wunsch des Betroffenen, eine bestimmte Person nicht als Betreuer zu bestellen (§ 1897 Abs. 4 Satz 2 BGB), bei seiner Auswahlentscheidung zu berücksichtigen (vgl. Senatsbeschluss v. 27.7.2011 - XII ZB 118/11, FamRZ 2011, 1577 Rz. 24). Von einer erneuten Anhörung des Betroffenen waren daher zusätzliche Erkenntnisse darüber zu erwarten, ob das Vertrauensverhältnis zwischen der Betroffenen und ihrem Sohn möglicherweise aus anderen Gründen gestört ist und die Bestellung des Beteiligten zu 1) zum Betreuer im vorliegenden Fall nicht dem Wohl der Betroffenen entspricht.
Rz. 9
2. Die angefochtene Entscheidung kann danach nicht bestehen bleiben. Der Senat vermag in der Sache nicht abschließend zu entscheiden. Die Sache ist deshalb an das LG zurückzuverweisen (§ 74 Abs. 6 FamFG).
Rz. 10
3. Von einer weiteren Begründung wird gem. § 74 Abs. 7 FamFG abgesehen.
Fundstellen
Haufe-Index 8656969 |
FamRZ 2016, 38 |
BtPrax 2016, 38 |