Verfahrensgang
LG Magdeburg (Urteil vom 27.04.2020; Aktenzeichen 839 Js 83602/19 21 KLs 6/20) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Revision des Beschuldigten wird das Urteil des Landgerichts Magdeburg vom 27. April 2020 aufgehoben; jedoch haben die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen Bestand.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe
Rz. 1
Das Landgericht hat die Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Die hiergegen gerichtete Revision des Beschuldigten hat mit der Sachrüge im überwiegenden Maße Erfolg.
Rz. 2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts hörte der Beschuldigte in der psychiatrischen Klinik „die Stimme des Teufels”, die ihm befahl, sich an der im Nebenzimmer befindlichen Nebenklägerin auch gegen deren Willen sexuell zu befriedigen. Dieser Stimme folgend betrat er das Zimmer der schlafenden Nebenklägerin. Dort setzte er – mittlerweile nackt – seine Körperkraft ein, um sich auf die erwachte Nebenklägerin zu legen. Diese wehrte sich, schrie laut und drückte den Beschuldigten weg.
Rz. 3
Das sachverständig beratene Landgericht hat angenommen, dem Beschuldigten habe bei dieser Tat die Einsichts- und Steuerungsfähigkeit gefehlt, denn er habe zur Tatzeit an einer Episode seiner paranoid-halluzinatorischen Schizophrenie gelitten. Die Äußerung des Beschuldigten, er habe „die Stimme des Teufels” vernommen, sei plausibel, weil auch weitere Symptome einer Schizophrenie bereits vor der Anlasstat vorhanden gewesen seien.
Rz. 4
2. Das Urteil hält rechtlicher Überprüfung nicht stand. Die beweiswürdigenden Ausführungen der Strafkammer zum Vorhandensein von handlungsleitenden Wahnsymptomen begegnen auch eingedenk des insoweit eingeschränkten revisionsgerichtlichen Prüfungsmaßstabs durchgreifenden Bedenken. Die Angaben des in der Hauptverhandlung schweigenden Beschuldigten gegenüber dem explorierenden Sachverständigen hätten eingehender Betrachtung bedurft. Bei der ersten Exploration hatte dieser gegenüber dem Sachverständigen angegeben, er sei „geil” gewesen, erst im zweiten Explorationstermin gab er dann an, der Teufel habe ihm die Tat befohlen. Eine Würdigung des Wechsels des Aussageverhaltens in diesem nach Auffassung des Landgerichts zentralen Punkt lässt das angefochtene Urteil vermissen.
Die Beweiswürdigung ist ferner deshalb lückenhaft, weil das Landgericht sich nicht damit auseinandergesetzt hat, dass sowohl die Anlasstat als auch das Vor- und Nachtatverhalten eine normalpsychologische Erklärung finden können (vgl. BGH, Beschluss vom 24. Januar 2019 – 5 StR 559/18 Rn. 18).
Rz. 5
Die an sich rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen zu den äußeren Tatumständen können bestehen bleiben.
Rz. 6
4. Für die neue Hauptverhandlung weist das Landgericht auf Folgendes hin: Der bislang allein aufgrund der Angaben des Beschuldigten festgestellte Krankheitsverlauf wird näher zu belegen sein.
Rz. 7
Das neue Tatgericht wird sich auch mit Blick auf § 67b Abs. 1 StGB näher damit auseinandersetzen müssen, welche Wirkungen die „im Maßregelvollzug” erfolgte Medikation hatte (vgl. BGH, Beschluss vom 16. Juni 2020 – 6 StR 108/20, NStZ-RR 2020, 275).
Unterschriften
Sander, König, Feilcke, von Schmettau, Fritsche
Fundstellen
Haufe-Index 14173973 |
HRRS 2020, 428 |
HRRS 2020, 458 |
R&P 2021, 64 |