Verfahrensgang
LG Krefeld (Urteil vom 16.03.2021; Aktenzeichen 21 KLs 2/21 31 Js 549/20) |
Tenor
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Krefeld vom 16. März 2021, soweit es ihn betrifft, mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Tatbestand
Rz. 1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Jugendstrafe von zwei Jahren und acht Monaten verurteilt. Zudem hat es sichergestelltes Amphetaminsalz eingezogen. Der Angeklagte wendet sich gegen seine Verurteilung mit der auf die allgemeine Sachrüge gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat in vollem Umfang Erfolg.
I.
Rz. 2
Nach den Feststellungen des Landgerichts fuhren der damals 20 Jahre alte Angeklagte und ein Mitangeklagter am 13. Oktober 2020 mit einem PKW von den Niederlanden nach Deutschland. Das Fahrzeug wurde von dem Mitangeklagten gesteuert; der Angeklagte war Beifahrer. Sie überquerten die Grenze auf der Bundesautobahn… im Bereich der Gemeinde N.. Im Kofferraum des Fahrzeugs befand sich ein Karton, der mehrere in Plastikfolie eingewickelte Pakete mit insgesamt 10.076,6 Gramm Amphetaminsalzzubereitung enthielt. Der Wirkstoffanteil der Betäubungsmittel betrug 10,9 %, die Wirkstoffmenge 1.097 Gramm Amphetaminbase. Mithin lag die Gesamtmenge bei dem 109-fachen der nicht geringen Menge. Beide Angeklagten wussten, dass sich Betäubungsmittel im Kofferraum befanden und diese zum gewinnbringenden Weiterverkauf durch Dritte bestimmt waren. Sie hatten zudem Kenntnis von Art und Menge des transportierten Rauschgifts.
Entscheidungsgründe
II.
Rz. 3
Das Urteil unterliegt, soweit es den Angeklagten betrifft, auf die Sachrüge hin der Aufhebung. Die Feststellungen tragen seine Verurteilung nicht.
Rz. 4
1. Der Angeklagte hatte zwar Kenntnis von den im Kofferraum des Fahrzeugs befindlichen Betäubungsmitteln und deren beabsichtigter Verwendung; aus den Feststellungen ergibt sich aber nicht, dass er einen eigenen Tatbeitrag zur Verbringung des Rauschgifts nach Deutschland und zur Förderung eines gewinnbringenden Weiterverkaufs leistete. Festgestellt ist lediglich, dass er als Beifahrer in dem Kurierfahrzeug mitfuhr. Die bloße Mitfahrt in einem Kurierfahrzeug in Kenntnis des Betäubungsmitteltransports begründet jedoch keine Strafbarkeit. Für eine Tatbeteiligung – ob als Mittäter oder Gehilfe – bedarf es stets eines eigenen Tatbeitrages (vgl. BGH, Beschlüsse vom 17. Mai 2018 – 1 StR 108/18, NStZ 2019, 461 Rn. 7; vom 31. Mai 2012 – 3 StR 178/12, juris Rn. 6; vom 15. Dezember 2011 – 2 StR 505/11, juris Rn. 3, 5; vom 17. November 2009 – 3 StR 455/09, BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Einfuhr 42 Rn. 4; vom 24. November 2000 – 3 StR 296/00, juris Rn. 5; vom 13. Januar 1993 – 3 StR 516/92, BGHR StGB § 27 Abs. 1 Unterlassen 5; MüKoStGB/Oğlakcıoğlu, 3. Aufl., § 29 BtMG Rn. 440 f.; Weber/Kornprobst/Maier, BtMG, 6. Aufl., Vorb. §§ 29 ff. Rn. 327 ff., § 29 Rn. 963 ff.).
Rz. 5
a) Ob und inwieweit der Angeklagte an dem Transport der Amphetaminsalzzubereitung aktiv mitwirkte, zeigt das Urteil nicht auf. Es lässt Feststellungen zu denkbaren Mitwirkungsakten, etwa bei dem Verpacken und Einladen des Rauschgifts, der Organisation der Transportfahrt, der Routenplanung oder der Absicherung des Transports, vermissen. Da der Angeklagte nicht im Besitz einer Fahrerlaubnis war, kann auch nicht ohne Weiteres davon ausgegangen werden, dass Fahrerwechsel erfolgten oder beabsichtigt waren.
Rz. 6
Feststellungen zu einem Tatlohn, den der Angeklagte erlangen sollte und aus dem möglicherweise Rückschlüsse auf Art und Umfang seiner Tatbeteiligung gezogen werden könnten, sind ebenfalls nicht getroffen. In der Beweiswürdigung ist lediglich dargetan, der Mitangeklagte habe sich dahin eingelassen, er habe für den Transport einen Geldbetrag in Höhe von 400 bis 500 EUR erhalten sollen. Zwar hat das Landgericht aus dem Umstand, dass der Angeklagte in Kenntnis der transportierten Betäubungsmittel und damit des Risikos einer Strafverfolgung in dem Auto mitfuhr, gefolgert, dass auch er sich einen finanziellen Vorteil erhoffte. Ein Schluss auf einen bestimmten Tatbeitrag des Angeklagten kann hieraus indes nicht gezogen werden und ist auch von der Kammer nicht gezogen worden. Das bloße Interesse an einem Taterfolg reicht nicht für eine strafbare Tatbeteiligung (vgl. Weber/Kornprobst/Maier, BtMG, 6. Aufl., Vorb. §§ 29 ff. Rn. 328).
Rz. 7
b) Die Feststellungen tragen entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts auch keine Verurteilung des Angeklagten wegen Beihilfe zur Einfuhr von und zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, denn insofern bedürfte es ebenfalls eines festgestellten Tatbeitrages des Angeklagten. Eine grundsätzlich in Betracht kommende psychische Beihilfe zur Einfuhr von Betäubungsmitteln durch den Mitangeklagten könnte zwar unter Umständen durch bloße Anwesenheit im Sinne eines „Dabeiseins” oder „Zugegenseins” verwirklicht worden sein (vgl. BGH, Urteil vom 7. November 2018 – 2 StR 361/18, juris Rn. 14; Beschlüsse vom 17. Mai 2018 – 1 StR 108/18, NStZ 2019, 461 Rn. 7; vom 15. Dezember 2011 – 2 StR 505/11, juris Rn. 5; vom 17. November 2009 – 3 StR 455/09, BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Einfuhr 42 Rn. 6; vom 22. August 1995 – 4 StR 422/95, BGHR StGB § 27 Abs. 1 Hilfeleisten 15; vom 13. Januar 1993 – 3 StR 516/92, BGHR StGB § 27 Abs. 1 Unterlassen 5). Sie setzte aber sorgfältige und genaue Feststellungen dahin voraus, dass und inwieweit der Angeklagte durch seine Mitfahrt die Fahrertätigkeit des Mitangeklagten tatsächlich förderte und sich dessen bewusst war, etwa, indem er diesem ein für die Tatbegehung entscheidendes erhöhtes Gefühl der Sicherheit vermittelte (vgl. BGH, Urteil vom 7. November 2018 – 2 StR 361/18, juris Rn. 14; Beschlüsse vom 17. Mai 2018 – 1 StR 108/18, NStZ 2019, 461 Rn. 7; vom 22. August 1995 – 4 StR 422/95, BGHR StGB § 27 Abs. 1 Hilfeleisten 15; vom 30. März 1994 – 3 StR 726/93, BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Einfuhr 33; vom 13. Januar 1993 – 3 StR 516/92, BGHR StGB § 27 Abs. 1 Unterlassen 5; Urteil vom 9. Mai 1990 – 3 StR 112/90, BGHR StGB § 27 Abs. 1 Unterlassen 3; MüKoStGB/Oğlakcıoğlu, 3. Aufl., § 29 BtMG Rn. 440 f.; Körner/Patzak/Volkmer, BtMG, 9. Aufl., § 30 Rn. 148; Weber/Kornprobst/Maier, BtMG, 6. Aufl., Vorb. §§ 29 ff. Rn. 326; § 29 Rn. 966 f.). Auch hieran mangelt es.
Rz. 8
c) Für einen Schuldspruch wegen Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge fehlt es, wie der Generalbundesanwalt in seiner Stellungnahme zutreffend ausgeführt hat, an Darlegungen dazu, ob der Angeklagte während oder im unmittelbaren Zusammenhang mit der Autofahrt Zugriff auf das im Kofferraum befindliche Rauschgift nehmen konnte.
Rz. 9
2. Da es – zumal im Hinblick auf die Rechtskraft der Verurteilung des Mitangeklagten – möglich erscheint, dass in einem neuen Rechtsgang die für eine Verurteilung des Angeklagten erforderlichen Feststellungen getroffen werden können, ist die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.
Unterschriften
Schäfer, Paul, Berg, Erbguth, Kreicker
Fundstellen
Haufe-Index 14970275 |
NStZ 2022, 368 |
NStZ 2022, 8 |
NStZ-RR 2022, 6 |
StV 2022, 570 |